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Eins, zwei, keins oder beides
warum Migranten der zweiten Generation eine hybride Identität wählen – wenn sie dürften.
Delna Antia
Art der Arbeit
Master-Thesis (ULG)
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Universitätslehrgang Europäische Studien
Betreuer*in
Christoph Reinprecht
DOI
10.25365/thesis.43564
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-15480.45396.191160-9
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die Forschungsarbeit geht mit einer empirischen Studie der Frage nach, wie sich Migranten der zweiten Generation in Deutschland und Österreich national selbstpositionieren. Wie begründen sie ihr Zugehörigkeitsgefühl zum Land ihrer Geburt und Staatsbürgerschaft – und wie ihre Hemmungen? Dabei liegt folgende Hypothese der Arbeit zugrunde: Deutsche Migranten fühlen sich Deutschland stärker zugehörig als österreichische Migranten zu Österreich.
Zur Untersuchung wurden in beiden Ländern qualitative Gesprächsinterviews geführt. Allen Befragten war gemeinsam, dass sie der zweiten Generation angehörig sind – also in Deutschland oder Österreich geboren wurden und aufwuchsen –, und dass sie in Besitz der Staatsangehörigkeit ihres Geburtslands sind. Der Fokus lag auf einer jungen Zielgruppe im Alter zwischen 15 und 36 Jahren, mit unterschiedlichen Migrationsherkünften.
In ihrer theoretischen Herangehensweise stellt die Arbeit wesentliche Begriffe und Konzepte der Migrationsforschung vor und bezieht sie auf die Studienergebnisse. Zentral sind dabei sowohl das, oft kritisierte, Kultur-Konflikt-Verständnis, das Migranten zwischen zwei Identitäten hin- und hergerissen sieht, als auch post-moderne Ansätze wie das der „hybriden“ Identität nach Stuart Hall und das der „natio-ethno-kulturellen Mehrfachzugehörigkeit“ von Paul Mecheril. Diese Konzepte der Hybridität und Pluralität gestehen eine mehrdeutige als auch widersprüchlichen Selbstpositionierung zu. Des weiteren dient eine europaweite Studie über die zweite Generation in neun europäischen Ländern (Ties 2012) als wichtiger, wissenschaftlicher Bezugspunkt für die eigene Hypothese, da die Studie einen statistischen Unterschied zwischen Deutschland und Österreich im Zugehörigkeitsgefühl belegt.
Die ländervergleichende Auswertung der Antworten beinhaltet folgende thematischen Schwerpunkte: nationale Zugehörigkeitspositionierung; „beides“-Sein als Gefühl; Bedeutung des Passes; Zuhause und Heimat; Räume der fraglosen Zugehörigkeit.
Zusammenfassend bezieht die Arbeit ihre Forschungsergebnisse auf die wissenschaftlichen Konzepte und beschreibt folgende Analyse: Jener theoretische Prozess, den die Migrationsforschung vollzieht, spiegelt sich in seinen Facetten in den empirischen Ergebnissen wieder – länderübergreifend. So beschreiben manche Teilnehmer auf die Forschungsfrage „Bist du Deutsche(r)/Österreicher(in)?“ eine Identität, die den Konflikt thematisiert oder Zerrissenheit empfindet, die sich als „weder-noch“ begreift und Identität in Form von Ident-Sein versteht: Ganz oder gar nicht. Andere weichen dem Nationalen aus und bevorzugen eine globale oder lokale Identifizierung. Und manche beschreiben eine nationale „sowohl-als-auch“-Identität. Sie bestätigen damit das Konzept der „Hybride“, die sich nicht eindeutig, mitunter widersprüchlich, positionieren. Viele der Befragten spüren ein „mehrfaches“ Identitätsgefühl und positionieren sich strategisch und situativ oder formen bewusste Gegen- oder Alternatividentitäten.
Gemeinsam ist ihnen, dass sie nicht tauschen wollen würden. Sie wollen lieber „beides“ als „eins“ sein – in Deutschland wie in Österreich. Nationale Identität ist für sie ein Gefühl, jenseits vom Papier eines Passes.
Gleichzeitig lässt sich ein Unterschied zwischen beiden Forschungsländern feststellen. So wird die Hypothese dieser Arbeit insofern bekräftigt, als dass die „hybride“ Identität in Deutschland proaktiv artikuliert wird – und in Österreich nahezu gar nicht. „Deutscher“ zu sein, als nationalkulturelle Kategorie, scheint fragmentiert möglich zu sein und mehr im eigenem Ermessen zu liegen. In Österreich hingegen ist dies nur auf Adjektivebene artikulierbar: Als „österreichisch“ im Charakter vermag der eine oder andere sich beschreiben, aber ein Österreicher ist er dadurch noch nicht. Die Befragten besitzen ein sehr klares Vorstellungsbild davon, was ein „richtiger Österreicher“ ist: Dieser ist man „ganz oder gar nicht“ – eine Abweichung im Äußeren oder im Namen reicht, um kein „richtiger“ zu sein. Dadurch fühlen die Interviewten oft einen Fremdausschluss, dem sie machtlos ausgesetzt sind. Auf die Frage nach ihrer nationalen Positionierung wissen sie mehrheitlich keine Antwort zu geben, sie weichen aus oder zeigen sich unentschlossen. Im Gegensatz zum „Deutschtürken“ ist auch die Identität des „Austrotürkens“ keine Option.
Abstract
(Englisch)
This thesis examines how second generation migrants in Germany and Austria define their national identity. How do they reason their feelings of belonging to the country of birth and of citizenship and what inhibits them from doing so? The underlying hypothesis of this research is that German migrants have stronger feelings of belonging to Germany than Austrian migrants to Austria.
To analyse this, a qualitative survey was created and administered in both countries. All respondents had to fulfil the criteria of being second generation – meaning they had to be born and grow up in Austria or Germany – and they had to possess the citizenship. Also the focus laid on a young target group ranging in age from 15 to 36 years, and with different migration backgrounds.
In its theoretical approach the thesis presents the essential terms and concepts of migration studies and correlates them to the surveys results. Of central concern are the understanding of an identity-conflict, although often critized, and post-modern approaches like the concept of “hybrid” identity by Stuart Hall and the “natio-ethno-cultural (Multiple-)Belonging” by Paul Mecheril. These concepts of hybridity and plurality allow an ambiguous as well as a contradictory understanding of national identity. Upon this a Europe-wide survey on migrants of the second generation in nine countries of the European Union (TIES) function as an important point of reference, since that survey confirms a difference in regards of belonging between Germany and Austria by statistics.
The evaluation of the answers of the respondents considers the following key aspects: national positioning of belonging; being “both” as a feeling; relevance of the passport; home and “heimat”; and spaces of belonging without questioning.
In its conclusion, this thesis refers the scientific concepts to the empirical results and presents the following analysis: The theoretical process that migration studies have made is reflected in the empirical results. Many respondents describe an identity that consists of conflict and fragmentation when asked “Are you German/Austrian?” They understand themselves as “neither-nor”. These respondents view identity in terms of being “identical”: in total or not at all. Others avoid nationality and prefer a global or local identification. Yet some describe an “as well as”-identity. They confirm the concept of hybrids by feeling ambiguous and often contradictory. Those respondents express a plural feeling of belonging and often position themselves strategically and situationally by forming contra- or alternative-identities.
All respondents share the unwillingness to change if they could. They want to be “both” rather than just “one” – in Austria as in Germany. For them national identity is a feeling, beyond the strictness of passport paper.
Despite similarities between respondents from both countries, differences between the two are also apparent. The results of the survey support the original hypothesis insofar as in Germany the hybrid identity is being articulated by the respondents and in Austria hardly ever. It seems to be possible to be fragmentally “German”, in a national-cultural category, and lies at ones own discretion. Contrarily in Austria this is only possible on the level of adjectives: The respondents may describe an Austrian character in some points, but that does not make them an Austrian. They all have a very fixed image of what a “real Austrian” is like to be – one who is in total. The criteria involve appearance as well as name, for example, therefore they often feel a strong exclusion coupled with powerlessness. When questioned on their national positioning they tend to avoid answering or are indecisive. For instance, in contradiction to the “Deutschtürke”, the “Austrotürke” is not an option.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Migration zweite Generation Identität Hybride Österreich Deutschland Selbstpositionierung
Autor*innen
Delna Antia
Haupttitel (Deutsch)
Eins, zwei, keins oder beides
Hauptuntertitel (Deutsch)
warum Migranten der zweiten Generation eine hybride Identität wählen – wenn sie dürften.
Publikationsjahr
2016
Umfangsangabe
84 Seiten : Diagramme
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Christoph Reinprecht
Klassifikationen
70 Sozialwissenschaften allgemein > 70.99 Sozialwissenschaften allgemein: Sonstiges ,
71 Soziologie > 71.11 Gesellschaft
AC Nummer
AC13396901
Utheses ID
38564
Studienkennzahl
UA | 992 | 959 | |