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Pervertierte Vernunft
Erkenntnis, Unvernunft und die latente Sprachproblematik in Descartes' "Regulae ad directionem ingenii"
Ashwin Schumann
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Philosophie
Betreuer*in
Richard Heinrich
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.45581
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-14957.77398.564070-8
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
In meiner Masterarbeit, die sich auf Descartes’ frühes und unvollendet gebliebenes Werk Regulae ad directionem ingenii stützt, versuche ich zu zeigen, dass dieses Werk durch das Problem der Unvernunft motiviert ist. Die Unvernunft stellt eine Gefahr dar für die Möglichkeit methodischwissenschaftlicher Erkenntnis. Am Leitfaden von drei zusammenhängenden Fragen wird dieses Problem in meiner Masterarbeit zunächst vorbereitet, dann erklärt und schließlich an einer extremen Entwicklung illustriert. Im ersten Kapitel wird die in den “Regulae” enthaltene Theorie einfacher, deutlicher Erkenntnis dargelegt und durch vier notwendige Bedingungen definiert: Erstens zeigen die “Regulae”, dass wir ein bestimmtes Bild oder Modell des Erkenntnisaktes intuitus brauchen, um zu Erkenntnis gelangen zu können. Zweitens muss die Wahl der Objekte, über die ein Studienanfänger reflektieren darf, eingeschränkt werden. Drittens hängt die Erkenntnis zu einem großen Teil von gewöhnlichen sinnlichen Wahrnehmungen ab. Diese bestimmen nämlich die Einschränkung der Objektwahl. Schließlich hängt einfache Erkenntnis auch von der Aktualisierung der Neugier, also des Begehrens zu erkennen, ab. Vor dem Hintergrund des ersten Kapitels legt das zweite nun endlich die Begriffe Irrtum und Unvernunft dar. Durch eine undisziplinierte Neugier bedingt, reflektiert der Geist über Gedanken, die dunkel und zu schwierig erscheinen. Das hat zwei Folgen: Erstens entfremdet sich der Verstand dabei von der Vernunft. Zweitens entfremden diese Reflektionen den Geist von der gewöhnlichen sinnlichen Wahrnehmung. Descartes’ Theorie der Verwunderung in dessen Spätwerk Passions de l’âme zeigt eine Möglichkeit auf, den Zusammenhang zwischen der intellektuellen und der empirischen Blindheit zu denken. Der Exkurs in sein Spätwerk wird zeigen, dass erstens ein Mangel an Empirie die unmittelbare Ursache der Unvernunft ist und dass zweitens beide Blindheiten ihrerseits bedingt sind durch eine falsche Auffassung von Erkenntnis. Das dritte und letzte Kapitel stellt die Frage nach den konkreten Praktiken, durch die diese Entfremdungen geschehen. Die Regulae weisen darauf hin, dass das Lesen von schwierigen Texten zu geistiger Verwirrung und zur Beschäftigung mit unbeantwortbaren Problemen geführt haben. Schließlich frage ich danach, wie Descartes’ Haltung gegenüber der schriftlichen Überlieferung angesichts seiner methodischen Reformierung der wissenschaftlichen Erkenntnis zu bewerten ist.
Abstract
(Englisch)
The present Master’s thesis is mainly based on a close reading of Descartes’ early and unachieved treatise Regulae ad directionem ingenii. I will try to show that the Regulae is underpinned by a concept of irrationality and that the methodology presented therein is profoundly motivated by irrationality as a threat to the project of scientific knowledge. The focus of the thesis are three interconnected questions developed in the following order. In the first chapter, I expound the theory of basic knowledge contained within Descartes’ Regulae. In my reading, his foundationalist conception of knowledge depends on four necessary conditions: Firstly, we need a proper grasp or model of the knowing act itself (what Descartes calls ‚intuitus‘). Secondly, the initial choice of objects to reflect on must be restricted. Thirdly, this restriction operates on ordinary sense experience, which, I argue, Descartes privileges over the other auxiliary modalities of the mind. Finally, the acquisiton of basic knowledge depends on the actualization of curiosity as the desire to know. The aim of the second chapter is to explain the notions of error and irrationality against the contrastive background of the first chapter. Error, I will show, is the outcome of an actual desire to know, that moulds the understanding on the wrong sort of object, based on a false conception of knowledge. I argue that error implies two features: Firstly, a false disposition of the mind that eventually leads to irrationality (i.e. a disruption between understanding and reason) and concludes an irreversible process. Secondly, a blindness towards empirical evidence. To explore the connection between intellectual and empirical blindness, I delve into Descartes’ late theory of admiration and astonishment (as exposed in his Passions de l’âme). The comparison reveals similarities between his concepts of astonishment and irrationality and thereby yields two conclusions: one, that the immediate cause of irrationality is a lack of empiricism; two, that the fundamental cause of both is the false conception of knowledge. The final chapter picks up where the second concluded and asks about the specifics of that habit which leads to the eventual estrangement of the mind both from its empirical data and from reason. Based on the concepts of irrationality developed earlier, we will see that confusion arises, even where it is not intended. It is shown that language, although it can lead astray and even be the immediate cause of mental confusion and false problems, is nevertheless not the main target of Descartes’ epistemological reform. Finally, this leads to a nuanced reevaluation of the place of tradition and rhetoric within Descartes’ methodological project.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Descartes Rules epistemology philosophy of language false problems irrationality error rhetoric obscurity
Schlagwörter
(Deutsch)
Descartes Regulae Regeln Erkenntnistheorie Sprachphilosophie falsche Probleme Unvernunft Irrtum Rhetorik obscuritas
Autor*innen
Ashwin Schumann
Haupttitel (Deutsch)
Pervertierte Vernunft
Hauptuntertitel (Deutsch)
Erkenntnis, Unvernunft und die latente Sprachproblematik in Descartes' "Regulae ad directionem ingenii"
Publikationsjahr
2017
Umfangsangabe
102 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Richard Heinrich
Klassifikationen
08 Philosophie > 08.03 Grundlagen und Methoden der Philosophie ,
08 Philosophie > 08.32 Erkenntnistheorie ,
08 Philosophie > 08.41 Ästhetik
AC Nummer
AC14517647
Utheses ID
40329
Studienkennzahl
UA | 066 | 941 | |
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