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Ein Jahrhundert „patriotischer“ Wissenschaft in Finnland
Finno-ugrische ethnologische Forschung im Spannungsfeld nationaler Ideen von A. J. Sjögren bis K. Donner
Markus Hirnsperger
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium der Philosophie Kultur- und Sozialanthropologie
Betreuer*in
Peter Schweitzer
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.48493
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-11571.54704.679274-5
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Im Finnland des 19. Jahrhunderts erfährt die ethnologische Forschung, durch ihr Nahverhältnis zur Sprachwissenschaft, eine Ausrichtung, die sich explizit den „finno-ugrischen Völkern“ widmet. Die Motive der Forschung sind von romantisch-nationalistischen Ideen geprägt. In der Arbeit wird untersucht, welche Motive dies sind und wie die Verbindung zwischen politischen Überzeugungen und ethnologischem Text gestaltet ist. Daraus werden Charakteristika der finno-ugrischen Ethnologie abgeleitet und diskutiert. Die bisherige Forschung konzentrierte sich vor allem auf die Folkloreforschung bzw. Sprachwissenschaft und Nationalismus. Ergänzend dazu analysiert die vorliegende Arbeit ethnologische Texte über, entfernt von Finnland lebende, „finno-ugrische Völker“. Der Abgrenzung des Themas und Erklärung relevanter Konzepte folgt die methodische Verankerung und Auswahl des Materials, welches einer Diskursanalyse unterzogen wird. Als theoretischer Unterbau dienen Beiträge über Repräsentation des Anderen, Konstruktion kultureller Identität und Co-Production, als Möglichkeit die wechselseitige Bedingtheit darzustellen. Der wissenschaftsgeschichtliche Teil zeichnet die finnische ethnologische Erforschung der „finno-ugrischen Völker“ in Russland nach und diskutiert deren Rezeption in Finnland und Russland. Im Analyseteil werden 17 umfangreiche ethnologische Publikationen – ergänzt durch kleinere Beiträge – von insgesamt neun Forschern, in vier Gruppen eingeteilt und mit Hilfe einer Diskursanalyse untersucht. Dabei werden wichtige Narrative, Herangehensweisen und Besonderheiten herausgearbeitet und über einen ungefähr einhundertjährigen Untersuchungszeitraum nachgezeichnet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Motive der Forscher und der finnischen Forschungsinstitutionen häufig von einer patriotischen Triebkraft geleitet waren, diese aber selten explizit im ethnologischen Text selbst sichtbar werden. Die Forschung liefert den Grundstoff, den man folglich für die nationale Idee instrumentalisierte. „Heldenhafte Biografien“, wie die von M. A. Castrén, werden selbst zu patriotischen Erzählungen. Im Forschungszeitraum kommt es zur Etablierung der finno-ugrischen Ethnologie als akademische Disziplin, die zwar ein romantisch-nationalistisches Erbe zu tragen hat, aber aufgrund ihrer Schwerpunkte und Ausrichtungen eine relevante nationale Ethnologietradition darstellt. In dieser Hinsicht leistet sie Pionierarbeit, die international wenig Beachtung findet. Innovative Elemente der finno-ugrischen Ethnologie, wie die Feldforschung, der Vergleich oder die frühe Verwendung von Ton- und Bildaufzeichnungen, werden identifiziert und in Bezug zum Kanon des ethnologischen Diskurses gesetzt. Die Gründe für die Marginalisierung der Disziplin im internationalen Kontext werden abschließend erörtert. Dabei werden Eigenheiten der finnischen Fachgeschichte, wie die Theorienarmut oder die sprachliche Randstellung der Publikationen, identifiziert, eingeordnet und erklärt.
Abstract
(Englisch)
19th century ethnological research in Finland developed a strong Finno-Ugric focus, caused by its close ties to linguistics. The motivations of the researchers were driven by romantic and nationalistic ideas. This study examines the motives of the researchers and the features of the interaction of science and political thought. The characteristics of Finno-Ugric ethnology are thus framed and discussed. Previous studies focused mostly on the influence of nationalism on folklore research and linguistics. The present contribution extends this study field to the research about the “Finno-Ugric peoples” of Russia, situated afar from Finland. Initial theoretical and conceptual positionings, as well as a statement concerning the limitations of the study, are followed by a description of the research methods and the selection of the text material under consideration. Theoretical implications, such as representation of the Other, constructions of cultural identity or the co-production of knowledge conclude this part. The following part examines the Finnish research history about “Finno-Ugric peoples” in Russia, discusses its reception in Finland and Russia, and leads to the analytical part, in which 17 substantial works, combined with smaller contributions, of altogether 9 researchers, are analyzed by the use of discourse analysis. Thus, different narratives, approaches, and special features of the research are identified and examined over a time span of roughly 100 years. The results show that, although the researchers and research institutions were often driven by patriotic zeal, the scientific text itself seldom lives up to these dogmatic convictions. Research provided the basic ideas, which were subsequently instrumentalized for nationalistic arguments. Biographies of researchers, such as M. A. Castrén’s, formed a patriotic narrative by themselves. The discipline of Finno-Ugric ethnology, while carrying a romantic-nationalistic burden, nevertheless constituted an important national school of ethnology. Although it was pioneering in many ways, it did not gain a lot attention outside of Finland. Innovative elements of Finno-Ugric ethnology – such as extensive field research, ethnological comparisons, or the early use of audio- and video recordings – are identified and assessed in the framework of international scientific discourses. Finally, I address reasons for the marginalization of the discipline in the larger scientific world – such as the language barrier or the lack of theoretical contributions – and assess and explain them.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Finland Nationalism research history Ethnology Russia Finno-Ugric
Schlagwörter
(Deutsch)
Finnland Nationalismus Wissenschaftsgeschichte Ethnologie Russland finno-ugrisch
Autor*innen
Markus Hirnsperger
Haupttitel (Deutsch)
Ein Jahrhundert „patriotischer“ Wissenschaft in Finnland
Hauptuntertitel (Deutsch)
Finno-ugrische ethnologische Forschung im Spannungsfeld nationaler Ideen von A. J. Sjögren bis K. Donner
Paralleltitel (Englisch)
A Century of “Patriotic” Research in Finland: Finno-Ugric Ethnological Research under the Influence of National Ideas from A. J. Sjögren to K. Donner
Publikationsjahr
2017
Umfangsangabe
283 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Peter Schweitzer ,
Hermann Mückler
Klassifikationen
02 Wissenschaft und Kultur allgemein > 02.01 Geschichte der Wissenschaft und Kultur ,
02 Wissenschaft und Kultur allgemein > 02.10 Wissenschaft und Gesellschaft ,
73 Ethnologie > 73.01 Geschichte der Ethnologie
AC Nummer
AC14487448
Utheses ID
42849
Studienkennzahl
UA | 092 | 307 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1