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Das Leben und Wirken von Johannes Brahms vor dem politischen Hintergrund seines Jahrhunderts
Horst Alteneder
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Lorenz Mikoletzky
DOI
10.25365/thesis.576
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30483.90334.545666-7
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Der aus dem holsteinischen Städtchen Heide stammende Johann Jakob Brahms, der Vater des berühmten
Komponisten, kommt 1825 neunzehnjährig nach Hamburg, um hier als Berufsmusiker sein
Glück zu versuchen.
Er heiratet die um 17 Jahre ältere Johanna Henrika Christiane Nissen, die Schwägerin seines
Quartiergebers Philipp Detmering.
Das in wirtschaftlicher Not lebende neuvermählte Paar sieht sich gezwungen, im billigen
Hamburger Gängeviertel eine Wohnung zu beziehen, in der Johannes Brahms am 7. Mai 1833 zur
Welt kommt.
Im Laufe der Zeit wächst die Familie Brahms zu fünf Köpfen an.
Der Vater Johann Jakob, die Mutter Johanna Henrika Christiane sowie die Kinder, Elise, Johannes
und Fritz.
Das große musikalische Talent von Johannes offenbart sich schon sehr früh und es kann mit Recht
behauptet werden, daß am Ende seiner Schulzeit, die mit parallellaufenden gründlichen
musikalischen Studien bei den hervorragenden Lehrern Otto Willibald Cossel und Eduard Marxsen
verbunden war, seine Ausbildung zum Klaviervirtuosen im Alter von sechzehn Jahren abgeschlossen
war.
Schließlich bricht der junge Künstler mit dem ungarischen Geiger Eduard Reményi, den er in
Hamburg im Zuge einer ungarischen Emigrationswelle nach dem Zusammenbruch der 1848er
Revolution kennengelernt hat, zu seiner ersten Konzertreise auf, die allerdings eher mit einer
wüsten Abenteuerfahrt zu vergleichen ist. Ende April oder anfangs Mai 1853 treffen die Beiden in
Hannover, der Haupt- und Residenzstadt des gleichnamigen Königreiches Hannover ein.
Ehe das Land 1866 ein Opfer Preußens wird, führt hier sein letzter König Georg V. die Regentschaft,
der sich durch einen großen Kunstsinn und eine hohe Musikalität auszeichnet.
Reményi macht den Reisegefährten mit seinem ehemaligen Wiener Studienkollegen, dem bereits
namhaften Geiger Joseph Joachim bekannt, der am königlichen Hof das Amt des Konzertmeisters
bekleidet.
Tief beeindruckt von der Brahmsschen Künstlerschaft, vermittelt er den Beiden einen Auftritt in
einem Hofkonzert.
Doch gleich am nächsten Tag erfolgt überraschenderweise die Ausweisung des Künstlerpaares, zumal
man davon Kunde erhalten hat, daß Reményi der Bruder eines engagierten ungarischen
Revolutionärs von 1848/49 ist. Letztlich nehmen Brahms und Reményi ihren Weg nach Weimar, in
die Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Sachsen – Weimar – Eisenach.
Eine Begegnung zwischen Brahms und Liszt auf der außerhalb der Stadt gelegenen Altenburg verläuft
ungünstig.
Der schwer enttäuschte und offenbar nun gänzlich mittellose Brahms trennt sich von seinem Reisegefährten
Reményi und begibt sich, eingedenk einer unter vier Augen ausgesprochenen Einladung
Joseph Joachims, eilends nach Göttingen, wo der hannoveranische Konzertmeister die Sommermonate
verbringt.
Der an der Göttinger Universität immatrikulierte Joachim nimmt den Kunstgenossen freudig auf.
Nach mehreren unbeschwerten Sommerwochen bricht Brahms zu einer Rheinwanderung auf; er befolgt
den Rat seines großzügigen Gastgebers, an ihrem Ende in Düsseldorf bei Robert Schumann
vorzusprechen.
Schließlich klopft Brahms am 30. September 1853 in der Bilkerstraße 1032 erstmals an der Wohnungstüre des damals schon sehr bekannten Komponisten und er wird, als er sich musikalisch
zu erkennen gegeben hat, von diesem und seiner Gattin Clara, einer bereits gefeierten Pianistin,
geradezu enthusiastisch aufgenommen.
Schumann bezeichnet in einem Artikel mit dem Titel „Neue Bahnen“ in der „Zeitschrift für neue
Musik“ Brahms als einen jungen Mann, der die größte Bewegung in der musikalischen Welt
hervorrufen wird.
Brahms verbringt seine Zeit bis zum 2. November in Düsseldorf und pflegt mit der Künstlerfamilie
enge menschliche und musikalische Kontakte.
Von der Schumann-Katastrophe erfährt der wieder nach Hannover Zurückgekehrte durch einen zufälligen
Blick in eine Zeitung. Daraus war zu erfahren, daß Robert Schumann in geistiger Umnachtung
in den Rhein gesprungen sei; er konnte zwar gerettet werden, doch hätte er nicht mehr die
volle geistige Zurechnungsfähigkeit erlangt.
Brahms eilt unverzüglich nach Düsseldorf, um Frau Schumann hilfreich beizustehen.
Der prominente Patient wird in eine kostspielige Privatklinik gebracht, doch alle Bemühungen
bleiben erfolglos; der berühmte Komponist stirbt am 29. Juli 1856 nach fast zweijährigem Siechtum.
Obwohl Clara während der Krankheit Roberts ihr siebentes Kind zur Welt bringt, muß sie nun
die Lebenskosten und auch den teuren Spitalsaufenthalt von Robert alleine bestreiten.
Sie sieht sich daher gezwungen, ausgedehnte Konzertreisen zu unternehmen, während der ungebundene
Brahms das Haus hütet und größtenteils auch die Kinder betreut.
Zweifellos hat die vierunddreißigjährige Clara Schumann gleich bei der ersten Begegnung auf den
noch jungen Brahms einen tiefen Eindruck hinterlassen und nun entwickelt sich seine Neigung für
Clara zur Leidenschaft. Es ist in der Musikgeschichte auch unbestritten, daß diese nicht unerwidert
geblieben ist.
Wenn auch nach dem Tode Roberts zwischen den altersmäßig ungleichen Paar keine eheliche Beziehung
zustande kommt, so bleiben Johannes und Clara bis zu ihrem Tod in enger Freundschaft
miteinander verbunden.
Ab dem Herbst 1857 hält sich Brahms drei Konzertsaisonen am Hofe des regierenden Fürsten Paul
Friedrich Emil Leopold zu Detmold auf, um als Chorleiter, Solist und Klavierlehrer von Prinzessin
Friederike zu wirken.
Im Frühjahr 1858 reist Brahms auf die Einladung von Julius Grimm, eines alten Künstlerkollegen
aus der Düsseldorfer Zeit, nach Göttingen, um hier den Sommer zu verbringen.
Er begegnet Agathe von Siebold, der Tochter eines angesehenen Gynäkologen in der Stadt.
Die beiden jungen Leute finden aneinander Gefallen, sie verloben sich heimlich und tauschen sogar
Ringe aus.
Als jedoch Brahms ein an ihm gefordertes Eheversprechen verwehrt, löst Agathe empört die heimliche
Verlobung und bricht unverzüglich ihre Beziehung zu Johannes ab.
Im April 1859 kommt Brahms endlich wieder einmal in das heimatliche Hamburg und gründet den
Hamburger Frauenchor (HFG). Unvorsichtigerweise läßt er sich dazu hinreißen, als Initiator des
bekannten „Manifestes gegen die Norddeutschen“ – damit waren in erster Linie Franz Liszt und
Richard Wagner mit ihren musikalischen Großformen gemeint – öffentlich aufzutreten.
Er zieht sich damit den Unwillen in weiten Kreisen der musikalischen Welt zu und selbst seine Verleger
in Leipzig weigern sich – vor allem in Anbetracht des aufgehenden Sternes von Richard
Wagner – seine Werke zum Druck anzunehmen.
Als ihm noch dazu die Leitung der Hamburger Philharmonischen Konzerte verwehrt wird, setzt er
alle seine beruflichen Hoffnungen auf Wien, weil er von dieser Stadt von seinen Freunden Joseph
Joachim und Clara Schumann schon sehr viel Positives gehört hat. Als Brahms Mitte September 1862 erstmals in der Kaiserstadt eintrifft, ist diese noch weit davon
entfernt ihren inneren Bereich flächenmäßig zu überschreiten.
Obwohl er überall eine freundliche Aufnahme in der Wiener Musikwelt findet und hier sogar auf
heimische Bekannte trifft, zieht es den offenbar von Heimweh Befallenen bald wieder nach Hause.
Eigentlich will er mit den Eltern in Hamburg seinen dreißigsten Geburtstag feiern – er findet jedoch
gänzlich zerrüttete Familienverhältnisse vor, die zu ordnen er nun bemüht ist.
Die unverhoffte Nachricht, daß er in Wien mit 39 gegen 38 Stimmen zum Chorleiter der Wiener
Singakademie gewählt worden ist, läßt ihn unverzüglich wieder in die Donaumetropole zurückkehren.
Im Frühjahr 1868 scheidet der stets nach künstlerischer Freiheit strebende Künstler wieder von
Wien.
Er hält sich häufig in Karlsruhe auf, wo seine Werke in zahlreichen Aufführungen sowohl beim
regierenden Fürstenhaus als auch beim Konzertpublikum ein großes Interesse finden.
Erst als Brahms im Herbst 1872 zum Leiter des Wiener Singvereines und damit auch zum
Dirigenten der Gesellschaftskonzerte bestellt wird, läßt er sich endgültig in Wien nieder und bezieht
seine letzte Wohnung in der Karlsgasse 4.
Nach drei Konzertsaisonen kommt es jedoch am 3. April 1875 im beiderseitigen Einvernehmen zur
Auflösung des Dienstvertrages zwischen der Gesellschaft der Musikfreunde und Johannes Brahms;
er lebt fortan als Freischaffender in Wien, und wenn er die Stadt verläßt, so geschieht dies nur zum
Zwecke von Konzertreisen und Sommeraufenthalten.
Zu den bedeutendsten Persönlichkeiten seines Wiener Freundeskreises gehören der Chirurg Dr.
Theodor Billroth und der gewichtige Musikkritiker und Universitätsprofessor Dr. Eduard Hanslick,
der Brahms als Haupt eines Kreises erheben will, der gegen Richard Wagner und seine Musik gerichtet
ist.
Die beginnende Freundschaft mit Hans von Bülow, dem Intendanten der Meiniger Hofkapelle,
veranlaßt Brahms zu einem längeren Konzertaufenthalt in Meiningen, wo er die Bekanntschaft mit
dem genialen Klarinettisten Richard Mühlfeld macht.
Seine bedeutendsten Werke komponiert Brahms größtenteils in den Sommermonaten, die er auf
dem Land verbringt, um in freier Natur ungestört arbeiten zu können.
Auf diese Weise entstanden:
während mehrmaliger Aufenthalte in Lichtental bei Baden-Baden das Streichquartett Nr. 2 in GDur
op. 36, das Horntrio op. 40, die Sonate für Klavier und Violoncello Nr. 1 op. 78; ferner von den
großen Chorwerken die „Altrhapsodie“ op. 53, das „Schicksalslied“ op. 54, das „Triumphlied“
op. 55 und die „Lieder und Gesänge“ op. 58.
In Tutzing am Starnberger-See die Haydn-Variationen op. 56 und ein Großteil der Liederhefte
op. 59.
In Ziegelhausen bei Heidelberg die Duette für Sopran und Alt op. 66, das Lied „Abendregen“ und
das Streichquartett op. 67.
Auf der Ostseeinsel Rügen die Erste Symphonie in c-moll op. 68.
In drei Pörtschacher Sommern die Zweite Symphonie in D-Dur op. 77, die 8 Klavierstücke op. 76,
die „Regenlied-Sonate“ für Geige und Klavier op. 79 und die beiden Rhapsodien für Klavier op. 79.
Ferner die Chorlieder op. 74 und op. 75.
In Pressbaum bei Wien das Zweite Klavierkonzert in B-Dur op. 83 und das Klagelied „Nanie“. in
Wiesbaden die Dritte Symphonie in F-Dur op. 90.
In zwei Mürzzuschlager Sommern die Vierte Symphonie in e-moll op. 98.
In drei Sommern im schweizerischen Hofsteffen am Thuner See die Cello-Sonaten op. 99, die Violinsonate op. 100 und 108 sowie das Doppelkonzert für Violine und Cello.
Während mehrmaliger Aufenthalte in Ischl die beiden Festouverturen mit ihrem Beinamen die
„Akademische“ und die „Tragische“, das Streichquartett in G-Dur op. 111, das Klarinettentrio in
a-moll op. 114, das Klarinettenquintett in h-moll op. 115 und die „Vier ernsten Gesänge“ op. 121.
Im großen und ganzen gesehen kann das Lebenswerk von Johannes Brahms in seinen letzten Jahren
als abgeschlossen angesehen werden.
Der Erfolg bleibt ihm aber auch weiterhin treu, zumal nach seinen Werken eine große Nachfrage
herrscht.
Sein Vermögen ist beträchtlich und auch der Freundes- und Bekanntenkreis hat eine Erweiterung
erfahren.
Er ist häufig bei Johann Strauß zu Gast und pflegt enge persönliche Kontakte zu Dr. Richard
Fellinger, dem Wiener Geschäftsführer der Firma Siemens und Halske, und seiner Familie.
In ihrem Musiksalon gelangt nicht nur so manches seiner Werke zur Erstaufführung, sondern er ist
auch der Schauplatz, an dem Brahms erstmals den sogenannten „Edisonschen Phonographen“ bespielt.
Schließlich verdankt die Nachwelt den familiären Beziehungen zwischen Brahms und Viktor von
Miller zu Aichholz nach dem Tode des Komponisten die Entstehung des Brahms-Museums in
Gmunden.
Von der Vielzahl an Ehrungen und Auszeichnungen, die Brahms im Laufe seines Lebens erhalten
hat, seien vor allem die bedeutendsten erwähnt:
die Ehrenbürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg am 23. Mai 1889 und die Verleihung
des Commandeurkreuzes des Österreichisch-Kaiserlichen Leopold-Ordens durch Kaiser Franz
Joseph I.
Das erfolgreiche Wirken von Brahms ist jedoch mehrmals auch von schweren Verlusten überschattet.
Seine Eltern verliert er schon verhältnismäßig früh:
1865 die Mutter und 1872 den Vater.
Im November 1886 sterben in Hamburg der Bruder Fritz und im Juni 1892 die Schwester Elise
Grund.
Anfangs 1894 segnet Dr. Theodor Billroth das Zeitliche und sechs Tage später Hans von Bülow in
Kairo.
Der Tod seiner alten Jugendfreundin Clara Schumann im Mai 1896 in Frankfurt am Main trifft
Brahms besonders schwer.
Freilich ohne zu ahnen, daß zu diesem Zeitpunkt bereits auch er den Keim einer tödlichen Krankheit
in sich trägt. Eine vermeintliche Gelbsucht stellt sich als Leberkrebs heraus, dem der große
Meister am 3. April 1897 in seinem Wiener Heim in der Karlsgasse 4, umsorgt von seiner treuen
Haushälterin, Frau Celestine Truxa, erliegt.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Johannes Brahms 19. Jahrhundert
Autor*innen
Horst Alteneder
Haupttitel (Deutsch)
Das Leben und Wirken von Johannes Brahms vor dem politischen Hintergrund seines Jahrhunderts
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
104 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Lorenz Mikoletzky
Klassifikation
08 Philosophie > 08.00 Philosophie: Allgemeines
AC Nummer
AC06742771
Utheses ID
432
Studienkennzahl
UA | 312 | 295 | |