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Kommunikative Funktionen frühneuzeitlichen Objektdesigns am Beispiel (venezianischer) Kelchglasvarianten des 16./17. Jahrhunderts
Michaela Helga Wilk
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium der Philosophie Ur- und Frühgeschichte
Betreuer*in
Claudia Theune-Vogt
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.49199
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-13706.42198.405670-5
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Im Rahmen vorliegender Dissertation galt es, über das Gesamtphänomen „Rezeption” als interdisziplinär zu analysierende Kategorie, das (kommunikative) Funktionspotenzial des frühneuzeitlich „gebrauchten“ Kunstobjekts Kelchglas, als Novum im auch patrizischen Alltagskontext - über den neuartigen Trinkglastypus per se, differente Formvarianten, das Material Glas wie über Bilder im/am Kelchglas - in jeglichen individuellen wie sozialen Funktions- wie Rezeptionskontexten ein- wie ausdrücklich auszuloten, um darüber ein mehrstufiges (Prozess-)Modell kommunikativer Funktionen von (frühneuzeitlichem) (Gebrauchskunst-)Objektdesign im übergeordneten Rahmen frühneuzeitlicher Identitätskonzepte zu erstellen. Ein wesentliches Interesse an explizit frühneuzeitlichen Identitäten ist über jegliche zeitgenössisch notwendigen individuellen wie sozialen, speziell auch zwischengeschlechtlichen, Neuordnungen und - orientierungen aufgrund von „Anomie“ zu rechtfertigen, wobei in der Arbeit zur zentralen Diskussion stand, welche Funktionen, Rollen und welchen Stellenwert frühneuzeitliche materielle Kunst- und Gebrauchskultur diesbezüglich spielt/hat. Diese (wieder-)identitätsstiftenden Neuordnungen wurden demnach wesentlich als (ästhetische) (Selbst-)Gestaltungen begriffen und sollten sich über frühneuzeitliches Kunst-Objektdesign (Kelchglasdesign) und dessen Gebrauch ein- und ausdrücklich reflektieren bzw. visualisieren lassen. Mit einer beginnenden archäologischen und kunsttheoretischen Aufarbeitung des Basismaterials in Form frühneuzeitlicher Salzburger Kelchglasfunde aus städtischen Befunden konnten zunächst über gestaltungstechnische, formal(e) ästhetische wie m. E. ikonographische Überlegungen zu Formen, Bildern und Material wie über Analogien und letztlich darüber ableitbare Provenienz- wie Datierungsoptionen wesentlich sozial-repräsentative Aspekte - speziell des frühneuzeitlichen (Salzburger) Patriziats - fokussiert werden. Wurde für weitere kommunikative Funktionen dem Zusammenhang zwischen Materialität(en), Praktiken und explizit (sinnlicher) Wahrnehmung spezielle Wichtigkeit beigemessen, konnten zur Rekonstruktion jeglicher „(Be-)Handlungskontexte“ allem voran interdisziplinäre Optionen - speziell die frühneuzeitlich großflächig vorhandene innerbildliche Repräsentation (venezianischer) Kelchglasformen in Stilllebendarstellungen, Genremalerei wie auch emblematischen picturae - beansprucht werden. Zur Eruierung differenzierterer, eindrücklicher, Responsivitäten über das multisensorisch (visuell und haptisch) wahrnehmbare Objektdesign lag ein Fokus auf jeglichen „Ästhetiken“ - unter spezieller Berücksichtigung der Erkenntnisästhetik, Elementaren Ästhetik wie einer Ästhetik der Erhabenheit - worüber, über reines Kunst-Gefallen hinausgehende, „Kunstspezifische herausragende Funktionen wie Reaktionen“ formuliert werden konnten und darunter speziell die Aktivität, die Handlungsfähigkeit materieller Kultur per se wie insbesondere ihr persuasiver Part, als „persuasive design“, im Rahmen individueller, sozialer wie soziokultureller Praktiken - neben euphemistischen, sonstigen didaktischen wie (sozio-)psychologischen Funktionen - auffielen. Als ein dominantes didaktisch-persuasives Moment konnte eine „ästhetische Akkommodation“ in Form von Handlungsästhetik, in Folge in Selbstorganisation zu einer gesamtheitlichen Ästhetisierung der frühneuzeitlichen Verhaltenswelt überredend, diskutiert werden. Sämtliche eruierten identitätsstiftenden Kunst-Aspekte wurden resümierend noch aus (sozial)psychologischer wie aus einer an der philosophischen Anthropologie orientierten Meta-Perspektive im Rahmen frühneuzeitlicher sicherheitsbedachter funktionalistischer wie freiheitsorientierter überfunktionalistischer individueller wie sozialer (Neu-)Ordnungen - als heikles Spiel zwischen Sicherheit und Freiheit, (purer) Existenz und Leben wie Nähe und Distanz - betrachtet. Generell ließ sich darüber das weitreichende Phänomen jeglicher Formen von „Distanzierungen“ - sozialen, räumlichen und hypothetischen - beobachten, worüber nach angewandter sozialpsychologischer „Construal Level Theory“ ein Zusammenhang zwischen jeglichen Distanzierungen und mentaler Abstraktion mit damit einhergehenden veränderten kognitiven und affektiven wie Wahrnehmungs- und Zielsetzungs-technischen Konsequenzen nachvollzogen, wie im Gebrauchs-Kunst-Kontext anhand zahlreicher Beispiele in frühneuzeitlichen identitätsstiftenden Zusammenhängen aufgezeigt werden konnte. Letztlich auf einer Mikroebene betrachtet, wurde das potenzielle Beeinflussen wie nachhaltige Prägen von Individuum und Gesellschaft über eine Kunstkonfrontation, in Anlehnung an aktuelle „Prozessmodelle ästhetischer Erfahrung“, als spezielle (veränder- und steigerbare) wahrnehmungstechnische, kognitive und affektive Reaktionen m. E. mit ihren (neuro)physiologischen Korrelaten - mit einem Fokus auf Affekten wie auch affektiv-kognitiven Wechsel-Wirkungen - als noch differenziertere Responsivitäten diskutiert. Dies ließ „Kunstspezifische herausragende Funktionen und Reaktionen“ wie „Kontextbezogene und Langzeit-Auswirkungen“ von/auf Kunstkonfrontationen im Alltag in Bezug auf jegliche individuellen und sozialen „Handlungsveränderungen“ wie auch hinsichtlich eines gesundheitlichen Manipulationspotenzials - wesentlich auch mit Blick auf Nachhaltigkeit - (messbar) nachvollziehen. Diesbezüglich konnte als wesentliches Kuriosum im Rahmen frühneuzeitlicher Identitätskonzepte für den homo ludens über die Kunstkonfrontation ein (neuro)physiologisch nachvollziehbares „Feed Forward System“ als persuasive langandauernde, spielerische! Herausforderung zur permanenten körperlichen und mentalen Selbst-Steigerung, als persuasives Lustprinzip zum lebenslangen kreativen Selbstgestaltungsprozess über jegliche Grenzen hinweg - ganz im Sinne der (humanistischen) höchsten Zielsetzung, eine „höhere Lebensform“ zu erreichen - vorgeschlagen werden.
Abstract
(Englisch)
This thesis took an interdisciplinary angle on the phenomenon reception of the goblet by assessing its multiple social uses and societal concepts during the modern times. The focus is on its use as an art and everyday object, as a novel drinking glass type, its different designs, the material of glass and impressions depicted on it. Based on that, a process model of the communicative functions of commercial art was developed while reflecting on identity concepts in the modern times. The reason for focusing on modern times identities lies in relevant individual, social, intergender transformations and reorientations happening at that time, theoretically conceptualized as anomie. In this thesis, the steering role of modern times everyday and art objects and their significance in bringing about anomie are discussed. These identity forming reorientations are understood (by the researcher) as aesthetic self constructions, captured and visualized in art object design and its use (goblet design). Archaeological and art-theoretical analysis of excavations of early modern times goblets in Salzburg, kept in municipal records, served as the base for reflections on design, formal aesthetics and to a limited extent, iconography as well as drawing analogies, from which, origin and age determination were derived in order to focus on social-representative aspects. The researcher further assessed the communicative functions according to the links between materiality, practices and explicit (sensual) perception and reconstructed action contexts by looking at visual representations of (Venetian) goblets in still lifes, genre painting as well as emblematic picturae from an interdisciplinary angle which were abundantly created during early modern times. For differentiated communicative functions of visual and haptic design there´s a special focus on aesthetics and the activity of material culture as a persuasive design. In this context the researcher discussed the “aesthetic accommodation” as a dominant didactic-persuasive moment in terms of an aesthetic action, which when turning into self-organization suggests a holistic aestheticization of the entire behavioural world. The identity forming art aspects determined in this work were subsequently more specifically analyzed from a (social)psychological angle and a philosophical anthropology meta-perspective in the context of functional and freedom-oriented over-functional, individual and social reorientations that played with the thresholds between security and freedom, existence and life, proximity and distance. According to the social-psychological “Construal Level Theory”, there is a link between any form of distancing and mental abstraction explained by a concomitant change in cognitive and affective processes and perception and thus, also in objectives. With this theory, all types of possible distancing can be explained, be it social, spatial or hypothetical, which in this thesis has been demonstrated for the example of functional art in relation to identity forming contexts in early modern times. When looked at it at a microscale, the potential shaping and moulding of individuals and society facilitated by the encounter with art, can be discussed as even more differentiated “Responsivitäten” in accordance with current “process models of aesthetic experience” where they are understood as modifiable perceptual, cognitive and affective reactions with its (neuro)physiologial correlates - with a special focus on affects and affective-cognitive interdependencies. Through this approach ‘art-specifically extraordinary functions and reactions’ as well as ‘context dependent long term impacts’ both following the daily encounter with art and as a feedback on the latter, became measurable in terms of individual and collective changes in action. This line of thought also has important implications for sustainability and the manipulation of health habits and behavior. Based on identity concepts related to the homo ludens in early modern times through art encounter, the researcher proposed a (neuro)physiologically reconstructible 'feed forward system’. The latter represents a persuasive yet playful drive for a permanent physiological and mental self improvement, like a persuasive pleasure principle for a lifelong creative self development process beyond any boundaries, close to the highest humanistic goal of attaining a ‘higher way of life’.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
communicative functions object-design glass Construal Level Theory persuasive design homo ludens Early Modern
Schlagwörter
(Deutsch)
Kommunikative Funktionen Objektdesign Glas Construal Level Theory persuasives Design homo ludens Frühe Neuzeit Affektlogik
Autor*innen
Michaela Helga Wilk
Haupttitel (Deutsch)
Kommunikative Funktionen frühneuzeitlichen Objektdesigns am Beispiel (venezianischer) Kelchglasvarianten des 16./17. Jahrhunderts
Publikationsjahr
2017
Umfangsangabe
401, circa 200 ungezählte Seiten : Illustrationen
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Claudia Theune-Vogt ,
Ulrich Müller
Klassifikationen
02 Wissenschaft und Kultur allgemein > 02.01 Geschichte der Wissenschaft und Kultur ,
02 Wissenschaft und Kultur allgemein > 02.10 Wissenschaft und Gesellschaft ,
05 Kommunikationswissenschaft > 05.20 Kommunikation und Gesellschaft ,
20 Kunstwissenschaften > 20.05 Kunst in Beziehung zu anderen Wissenschaftsgebieten ,
20 Kunstwissenschaften > 20.08 Kunstpsychologie ,
20 Kunstwissenschaften > 20.10 Kunst und Gesellschaft
AC Nummer
AC14508398
Utheses ID
43485
Studienkennzahl
UA | 092 | 309 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1