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Die "Nationalvarietät" österreichisches (Standard-)Deutsch
Analyse eines linguistischen Konzepts
Julia Scheiblauer
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Lehramtsstudium UF Deutsch UF Geschichte, Sozialkunde, Polit.Bildg.
Betreuer*in
Manfred Glauninger
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.49764
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-13165.47673.289254-8
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind zwei linguistische Postulate hinsichtlich Sprache allgemein und der österreichischen Standardsprache im Speziellen im Umfeld der Plurizentrizitätstheorie. Die zentralen Begriffe dieser Theorie werden einer kritischen Betrachtung unterzogen. Zuerst wird das Konstrukt der Nation, basierend auf der vermeintlichen Verbindung von Sprache und Nation thematisiert. Mit der steigenden Irrelevanz anderer Konzepte der Kollektivbildung, wie etwa Religion, der Staats- und Gesellschaftsform der Monarchie und des traditionellen Geschichtsverständnisses im 19. Jahrhundert, kommt Nation die Rolle einer Ersatzgemeinschaft zu. Im deutschsprachigen Raum behilft man sich lange mit dem Begriff der Kulturnation, um die Differenz zwischen den einerseits verschiedenen politisch autonom agierenden Staaten und andererseits der überstaatlichen deutschsprachigen Sprachgemeinschaft zu überwinden, hierbei wird Sprache als Mittel zur Legitimation herangezogen. Im anglo-amerikanischen Raum und in Westeuropa ist Nation hingegen eine Willensgemeinschaft, die sich über eine bürgerlich-konstitutionelle Revolution konstituiert und sich in ihren Anfängen dezidiert von Sprache als Basis der Zusammengehörigkeit distanziert. Das Konzept der Plurizentrizität geht von mehreren gleichwertigen Standardvarietäten der deutschen Standardsprache aus. Die verbreitetste Auslegung dieser Theorie ist jene der Plurinationalität, welche die verschiedenen Zentren der Standardvarietäten mit Nationen gleichsetzt und sich damit auf der gegenseitigen Bedingung von Sprache und Nation gründet. Diese Auffassung greift allerdings auf ein Nationsverständnis zurück, das historisch gesehen für den deutschsprachigen Raum nicht zu argumentieren ist. In der Theoriebildung werden verschiedene Begriffstraditionen und damit auch Implikationen dieser Begriffe vermischt. Im Versuch, eine Abgrenzung zu Deutschland zu legitimieren, argumentieren manche VertreterInnen der germanistischen Sprachwissenschaft eine eigenständige österreichische Standardsprache, gebunden an die österreichische Eigenstaatlichkeit. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich dies allerdings als Zirkelschluss. Mit der vorangegangenen Annahme immer verbunden ist das Moment der Identität. Diese wird sowohl als Begründung für die Relevanz der Herausbildung einer österreichischen Standardsprache herangezogen, als auch (über den Umweg der Sprachgemeinschaft) einer österreichischen Nation. Bei ‚Identität‘ handelt es sich aber um einen wenig exakten Begriff, der sich auch empirisch nicht festmachen lässt. Historische Beispiele und jene aus der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass Sprache zwar ein Faktor in der Identitätsstiftung sein kann, diese aber oft zu Instrumentalisierungszwecken verwendet wird. Sollte es die soziopolitische Realität erfordern, kann die vermeintliche gegenseitige Bedingung von Sprache und Identität neuen Gegebenheiten rasch angepasst werden. Als Grundlage für eine sprachpolitische Argumentation ist Identität daher nur mit Einschränkungen geeignet.
Abstract
(Englisch)
This thesis discusses the linguistic concept of Pluricentricity and aims to critically examine the key terms the theory operates with. The pluricentric approach states that a standard language can be comprised of multiple standard varieties of the same value represented by so called centres. The theory of Pluricentricity, especially its plurinational interpretation, has attracted considerable attention in recent years and the concept of a pluricentric German language is widely accepted among linguists. In regard to German this means there are at least an Austrian, a German (for matters of distinction the term bundesdeutsch is used here in German) and a Swiss standard variety of the German standard language. Two presuppositions essential to the plurinational interpretation of this theory have, however, been disregarded so far. For one, most previous research has overlooked the fact that the concept of nation that is used to substantiate the different centres is rooted in Western European and Anglo-American traditions whereas in Germany and Austria the term is used differently, based on different historical developments. Following the German concept of Kulturnation a nation is based on a common language and culture while a Staatsnation originates in a bourgeois revolution. Aspects of both interpretations are used to argue for the plurinational interpretation of the pluricentric theory, which states that the centres are represented by their respective nations. This reasoning is not only inconsistent but when examined critically, proves to be contradictory. Thought through strictly, the concept of Kulturnation would only allow for one German nation – an argumentation not viable in respect to a sovereign Austrian state– while the application of Staatsnation would promote an Austrian language separate of German, the postulation of which, considering the tremendous similarities is linguistically highly questionable. Another central question that is addressed in the context of the aforementioned theories is the role of identity. Language is often claimed to be essential for one’s identity even though this assumption cannot be empirically proven. This alleged factor in the formation of identity originates in the concept of Kulturnation in the 19th century and can also be found recently in justifications for the importance of the theory of Pluricentricity. Conversely, the intentions of language policy regarding a variety are argued for on grounds of its alleged importance to express a nation’s identity. While numerous examples (throughout history) show that language can in fact contribute to the makeup of an individual’s identity, history also reveals that language is highly suspect to instrumentalization. Socio-political changes can cause the relationship between language and identity to be re-evaluated and have it adapted to new conditions. The volatility of the perceived connection between identity and language renders the argument in favor of the need for an own language therefore less useful.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Österreichisch Nation Kulturnation Nationalismus Identität Identitätsstiftung Identitätskonstrukt Heinz Kloss Ulrich Ammon Rudolf Muhr
Autor*innen
Julia Scheiblauer
Haupttitel (Deutsch)
Die "Nationalvarietät" österreichisches (Standard-)Deutsch
Hauptuntertitel (Deutsch)
Analyse eines linguistischen Konzepts
Publikationsjahr
2017
Umfangsangabe
129 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Manfred Glauninger
Klassifikationen
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.10 Sprache in Beziehung zu anderen Bereichen der Wissenschaft und Kultur ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.20 Soziolinguistik: Allgemeines ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.22 Sprachlenkung, Sprachpolitik ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.25 Soziolinguistik: Sonstiges ,
18 Einzelne Sprachen und Literaturen > 18.09 Deutsche Sprache
AC Nummer
AC15012982
Utheses ID
43998
Studienkennzahl
UA | 190 | 333 | 313 |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1