Detailansicht

Die Ontologie Sartres und ihre Folgen für die konkrete Existenz
Hanns Gero Gridl
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium der Philosophie Philosophie
Betreuer*in
Peter Kampits
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.49953
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-17122.26103.245264-6
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
In der Arbeit werden die anfangs gegebenen ontologischen Prämissen entfaltet, vertieft und es wird zugleich kritisch geprüft, inwiefern sie als Grundlage von Sartres Anthropologie gelten können. Es ist das erklärte Ziel der vorliegenden Dissertation, die wesentlichen Fragen von Sartres erstem Hauptwerk, Das Sein und das Nichts, zunächst zu thematisieren und in einem zweiten Schritt in ihren Konsequenzen für den Vollzug des menschlichen Lebens zu beantworten. Mit konkreter Existenz ist die Existenz als Vollzug gemeint, das Selbstverhältnis des Subjekts, das radikal in Frage steht. Nicht Grund seines Seins und durch einen Mangel bestimmt, möchte es zur Grundlage seiner selbst werden. Dieser in der Zufälligkeit der menschlichen Existenz begründete Entwurf, durchdringt sämtliche Bezüge zu sich selbst, zur Welt und zum Anderen. In der Analyse der Unaufrichtigkeit untersuche ich eine Möglichkeit der Selbsttäuschung, wie sie durch Sartres Ontologie erst möglich wird und stelle die Frage, ob sie grundsätzlich überwunden werden kann. Zwischen der Forderung, nur das zu sein, was man tatsächlich ist, der Faktizität und dem Entwurfscharakter der Existenz, das heißt, mich auf zukünftige Zustände zu entwerfen, das ist die Transzendenz, ist es dem Menschen durchaus möglich, zu vermitteln: Aufrichtigkeit ist auch im Sinne von Sartres Ontologie und entgegen seiner eigenen Interpretation möglich. In der Theorie des Subjekts zeige ich, wie Sartre die Strukturen des Subjekts entfaltet, erläutere den Begriff der Transzendenz und gelange zu dem maßgeblichen menschlichen Beweggrund, seine eigene Grundlosigkeit abzustreifen und Grund seiner selbst, ein „An-und-für-sich-Seiendes“ werden zu wollen. Das Sein des Subjekts erweist sich als ekstatisch in den Dimensionen der Zeit. Im Gegensatz zum An-sich, einem Sein, das mit sich selbst koinzidiert, ist das Für-sich ein Sein, das sich selbst und seine Existenz erschafft und in der Folge auch die Werte ins Sein ruft. Hier setzen die Fragen nach Faktizität, Kontingenz und Selbsterschaffung an. Die Freiheit ist die ontologische Struktur des Für-sich-seins. Die freie Handlung ist bei Sartre vor allem ein Bruch mit dem Gegebenen. Es ist die Wahl der Zwecke, die an allererster Stelle steht. Jede meiner Wahlen ist mit einem Selbstentwurf verbunden, der in einer Urwahl gründet. Als Grundthese Sartres gilt: Stets bin ich es, der Anlässe und Hindernisse vor dem Hintergrund gesetzter Ziele deutet. Schließlich zeige ich, dass Sartres Freiheitstheorie einerseits von bemerkenswerter Konsequenz ist, andererseits aber von einer unübersehbaren Zwiespältigkeit gekennzeichnet bleibt. Im Gefühl der Scham erkenne an, so zu sein, wie der Andere mich sieht. Eine neue Dimension meines Seins ist ins Spiel gekommen: mein Für-Andere-sein, ein Sein, das sich mir entzieht und das ich dennoch bin. Es kommt zu einem Kampf um Anerkennung, der keine Vermittlung zulässt. Dieser Kampf mündet bei Sartre in einen unauflöslichen Konflikt. Aber nicht der Konflikt als solcher ist das Problem, sondern die Unmöglichkeit, über den Konflikt hinaus zu gelangen. Das radikal offene Selbstverhältnis, für Sartres Theorie des Subjekts kennzeichnend, liefert mich dem Blick des Anderen wehrlos aus. Personale Identität, ein Modell, das die Integrität des Subjekts stärkt, könnte eine Antwort sein. Eine Relativierung, der von Sartre entworfenen Aussichtslosigkeit des interpersonalen Geschehens kann auf der Basis sprachlicher Verständigung erzielt werden! In seinem Projekt einer existentiellen Psychoanalyse versucht Sartre das Phänomen einer Urwahl zu klären, einer Wahl, durch die sich das Subjekt zu dem Menschen bestimmt, der es fortan sein wird. Die Urwahl figuriert als eine Art Rahmen, der meinen Handlungen eine bestimmte Kontinuität gewährt und das offene Selbstverhältnis des Subjekts stabilisiert. Sartre versucht, eine Rekonstruktion des Lebens des Subjekts und thematisiert in diesem Sinn die durch den Urentwurf geforderte Ganzheit und „Wahrheit“ der menschlichen Existenz. In einem letzten Kapitel thematisiert die Arbeit Sartres Moralphilosophie in ihrem Verhältnis zur Ontologie. Das Scheitern des Für-sich, Grund seiner selbst zu werden, kann zur Konversion führen. Dies geschieht als Absage an jede Art der Verdinglichung: Ethik wird möglich, wenn weder die Kontingenz geleugnet, noch ein absoluter Wert gesetzt wird. Die Frage nach dem Wert ist inmitten von Sartres Theorie des Subjekts aufgebrochen. Daher weist Sartres Theorie des Subjekts ethische Implikationen auf. Geschieht der Akt der geforderten Konversion nun als Absage an wertende Unterscheidungen und höre ich auf, mich als dieser oder jener zu qualifizieren, dann kann eine Überwindung des Zirkels meiner von Negativität gekennzeichneten Verbindung zum Anderen erfolgen. Das Heraustreten aus der Struktur des Für-Andere-Seins werde zur unerlässlichen Voraussetzung für den Versuch, mit meiner Freiheit auch die des Anderen zu wollen. Der „Neuanfang“ hat allerdings einen an die gesamte Menschheit ergehenden Appell zur Voraussetzung, womit Sartres Anspruch uneingelöst bleiben muss, da er die prinzipielle Konversion aller fordert.
Abstract
(Englisch)
The premises, established in the beginning of this essay will be developed and deepened and they will be critically evaluated, as to if they can be regarded as a basis for Sartre’s anthropology. It is the distinct goal of this work to highlight on one hand the crucial questions in Sartre’s first main work Being and nothingness and on the other hand to answer them in regard to their consequences influence they manifest on human life. By concrete existence I mean the existence as a lucid existence, the inner relation to oneself is the radically questioned issue. It is not the basis of its own existence but the lack of it which will determine the reason for becoming oneself. This design established in the contingency of the human existence seeps into every relation to the ego, to the world and to the others. In the analysis of the insincerity I investigate the possibility of self-betrayal, as made possible by Sartre’s ontology and ask if this phenomenon is surmountable. Between the requirement to be what you really are, which is the facticity, and the possibility to anticipate future states or the design character of existence, which is the transcendence sincerity, it is quite possible for man to convey sincerity, also in the sense of Sartre's ontology and contrary to his own interpretation. In the theory of the subject I show how Sartre evolves the structures of the subject, I explore the term of transcendence and I conclude the main human reason for suppressing his own groundlessness to become the ground for oneself this means to become a being-in-and-for-oneself. The being of the subject proves itself to be as ecstatic in the dimensions of the time. In opposition to the being in oneself, a being that coincides with itself is the being for itself, a being that creates itself and in the following also creates the values. It is here where the questions of factuality, contingency and self-creation evolve. Liberty is the very structure of the being-for-oneself. The free act is for Sartre primarily a fracture with the given situation. It`s the choice of the purposes which is on first place. Each of my choices is linked to a creation of myself. Sartres' basic principle is: It is always me who interprets events and obstacles against the background of set goals. Finally I show that Sartre`s theory of liberty is on the one hand of a remarkable consistence, but on the other hand it is characterized by an obvious contradiction. In the emotion of the shame I recognize to be as the other one sees me. A new dimension of my being came into play: my being-for-the-other, a being that withdraws itself from me and a being that I am nevertheless. This leads to a fight for recognition that doesn’t allow for mediation. This struggle leads for Sartre to an indissoluble conflict. Actually the conflict in itself is not the problem, but much more the impossibility that there is no chance to overcome the conflict. The radical open relation to oneself, significant for Sartre’s theory, delivers me defenceless into the scrutiny of the others. Personal identity, a model that strengthens the integrity of the subject could be an answer. A relativization of Sartre's unpredictability of interpersonal events can be achieved on the basis of linguistic communication. In his project of an existential psychoanalysis, Sartre attempts to clarify the phenomenon of a primordial election, a choice by which the subject is determined by the man who will be from now on. The original choice is a kind of framework that gives my actions a certain continuity and stabilizes the open self-relation of the subject. Sartre tries a reconstruction of the whole life of the subject and emphasizes the wholeness and truth of the human existence that is determined by the original choice. In the last chapter Sartre deals with moral-philosophy in its relation to his ontology. The failure of the wish of the being-for-oneself to become the basis of itself can lead to a conversion. This takes place as a rejection of any kind of assertion: ethics becomes possible if neither the contingency is denied nor an absolute value is set. The question of the value was settled within Sartre’s theory of the subject. Therefore, Sartre’s theory of the subject demonstrates ethical implications If the act of the required conversion takes place as a denial of evaluative distinctions, and if I cease to qualify as this or that, then the circle of my connection marked by negativity towards others can be overcome. The emergence from the structure of being-for-another is an indispensable prerequisite for attempting the desire for my freedom as well as that of the others. The "new beginning" has, however, a prerequisite for all mankind, with which Sartre's claims must remain unresolved, since he demands the fundamental conversion of all.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Sartre Jean-Paul ontology anthropology existence
Schlagwörter
(Deutsch)
Sartre Jean-Paul Ontologie Anthropologie Existenz
Autor*innen
Hanns Gero Gridl
Haupttitel (Deutsch)
Die Ontologie Sartres und ihre Folgen für die konkrete Existenz
Paralleltitel (Englisch)
Sartre`s ontology and its consequences for a concrete existence
Publikationsjahr
2017
Umfangsangabe
263 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Violetta Waibel ,
Konrad Paul Liessmann
Klassifikation
08 Philosophie > 08.24 Neue westliche Philosophie
AC Nummer
AC14503976
Utheses ID
44170
Studienkennzahl
UA | 092 | 296 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1