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Matrilineare Gesellschaften
eine Untersuchung aus ethnologischer und historischer Sicht
Isabella Andrej
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Grund- und Integrativwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Studienrichtung Völkerkunde Studienzweig Geschichte
Betreuer*in
Gerhard Kubik
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.50359
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-16464.02653.620663-7
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Zum Verständnis von matrilinearen Gesellschaften wird auf die Evolution der Gesellschaft eingegangen. Während der biologischen Evolution der Hominiden gewinnt die Familialisierung an Bedeutung, worauf sich Gough (1975) bezieht. Ausgehend vom Homo sapiens sapiens vor ca. 120.000 Jahren als segmentäre Gesellschaft des egalitären Typs wird das Überleben der Menschen in kleinen Gruppen durch das Jagen von Wildtieren und Sammeln von allen Arten von Nahrungsmitteln je nach regionalen Umweltbedingungen gesichert. Es wird die Ansicht von Murdock (1949) vertreten, dass die Kernfamilie in allen Gesellschaften als universelle Institution existiert. Der Klimawandel am Ende der Eiszeit vor ca. 12.000 Jahren hat z.B. in der Levante aufgrund der Dürreperioden gravierende Veränderungen ausgelöst, die zu Sesshaftigkeit, Getreideanbau und Haustierhaltung als Überlebensstrategie geführt haben, damit verbunden ist es zu einem Bevölkerungsanstieg (Wimmer 1996) gekommen. Der Bevölkerungsdruck, Segmentierung, Migration und regelmäßig stattfindende kriegerische Auseinandersetzungen führten zu Differenzierungen in der Sozialorganisation. Der Prozess der Veränderungen vollzieht sich langsam über Jahrtausende und lässt in der Region Mesopotamien erste politische, religiöse und urbane Zentren (Sumer) entstehen. Obwohl zwischen Männern und Frauen nie ein Geschlechtsdimorphismus existiert hat, verändert sich die Sozialorganisation und die Stellung der Frauen durch die Sesshaftigkeit innerhalb der Kernfamilie. Ein Matriarchat hat es aber nie gegeben, sondern ausschließlich die Bevorzugung von Frauen bei der Residenz nach der Heirat und einer matrilinearen Deszendenzregel: Der höhere Status der Frauen ist erkennbar durch Matrilokalität/Uxorilokalität verbunden mit Matrilinearität gegenüber Patrilokalität/Virilokalität verbunden mit Patrilinearität. Wodurch diese Veränderungen ausgelöst wurden, wird anhand der Theorie von Divale (1975) vertreten, der von der Hypothese ausgeht, dass sich durch einen langfristigen Zyklus über einen Zeitraum von 1000 bis 2000 Jahren aufgrund von Migrationsbewegungen ein Gesellschaftswandel vollziehen kann: Patrilokalität/-linearität verbunden mit internaler Kriegführung führt durch Migrationsbewegungen größerer Bevölkerungsgruppen und Eroberung neuer Siedlungsgebiete zu einem Ungleichgewicht, wodurch Veränderungen erforderlich werden. Die internale Kriegführung wird durch externale Kriegführung gegen entfernte Feinde ersetzt – zeitliche/distanzmäßige Abwesenheit der Männer/Krieger – führt zur Bevorzugung von Matrilokalität/-linearität als die sicherste „Überlebensstrategie“ der Verwandtschaftsgruppen. Daraus entsteht ein neues Gleichgewicht innerhalb der Gesellschaft. Da es nie einen Stillstand der Sozialorganisation gibt, kommt es immer wieder zu Veränderungen: beginnend mit der bevorzugten Maritalresidenz zurück zur Patrilokalität/Virilokalität und daran anschließend bis das bestehende Verwandtschaftssystem Matrilinearität/Ambilinearität verschwindet und der Wandel zum Ausgangspunkt erreicht wird, verbunden mit internaler Kriegführung und Patrilokalität/Patrilinearität. Migrationsbewegungen spielen in der Geschichte der Menschheit bis heute eine bedeutende Rolle und bilden die Grundlage für Veränderungen der Gesellschaftssysteme. Als Beispiele für matrilineare Gesellschaften zur Vertretung der Theorie von Divale werden folgende herangezogen: a) Die Konföderation der irokesischen Stämme Nordamerikas: Langhäuser der Frauen, externale Kriegführung gegen andere entfernte Konföderationen (Wendat/Huronen), bevorzugte uxorilokale Maritalresidenz/Matrilinearität. Nachgewiesen durch archäologische Ausgrabungen von Langhäusern aus der Zeit um 1000 n.Chr. im heutigen Bundesstaat New York, Syrakus. b) Die Bemba Bevölkerung der Region Subsahara Afrikas: Im 18. Jahrhundert setzt die Migrationsbewegung durch die Überquerung des Lualaba-Flusses ein und es kommt zur Ansiedlung im heutigen Siedlungsgebiet. Bei den matrilinearen Bemba wird das aggressive Handeln ausschließlich nach außen gerichtet und innerhalb der Gesellschaft die Harmonie geschätzt. Maskentraditionen werden meist als Möglichkeit des Abbaus von Aggressionen der anwesenden Männer genutzt. c) Die Minangkabau: Im insularen Südostasien spielt der Einfluss durch Handelsbeziehungen zwischen China und Indien eine bedeutende Rolle. Als Beispiel wird das Entstehen und das Zerfallen von religiösen, politischen und handelsorientierten Zentren auf Sumatra (z.B. das Chiefdom Śrivijaya) genutzt, um nachvollziehen zu können, dass der Fernhandel immer mit religiösen Einflüssen, Sprachen und Traditionen von außen verbunden war. Nicht immer ist die externale Kriegführung für das Fortbestehen von uxorilokaler Maritalresidenz ausschlaggebend, sondern wie bei den Minangkabau kann auch der long-distance-trade die Ursache für die Abwesenheit der Männer sein, die als Kaufläute und Händler eine finanzielle Grundlage schaffen. Aus all den verwendeten Beispielen kann nie ein absoluter Nachweis der Theorie gegeben werden, da alle Theorien in der Realität Abweichungen aufweisen können und lediglich eine allgemeine Tendenz vorhanden ist.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Mutterrecht Matrilinearität externale Kriegführung long-distance-trade matrilineare Gürtel Afrikas Minangkabau
Autor*innen
Isabella Andrej
Haupttitel (Deutsch)
Matrilineare Gesellschaften
Hauptuntertitel (Deutsch)
eine Untersuchung aus ethnologischer und historischer Sicht
Paralleltitel (Englisch)
Matrilineal societies : a study in historical and ethnological perspective
Publikationsjahr
1998
Umfangsangabe
III, 311 Bl.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Gerhard Kubik
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.78 Südostasien ,
15 Geschichte > 15.92 Afrika südlich der Sahara ,
73 Ethnologie > 73.00 Ethnologie: Allgemeines ,
73 Ethnologie > 73.41 Deszendenz ,
73 Ethnologie > 73.42 Altersgruppen, Initiation, Sozialisation ,
73 Ethnologie > 73.43 Familie, Verwandtschaft, Ehe ,
73 Ethnologie > 73.55 Religionsethnologie: Allgemeines
AC Nummer
AC02344621
Utheses ID
44526
Studienkennzahl
UA | 307 | 317 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1