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Prekäre Arbeit im insolventen Betrieb: die Schließung der Supermarktkette Zielpunkt - eine Fallstudie zur Soziologie des Situationserlebens
Philipp Männer
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Soziologie
Betreuer*in
Christoph Reinprecht
DOI
10.25365/thesis.51710
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-25152.79724.683363-4
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Diese Arbeit bezieht sich auf Studien zu unfreiwilligem Arbeitsplatzverlust und folgt der These, dass die betrieblichen Umstände, die den Verlust der Anstellung bewirken, stark beeinflussen, wie Arbeitskräfte ein solches Ereignis erleben. Zu den wenig untersuchten Spezialfällen zählen hier Konkurse, verbunden mit der Stilllegung des Betriebes und der Entlassung der gesamten Belegschaft. Die vorliegende Studie untersucht detailliert ein solches Ereignis, den Niedergang einer österreichischen Supermarktkette im Jahr 2015/2016. Sie trägt damit auch zu einer Soziologie der Insolvenz bei, die gemessen an der Häufigkeit des Phänomens bislang wenig entwickelt ist. Im untersuchten Betrieb dauerte die Unternehmenskrise und die Phase akuter Arbeitsplatzunsicherheit, in der sich die Beschäftigten wiederfanden, mehrere Monate; die Studie rekonstruiert diesen Prozess von seinem Anfang bis zum Ende. Analysiert wird sowohl der objektive Ablauf der Verwertung des Betriebes als auch die Wahrnehmung dieser Veränderungen aus der subjektiven Perspektive der Betroffenen. Beantwortet werden die Fragen: 1. Wie erleben die Beschäftigten das wirtschaftliche Bedrohungsszenario der Insolvenz? 2. Wie erleben sie speziell die Veränderungen an ihrem Arbeitsplatz? 3. Inwiefern werden die negativen Folgen des Konkurses durch sozialpolitische Institutionen abgemildert? <p>Die Studie ist als qualitative Sozialforschung angelegt: Die Datenerhebung umfasste drei Monate Feldforschung durch teilnehmende Beobachtung, Interviews mit Angestellten und Experteninterviews mit Fachleuten, die die Krisenbewältigung organisierten, ergänzt durch Desk Research und Sekundärdatenanalysen. Die Auswertung folgte Verfahren der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik, Datentriangulation und komparativen Analysen.
<p>
Ausgewählte Ergebnisse: Für Lohnabhängige im Niedriglohnsektor bedeutet das unvorbereitete Durchleben einer Insolvenz insgesamt ein kritisches Lebensereignis, lange bevor es zum Arbeitsplatzverlust kommt. Wenn Arbeitskräfte in eine Insolvenz geraten, entsteht für diese im ungünstigsten Fall zudem eine mehrfach prekäre Arbeitsituation: 1. Das laufenden Einkommen kann ausfallen. 2. Die Zukunft der weiteren Beschäftigung wird sehr unsicher. Dies ist existenzbedrohend und bewirkt überdies eine Gratifikationskrise. 3. Die unmittelbaren Voraussetzungen der Arbeit verschlechtern sich. Gerade der letzte Punkt wird leicht übersehen: Die Studie stellt exemplarisch dar, wie die Arbeitssituation im Konkurs schon vor der finalen Betriebsschließung degenerieren und anomisch werden kann, bis zu einem Punkt, an dem die Arbeitskräfte ihre Arbeit nicht mehr regulär ausüben können, obwohl sie dazu verpflichtet bleiben. Wird die Arbeit im Insolvenzfall derart prekär, bekommt für die Betroffenen die Frage, ob und wie lange sie unter diesen Bedingungen noch weiterarbeiten sollen oder müssen, große Bedeutung. Es wird gezeigt, welche Faktoren diese Frage beeinflussen. Die institutionalisierte Insolvenzentgeltsicherung hätte im vorliegenden Fall den Betroffenen nicht rasch genug geholfen, weshalb ad-hoc Maßnahmen ergriffen wurden. Diese waren effektiv, sind jedoch nicht verallgemeinerbar und indizieren Reformbedarf.
Abstract
(Englisch)
This thesis draws on studies on job loss, where research suggests that the circumstances under which a firm lays off workers significantly influence how they experience such an event. A special case barely researched is bankruptcy combined with firm closure and the dismissal of all staff. By conducting a case study on the collapse of an Austrian supermarket chain in 2015/2016, the study aims to explore such an event in detail, deliberately advancing sociological perspectives on bankruptcy. At the company in question, the corporate crisis and acute job insecurity the workers experienced lasted for several months. The study follows and reconstructs this process during receivership from start to finish. It analyzes the objective procedure of the liquidation as well as the subjective perspective the employees had on these events, adressing the following questions: 1. How do the employees experience the economic threat of bankruptcy? 2. How do they experience the changes this causes at their place of work? 3. To what extent are the adversities of bankruptcy mitigated by welfare policy in place for such events? <p>We chose a qualitative design for the study and collected three months of data through extensive field work, by participant observation, interviews with employees and expert interviews with professionals who support employees affected by the failure of firms. Further information was gathered by desk research. The author used comparative analysis, triangulation and hermeneutical interpretation to analyze the data.
<p>Main findings: For employees with low wages, the sudden bankruptcy of one's employer constitutes a critical live event long before the job is lost. In the worst case, employment becomes precarious on several levels simultaneously: 1. Due to arrears in wages, holiday pay, and other pay related entitlements. 2. The future of the employment relationship becomes very uncertain. These aspects threaten one’s existence and create an effort-reward imbalance. 3. The prerequisites of work worsen too, which is easily overlooked. The study shows how the situation in a bankrupt supermarket can degenerate and turn anomic months before shop closure, up to a point where workers are no longer able to perform their duties satisfactory, while contractually bound to do so. If work becomes this precarious during bankruptcy, employes face the question whether they should continue to work at all. The analysis presents factors influencing this question. The social insurance system meant to mitigate the risk of bankruptcy wouldn't have helped employees fast enough, so ad-hoc measures where taken. While these proved largely effective, they still signal a want for reform of current institutions.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
bankruptcy insolvency closure corporate crisis working conditions job insecurity job loss precarity anomy critical life event unemployment supermarket retail social policy social security active labor market policy
Schlagwörter
(Deutsch)
Insolvenz Konkurs Betriebsstilllegung Unternehmenskrise Arbeitsbedingungen Arbeitsplatzunsicherheit Arbeitsplatzverlust Prekarität Anomie kritisches Lebensereignis Arbeitslosigkeit Supermarkt Einzelhandel Sozialpolitik Sozialversicherung Arbeitsmarktpolitik
Autor*innen
Philipp Männer
Haupttitel (Deutsch)
Prekäre Arbeit im insolventen Betrieb: die Schließung der Supermarktkette Zielpunkt - eine Fallstudie zur Soziologie des Situationserlebens
Paralleltitel (Englisch)
Precarious work during corporate bankruptcy : a case study on the shutdown of the supermarket chain Zielpunkt
Publikationsjahr
2018
Umfangsangabe
252 Seiten : Illustrationen, Diagramme
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Christoph Reinprecht
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.09 Wirtschaftsgeschichte ,
71 Soziologie > 71.04 Ausbildung, Beruf, Organisationen ,
71 Soziologie > 71.07 Soziographie ,
71 Soziologie > 71.41 Sozialer Wandel ,
71 Soziologie > 71.42 Wirtschaftliche Faktoren ,
71 Soziologie > 71.79 Soziale Fragen, soziale Konflikte: Sonstiges ,
71 Soziologie > 71.85 Soziale Sicherheit ,
71 Soziologie > 71.89 Sozialpolitik: Sonstiges ,
77 Psychologie > 77.60 Sozialpsychologie: Allgemeines ,
83 Volkswirtschaft > 83.71 Handel ,
85 Betriebswirtschaft > 85.05 Betriebssoziologie, Betriebspsychologie ,
86 Recht > 86.99 Recht: Sonstiges
AC Nummer
AC15052198
Utheses ID
45676
Studienkennzahl
UA | 066 | 905 | |