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Grief as continuation of love
Michael Fanelli
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Philosophie
Betreuer*in
Matthew Ratcliffe
DOI
10.25365/thesis.52448
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29130.90440.762670-9
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
In dieser Masterarbeit schlage ich vor, Trauer als Fortsetzung von Liebe zu behandeln, um ihre prozesshafte Entwicklung und Einbettung in eine soziale Welt sowie ihren moralischen Status und ihre existentielle Bedeutung in einer einheitlichen Weise zu analysieren.
Das erste Kapitel, das als Grundgerüst für meine weiteren Analysen aufgefasst werden kann, legt eine dialogische Liebesauffassung vor, nach der Liebe als responsives Zusammenspiel zwischen Individuen, deren Singularität nicht in einer höheren Einheit aufgehoben werden kann, aufzufassen ist. In einem ersten Schritt zeige ich auf, dass eine liebende Einstellung gegenüber einer Person sich durch eine bestimmte affektive Rationalität kennzeichnet, welche verschiedene Elemente in einen kohärenten Zusammenhang bringt, der die zentrale Bedeutung des/der Geliebten für den Liebenden/die Liebende wiederspiegelt. Überdies weise ich darauf hin, dass die andauernde Interaktion mit dem/der Geliebten zur Entwicklung von fundamentalen Habiten führt, für die der/die Geliebte als Bedingung der Möglichkeit dient. In einem zweiten Schritt setze ich mich mit dem Faktum auseinander, dass Liebende in eine über sie hinausgehende soziale Welt eingebettet sind, und argumentiere dafür, dass es spezielle moralische Verpflichtungen gibt, die sich aus Liebesbeziehungen ergeben. Zugleich weise ich jedoch darauf hin, dass diese nur als legitim angesehen werden können, wenn sie mit allgemeinen moralischen Pflichten gegenüber Personen vereinbar sind.
Im zweiten Kapitel setze ich mich zunächst mit Peter Goldies prozessueller und narrativer Auffassung von Trauer auseinander, indem ich seine These kritisiere, ein bestimmtes Narrativ könne die Funktion erfüllen, verschiedene Elemente desselben Trauerprozesses zusammenzuhalten. Im Unterschied dazu knüpfe ich an Kathleen Higgins und Robert Solomons Bestimmung von Trauer als Fortsetzung von Liebe an und präzisiere deren Annahme, indem ich auf meine frühere Analyse des Charakters von Liebeseinstellungen und -beziehungen zurückgreife. Vor diesem Hintergrund stelle ich Trauer als langfristigen responsiven Prozess dar, der in dem Sinne als Liebesausdruck begriffen werden kann, dass eine fortdauernde Liebeseinstellung den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Trauerelementen sicherstellen kann. Der/die Trauernde sieht sich notwendigerweise mit einem Zusammenbruch von habituellen Praktiken, Erwartungen und Projekten konfrontiert, deren Intelligibilität von der Präsenz des/der Verstorbenen abhing. Wenn auch dieser Zusammenbruch den zentralen Wert des/der Verstorbenen für die Lebensführung des/der Trauernden in der Vergangenheit unmissverständlich bezeugt, ist dieser/diese unter normalen Umständen frei, solche zentrale Bedeutung des/der Verstorbenen für sein/ihr Leben langfristig zu bestätigen oder zu revidieren, indem er/sie sich auf lange Dauer mit dem Verlust praktisch auseinandersetzt. In diesem Kontext behandle ich auch gewisse Schwierigkeiten, die mit dem Trauerausdruck in einer bestimmten sozialen Welt verbunden sind. Zudem weise ich auf Möglichkeiten geteilter Trauer hin.
Das dritte Kapitel befasst sich mit dem moralischen Status von Trauer. Es wird die Frage gestellt, ob es mögliche Verpflichtungen gegenüber geliebten verstorbenen Menschen gibt, und wie diese von einem moralischen Standpunkt aus gerechtfertigt werden können. Zunächst verteidige ich entgegen Epikurus die These, es könne rational sein, sich um das zu kümmern, was uns – und konsequenterweise anderen – nach unserem Tod widerfährt, da es gewisse Grundwünsche und -interessen gibt, deren Erfüllung nicht davon abhängt, dass man sie persönlich erlebt. Diese kritische Auseinandersetzung ist nötig, weil eine epikureische Perspektive jede Diskussion über mögliche Handlungen, welche für eine/einen Toten durchgeführt werden, für irrational halten und konsequenterweise jeden Versuch, solche Handlungen moralphilosophisch zu analysieren, von Anfang an unterminieren würde. Nach dieser kritischen Diskussion mache ich darauf aufmerksam, dass, wenn auch einige Trauerausdrücke in dem oben dargestellten Sinne als rational aufgefasst und aus einem allgemeinen moralischen Standpunkt gerechtfertigt werden können, die besondere Bedeutung solcher Trauerausdrücke für die trauernde Person aus einer solchen allgemeinen Perspektive nicht adäquat begriffen werden kann. Man kann dieser Bedeutung nur dann auf die Spur kommen, wenn man Trauerausdrücke als Widmungen für den Geliebten/die Geliebte in seiner/ihrer Besonderheit und als Ausdruck der weiter bestehenden Liebe zu ihm/ihr begreift.
Abschließend wende ich mich der existentiellen Bedeutung von Trauer zu, indem ich mich kritisch mit Paul Ludwig Landsbergs phänomenologischer Analyse der Erfahrung des Todes eines/einer Geliebten befasse. In diesem Zusammenhang argumentiere ich für die These, nur die tiefgreifende Bedeutung des/der Verstorbenen und der Beziehung zu ihm/ihr in meinem Leben mache es möglich, den Tod eines Anderen als partiellen Zusammenbruch der eigenen Welt und Identität zu erfassen, und analysiere mögliche Auswirkungen dieser Erfahrung auf die individuelle Lebensführung.
Abstract
(Englisch)
In this master's thesis, I propose to investigate grief as continuation of love, in order to look at its processual development, social embeddedness, moral status and existential significance in a unitary way.
The first chapter provides the background for the following chapters by sketching out a (normative) dialogical account of love which conceives of a loving relationship as a responsive interplay between individuals whose subjectivity cannot be subsumed within a greater unity. In this context, I point out that a loving attitude toward someone is characterised by a distinctive kind of affective rationality, which holds together different elements in a pattern coherent with the affective import the beloved has for the lover, and that the enduring loving interaction with someone leads to the development of fundamental habits for which the beloved person acts as condition of possibility. In a second step, I then address the embeddedness of lovers in a wider social world, and argue for the existence of specific moral demands arising from loving relationships whose legitimacy, however, is dependent on their being compatible with general moral obligations toward persons as such.
The second chapter critically engages with Goldie's processual and narrative account of grief, arguing that narratives cannot be regarded as functions holding together the different elements grief may entail. Extending on Kathleen Higgins' and Robert Solomon's claim that grief should be addressed as continuation of love, and referring back to the analysis of loving attitudes and the habitual character of a loving relationship provided in the first chapter, I depict grief instead as a long-term responsive process expressing love, in the sense that an enduring loving attitude toward the dead loved one may act as that function which grants the interconnectedness between grief's different elements. The griever is necessarily confronted with the affective import a particular individual and the relationship with her had for him, since he experiences the disruption of those fundamental habits, commitments and projects that were dependent on the dead for their intelligibility, and normally has the freedom to confirm or revisit the affective significance of the beloved for his life by practically engaging with such a disruption. In this context, I also refer to some issues concerning grief as love's expression in a wider social world, and to possibilities of “shared grief”.
The third chapter addresses the moral dimension of grief, asking whether we owe something to dead loved ones, and how such demands may be justified from a moral point of view. In a first step, I argue against Epicurus that it may be rational to care about what happens to us – and, conversely, to others – after our death, since the fulfilment of some of our core desires and interests does not depend on their being experienceable by us. This rebuttal is necessary, since the Epicurean perspective would hold every discussion about actions for the sake of the dead as irrational, and therefore undermine from the beginning every attempt to look at them from a moral point of view. After that, I point out that, while some of grief's expressions may be rationally accounted for and be morally justified from a general moral point of view, such a perspective fails to adequately address their distinctive character for the griever. Only by referring to them as dedication to the beloved in his singularity, and as expressions of an-ongoing love for him, their character can be adequately appreciated. Having said that, I then address epistemic and moral issues arising from the interaction of the griever with the surrounding social world.
Finally, I address the existential significance of grief by critically engaging with Landberg's detailed phenomenology of our second-person experience of the death of a loved one. I argue that it is only possible to experience the death of another individual as partial destruction of my world and my identity because of the existential depth the relationship with the dead loved one had in my life, and investigate the possible impact of such an experience on the individual way of life.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
Grief love obligations to the dead
Schlagwörter
(Deutsch)
Trauer Liebe Verpflichtungen gegenüber den Toten
Autor*innen
Michael Fanelli
Haupttitel (Englisch)
Grief as continuation of love
Paralleltitel (Deutsch)
Trauer als Fortsetzung von Liebe
Publikationsjahr
2018
Umfangsangabe
iii, 95 Seiten
Sprache
Englisch
Beurteiler*in
Matthew Ratcliffe
AC Nummer
AC15080466
Utheses ID
46316
Studienkennzahl
UA | 066 | 941 | |
