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Leo Reuss - die wahre Emigrationsgeschichte hinter der Rolle Arthur Kirsch in Felix Mitterers Theaterstück "In der Löwengrube"
Irene Höllwerth
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Theater-, Film- und Mediengeschichte
Betreuer*in
Brigitte Dalinger
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.53962
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-15624.06134.735253-2
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Der Schauspieler Mauri[t]z Leon Reiss alias Leo Reuss wurde als Kind jüdischer Eltern am 30. März 1891 in Dolyna, Galizien (heutige Ukraine), geboren. Die Familie übersiedelte jedoch bald nach Wien, wo er aufwuchs und zur Schule ging. Bald nach seiner Schulbildung bestand er die Aufnahmeprüfung an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien, wo er ab sofort Schauspiel studierte. Obwohl er bereits Pläne hatte, an welchen Theatern er spielen wolle, setzte der Ausbruch des Ersten Weltkrieges einen Schlusspunkt unter diese Überlegungen, da er eingezogen wurde und als Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg im Einsatz war. In dieser Zeit heiratete er und bekam mit seiner Frau Stefanie zwei Kinder. Erst nach dem Ende des Krieges konnte er seine schauspielerischen Pläne weiterverfolgen. Nach ersten kleinen Engagements an Wiener Theatern wechselte er 1921 nach Deutschland und ließ seine Familie in Wien zurück, um an folgenden Theatern von 1921-1929 im Fixengagement zu spielen: an den Hamburger Kammerspielen, am Staatstheater Berlin und an der Volksbühne Berlin. Ab 1929 schlug er sich zuerst als freier Schauspieler in Deutschland durch, bis er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Agnes Straub 1932 das Künstlerkollektiv „Theater der Schauspieler“ gründete – das spätere Tourneetheaterunternehmen namens „Straub-Tournée-Ensemble“, das die beiden gemeinsam bis 1935 leiteten. Die Nürnberger Rassengesetze, die am 15. September 1935 in Kraft traten, setzten diesem Unternehmen einen Schlusspunkt, da Leo Reuss als Jude ab sofort in Deutschland nicht mehr arbeiten durfte. Zuvor war es für ihn bereits sehr schwierig, als Schauspieler bei den Gastspielen des Kollektivs auf der Bühne zu stehen und zu spielen, da man Juden als Schauspieler nicht mehr sehr gerne sah. Da er durch die politische Situation in Deutschland zur Untätigkeit gezwungen war, emigrierte er in seine frühere Heimat Wien, um dort wieder Theater spielen zu können. Jedoch war die Situation für ihn dort auch schwierig, da sehr viele deutsche Schauspieler bereits nach Wien geflüchtet waren und ebenfalls auf Engagements hofften. Nachdem sich nach Monaten kein Engagement ergab, tauchte er im Salzburgerischen ab und plante seine Verwandlung. Im Sommer 1936 erschien ein blonder, vollbärtiger Bergbauer in ländlicher Tracht, der sich als „Vollblutarier“ und überzeugter Nationalsozialist ausgab, bei Max Reinhardt in Salzburg und versicherte ihm, Schauspieler werden zu wollen. Max Reinhardt, der von seinem Können und seiner Fassade voll überzeugt war, händigte ihm ein Empfehlungsschreiben aus, mit dem er ihn an die Theater in Wien empfahl. Leo Reuss, der nun Kaspar Altenberger hieß bzw. später den Künstlernamen Kaspar Brandhofer annahm und sich für seine „Verkleidung“ sowohl Originaldokumente besorgt als auch einen Lebenslauf entworfen hatte, der seine Geschichte vollständig abrunden sollte, sprach sowohl am Burgtheater als auch am Theater in der Josefstadt vor. Beide Theater hatten großes Interesse an einer Besetzung Kaspar Brandhofers. Das Theater in der Josefstadt unter der Leitung von Ernst Lothar war schneller und nahm das schauspielerische Bergbauern-Naturtalent unter Vertrag. So probte Kaspar Brandhofer ab Herbst 1936 in der Dramatisierung der Arthur Schnitzler Novelle Fräulein Else am Theater in der Josefstadt. Die gesamte Wiener Theaterszene war von der Entdeckung begeistert und fieberte der Premiere am 2. Dezember 1936 entgegen. Die Reaktionen nach der Premiere waren überwältigend, sowohl beim Publikum, bei den Schauspielern, bei den Theaterexperten als auch in der Presse – sogar bei den nationalsozialistisch orientierten Blättern. Man war überzeugt, dass man hier einer wahren Theatersensation beiwohnen durfte und dass man von Kaspar Brandhofer noch sehr viel Bedeutendes in der Theaterszene hören wird. Bereits sechs Tage nach der Premiere von Fräulein Else, also am 8. Dezember 1936, wurde ein Schreiben aus der Direktionskanzlei des Theaters in der Josefstadt veröffentlicht, das besagte, dass Kaspar Brandhofer in Wirklichkeit nur ein ums Überleben kämpfender jüdischer Schauspieler war, der durch diese Maskerade gehofft hatte, wieder Theater spielen zu können. Nachdem Leo Reuss durch die Aufdeckung wieder er selbst war, durfte er zwar das Engagement am Theater in der Josefstadt unter der Namensnennung Kaspar Brandhofer-Reuss noch zu Ende spielen, jedoch stand er danach wieder vor demselben Problem, dass er Engagements bekommen musste, was als jüdischer Schauspieler wieder genauso schwer war wie vor der Affäre Brandhofer. Nach ein paar kleinen Engagements in Wien, wie zum Beispiel an den jüdischen Künstlerspielen, emigrierte er mit einem Vertrag der großen amerikanischen Filmproduktionsfirma MGM in die USA, um dort in amerikanischen Filmen böse Nazis zu spielen. Er wurde vorrangig als „bad German“ in Anti-Kriegs-Filmen besetzt. Nach Kriegsende blieb er in den USA, wo er bei einer Theatertournee in Manila am 1. April 1946 an einem Herzinfarkt starb. Diese historische Verwandlungsgeschichte diente Felix Mitterer als Grundlage für das Verfassen seines Theaterstückes In der Löwengrube. Aus diesem Grund befasst sich das zweite Kapitel dieser Arbeit mit der Aufschlüsselung von historischen Parallelen und Unterschieden innerhalb von Felix Mitterers Theaterstück und der realen Vorlage von Leo Reuss´ Lebensgeschichte. Ebenfalls werden in diesem Zusammenhang zahlreiche Aspekte der nationalsozialistischen Herrschaft im Kontext dieser Affäre in Verbindung gesetzt.
Abstract
(Englisch)
The actor Mauri[t]z Leon Reiss a.k.a Leo Reuss was born to Jewish parents on March 30th, 1891 in Dolyna, Galicia (today’s Ukraine). Soon, the family moved to Vienna, where he grew up and attended school. Very shortly after completing his secondary education he passed the entrance examination for the Vienna academy of music and performing arts, where he would take up an acting degree programme. He had initially already planned at which theatres he wanted to perform later in his life, however, the outbreak of World War I and being drafted into the military as a combatant brought an end to these plans. During this time he also got married to his wife Stefanie and they had two children together. After the end of the war he returned to pursuing his acting career. After a few smaller engagements at different theatres in Vienna, he moved to Germany in 1921, leaving his family behind in Vienna. Between 1921 and 1929 he held a permanent position at the following theatres: at the Hamburger Kammerspiele, at the Berlin Staatstheater and at the Volksbühne Berlin. After leaving aforementioned permanent position in 1929 he worked for a while as a freelancing actor bevor he founded the artist collective “Theater der Schauspieler” together with his then partner Agnes Straub in 1932. Together they ran this project, which later became known as the “Straub-Tournée-Ensemble”, until the year 1935. The Nuremberg laws, which were put into place on September 15th, 1935 terminated this joint venture since Reuss, as a Jew, was banned from working in Germany. Before that time, it had already been quite difficult for him to perform as an actor in his own collective because Jewish artists actually performing on stage became increasingly less accepted. Being forced into unemployment for political reasons he emigrated back to his earlier home, Vienna so he could take up his acting career again. However, because so many German actors had already fled Germany he found himself faced with a very level of competition for acting positions. Having been unsuccessful in finding acting positions for months, he retreated into a period of seclusion in the Salzburg province and planned major changes to his life. In the summer of 1936 Leo Reuss reappeared as a blond, bearded mountain farmer in local attire, posing as an Arian and an outspoken proponent of National Socialism. He applied to Max Reinhardt in Salzburg, assuring him of his intentions of becoming an actor. Max Reinhart, having fallen for the disguise and quite convinced of his skill, recommended him to a number of theatres in Vienna. Leo Reuss a.k.a Kaspar Altenberger (he later took on the stage name of Kaspar Brandhofer) had acquired original documents and a curriculum vitae to back up his new identity. He then applied to the Vienna Burgtheater and the “Theater in der Josefstadt”. Both of these were very much interested in appointing Kaspar Brandhofer to a position. “Theater in der Josefstadt” run by Ernst Lothar acted more quickly and manage to secure a contract with the new mountain farmer turned actor. Hence, starting in the fall of 1936 he rehearsed in the dramatization of Arthur Schnitzler’s novella “Fräulein Else” at the “Theater in der Josefstadt”. The entire Vienniese theatre scene was anxious to see this latest and very unexpected discovery perform in the premiere on December 2nd, 1936. The reviews after the premiere, given by the audience, the actors and also by the press (even the national socialist-oriented ones) were overwhelming. There was general consensus that one had experienced a new sensation in theatre and that many more great things were to be expected from Kaspar Brandhofer. On December 8th, 1936 just 6 days after the premiere of “Fräulein Else” a formal document written by the head office of the “Theater an der Josefstadt” was released to the press. It stated that Kaspar Brandhofer was really just a Jewish actor fighting hard to survive who had hoped to return to the acting stage through this masquerade. After his true identity had been disclosed, he returned to being Leo Reuss and was allowed to complete his engagement with the “Theater in der Josefstadt” using the name Kaspar Brandhofer-Reuss. Thereafter, however, he found himself in the same situation as before, facing the same difficulties in finding an acting position. He managed to obtain a few more smaller acting jobs in Vienna, but finally decided to emigrate the United States of America after having been offered a contract with the large US-based movie production company MGM where he was cast to play the role of Nazis in American movie productions. He was mainly cast as the “bad German” in anti-war movies. After the end of World War II he decided to stay in the USA and joined a theatre production. He died on April 1st, 1946 in Manila while on a theatre performance tour with the United Service Organisations. Felix Mitterer used this historical transformation story as basis for his theatre play “In der Löwengrube”. This is the reason why the second chapter of the paper at hand deals with historicsl parallels and differences between Felix Mitterer’s play and the actual life of Leo Reuss. Furthermore connections are established between numerous aspects of the national socialist regime in the context of Reuss’ ruse.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Leo Reuss Kaspar Brandhofer Felix Mitterer In der Löwengrube Arthur Kirsch play National Socialism
Schlagwörter
(Deutsch)
Leo Reuss Kaspar Brandhofer Felix Mitterer In der Löwengrube Arthur Kirsch Theaterstück Nationalsozialismus
Autor*innen
Irene Höllwerth
Haupttitel (Deutsch)
Leo Reuss - die wahre Emigrationsgeschichte hinter der Rolle Arthur Kirsch in Felix Mitterers Theaterstück "In der Löwengrube"
Paralleltitel (Englisch)
Leo Reuss - the true emigration story behind the role Arthur Kirsch in Felix Mitterer´s play "In der Löwengrube"
Publikationsjahr
2018
Umfangsangabe
ii, 110 Seiten : illustrationen
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Brigitte Dalinger
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.24 Zweiter Weltkrieg ,
24 Theater > 24.06 Theatergeschichte
AC Nummer
AC15214091
Utheses ID
47673
Studienkennzahl
UA | 066 | 581 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1