Detailansicht

Der Naturbegriff im Anthropozän
warum nur eine holistische Form des Naturalismus mit einem interdisziplinären Konzept vereinbar ist
Andreas Otte
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Lebenswissenschaften
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Lehramtsstudium UF Biologie und Umweltkunde UF Psychologie und Philosophie
Betreuer*in
Harald Wilfing
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.55213
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30920.21609.169663-1
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Beim Anthropozän handelt es sich um ein vermeintlich neues geologisches Zeitalter, welches kontroversiell diskutiert wird. Viele Befürworter sehen den Menschen heutzutage sowohl für biologische, ökologische als auch geologische Prozesse als dominierenden Einflussfaktor. Die wichtigsten Anzeichen hierfür betreffen neue, vom Menschen geschaffene Materialien, chemische Spuren wie die Verbreitung von Radionukliden oder biologische Signale, etwa den dramatischen Rückgang der Biodiversität. Das Anthropozän stellt damit ein Konzept dar, das sich nicht ausschließlich auf die Geologie beschränkt. In der Öffentlichkeit wird es daher einerseits von Vertretern unterschiedlicher Disziplinen sowie andererseits auch außerhalb von wissenschaftlichen Gemeinschaften rezipiert. Oftmals werden Debatten rund um verschiedene Aspekte des Anthropozäns oder im Zusammenhang mit Naturschutz in der Folge von Emotionen beherrscht und moralische Urteile gefällt. Grundlagen dieser Wertzuschreibungen sind damit letztlich nicht an wissenschaftliche Erkenntnisse oder einem durchdachten Begriff der Natur angelehnt. Vor allem der zuletzt genannte Aspekt wird von den Verfechtern des Anthropozäns gänzlich vernachlässigt. Die Formulierung eines neuen Zeitalters unterstützt hierdurch ein Naturverständnis, das die menschliche Spezies als zerstörerischen Gegenspieler zur schützenswerten Natur auffasst. Die vorliegende Arbeit prüft, ob eine solche Naturauffassung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der unterschiedlichen Disziplinen, welche vom Konzept des Anthropozäns berührt werden, vereinbar ist und sich in eine stringente, naturphilosophische Anschauung einbetten lässt. Die hierfür herangezogenen Beiträge entstammen der Biologie, Geologie, Ökologie, Philosophie sowie Systemtheorie. Für ein interdisziplinäres Konzept werden sie synergetisch in die Argumentation eingearbeitet. Der Aufbau des Erdsystems weist komplexe Wechselwirkungen der konstituierenden Teilsysteme einschließlich deren Komponenten auf, zu denen der Mensch als Bestandteil der Biosphäre hinzuzuzählen ist. Wie die Erdgeschichte zeigt, war der Planet immer schon durch Dynamik geprägt und nicht auf einen bestimmten Zustand ausgerichtet. Insbesondere die Entstehung beziehungsweise Entwicklung des Lebens führte zu zahlreichen Wandlungen der Erde in vielen Facetten, welche wiederum selektiv rückwirkten. Die Biosphäre trägt somit selbst zu den eigenen Daseins- und Entwicklungsbedingungen bei. Die menschliche Einflussnahme ist daher eine Folge der Evolution und beschränkt sich in diesem Zusammenhang allein auf die Oberfläche des Planeten, sie vermag es aber nicht ihn zu zerstören. Seine Tätigkeiten lassen sich hierbei als Ausdruck von Nischenkonstruktion verstehen, zu welcher Kultur als besondere Anpassungsleistung einen wesentlichen Beitrag leistet. Die in geologischer Hinsicht raschen Veränderungen im diskutierten Anthropozän sind auf Rückkopplungsmechanismen in der menschlichen, kulturellen Evolution zurückzuführen, welche die Fähigkeit Nischen zu konstruieren noch weiter ausbaute. Der Mensch ist somit ein Produkt der Evolution und Bestandteil von Natur, welche unter Berücksichtigung dieser Aspekte nur als allumfassend interpretiert werden kann. Alle Lebewesen ergeben sich dieser Ansicht nach aus dem Zusammenspiel von Energie, Stoff sowie Information und lassen sich nur als integrierte Einheiten auffassen. Hieraus ergeben sich anthropische Rahmenbedingungen, die im Zuge von Erkenntnisgewinn oder Wertzuschreibungen unbedingt zu berücksichtigen sind. Am Ende dieser Arbeit ist nur eine holistische Form des Naturalismus mit den dargelegten Erkenntnissen rund um das Anthropozän vereinbar.
Abstract
(Englisch)
The Anthropocene is a supposedly new geological age, which is controversially discussed. Many proponents today see humans as the dominating factor influencing biological, ecological and geological processes. The most important signs of this are new man-made materials, chemical traces such as the spread of radionuclides, or biological signals as for instance the dramatic decline in biodiversity. The Anthropocene thus represents a concept that is not limited exclusively to geology. In the public eye it is therefore received by representatives of various disciplines on the one hand and outside scientific communities on the other. Debates about different aspects of the Anthropocene or in connection with nature conservation are consequently dominated by emotions and moral judgements are made. The attribution of these values is thus not based on scientific findings or a well thought-out concept of nature. Above all, the latter aspect is completely neglected by the advocates of the Anthropocene. As a result the formulation of this new geological age supports an understanding of nature that sees the human species as a destructive counterpart to nature worth protecting. The present study examines whether such an understanding of nature is compatible with the scientific findings of the various disciplines affected by the concept of the Anthropocene and whether it can be embedded in a stringent natural philosophical view. The contributions used for this purpose come from biology, geology, ecology, philosophy and systems theory. For an interdisciplinary concept, they are integrated synergistically into the argumentation. The structure of the Earth system shows complex interactions of the constituent subsystems including their components, to which humans are to be added as an inherent part of the biosphere. As the Earth’s history shows, the planet has always been characterized by dynamics and is not aligned to a particular state. Especially the emergence and development of life led to numerous changes in the Earth system in many facets, which in turn had a selective effect. The biosphere thus contributes to its own conditions of existence and development. Human influence is therefore a consequence of evolution. Furthermore it is limited to the surface of the planet, which means the Earth cannot be destroyed by manpower. Human activities can be understood here as an expression of niche construction, to which culture makes an essential contribution as a special form of adaption. The geologically seen rapid changes in the discussed Anthropocene are due to feedback mechanisms in human cultural evolution, which further expended the ability to construct niches. The human being is thus a product of evolution and a component of nature, which can only be interpreted as all-encompassing in consideration of these aspects. In this view, all living beings result from the interplay of energy, matter and information and can only be understood as integrated units. This gives rise to anthropic framework conditions that must be taken into account when gaining knowledge or attributing values. At the end of this work, only a holistic form of naturalism is compatible with the findings of the Anthropocene.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Anthropozän Bewertungen Biosphäre Dynamik Erdgeschichte Erdwissenschaften Evolution Gleichgewicht Holismus Individualität Information Informationsspeicher Informationsübertragung Interdependenz Klimasystem Klimawandel Kohlenstoffkreislauf Komplexität Kultur des Menschen Leben lebende Systeme Natur Naturalismus Naturbegriff Naturbild Naturphilosophie Naturschutz
Autor*innen
Andreas Otte
Haupttitel (Deutsch)
Der Naturbegriff im Anthropozän
Hauptuntertitel (Deutsch)
warum nur eine holistische Form des Naturalismus mit einem interdisziplinären Konzept vereinbar ist
Publikationsjahr
2018
Umfangsangabe
VIII, 104 Seiten : Illustrationen, Diagramme
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Harald Wilfing
Klassifikationen
08 Philosophie > 08.46 Naturphilosophie ,
30 Naturwissenschaften allgemein > 30.02 Philosophie und Theorie der Naturwissenschaften ,
38 Geowissenschaften > 38.10 Geologie: Allgemeines ,
38 Geowissenschaften > 38.15 Historische Geologie: Allgemeines ,
42 Biologie > 42.10 Theoretische Biologie
AC Nummer
AC15242077
Utheses ID
48794
Studienkennzahl
UA | 190 | 445 | 299 |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1