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Freie Bildung und sittliche Aufklärung - Pädagogische Antworten auf nationale und soziale Fragestellungen
eine Abhandlung über Lew N. Tolstois pädagogische Beiträge kontextualisiert anhand sozialpolitischer Entwicklungen im russischen Reich des 19. Jahrhunderts
Tanja Eßletzbichler
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Bildungswissenschaft
Betreuer*in
Daniel Tröhler
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.55472
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-17488.13259.619465-4
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Ausgehend von der These, dass die grundlegenden Motive, Absichten und Visionen in Lew N. Tolstois pädagogischen Beiträgen erst in deren historischen Kontextualisierung sichtbar werden, bemüht sich die vorliegende Masterarbeit um die Herausarbeitung der sozialpolitischen sowie strukturellen Veränderungen im Zuge des Modernisierungsprozesseses in Russland des 19. Jahrhunderts und der Analyse seiner pädagogischen Beiträge in den Jahren um 1860 und 1900. Die Abschaffung des Leibeigenschaftssystems (1861), die fortschreitende Industrialisierung und Urbanisierung prägten die sozialpolitische Landschaft des russischen Kaiserreichs im 19. Jahrhundert. Einher gingen diese Prozesse mit Diskussionen über die nationale Selbstbestimmung Russlands – deren divergierende Antworten sich in den Disputen der russischen Intelligenzija abzeichnen –, religionsphilosophischen Debatten und der Frage, wie sich eine – bis dato staatlich vernachlässigte – Volksbildung in Russland zu gestalten hätte. „Zurück zum Volk“ – so könnte Lew N. Tolstois pädagogische Antwort um 1860 auf die kontrovers diskutierte Frage, wohin sich das russische Kaiserreich mit seiner Bevölkerung zu entwickeln hätte, zusammengefasst werden. Sein Konzept einer freien Bildung, die Betonung auf Freiwilligkeit im Unterricht und die Forderung nach autonomen Schulen, gründen in seiner ablehnenden Haltung gegenüber einer zwanghaften Erziehung, eines gesellschaftlichen Fortschrittsoptimismus und einer drohenden „Verwestlichung“ des Bäuer*innentums durch staatliche Volksbildung. Zugleich eröffnete der russische Adelige eine Schule für die Bäuer*innenkinder auf seinem Gut Jasnaja Poljana (1859-1862), die sich nach dem Konzept einer freien Bildung organisierte und schon bald unter zaristischer Beobachtung stand. Rund vierzig Jahre später, fordert Tolstoi in „Brief über Erziehung“ (1901) eine sittliche Aufklärung nach den christlichen Prinzipien der Bergpredigt (MT 5–7). Die Brüderlichkeit der Menschen und das gegenseitige Dienen werden für Tolstoi zur notwendigen Grundlage jeglicher erzieherischen Tätigkeit. Tolstois veränderter Zugang zu pädagogischen Grundbegriffen lässt sich als Reaktion auf die Begleiterscheinungen der industriellen Revolution erklären. Armut, Kriminalität und Alkoholismus prägten das Bild der industriellen Ballungszentren, denen Tolstoi eine Vision eines „Gottesreich auf Erden“ entgegenstellt. Gleichzeitig verfolgten die zaristische Autokratie und russisch-orthodoxe Kirche eine Politik der „Russifizierung“ und forcierten damit auch erstmals eine Nationalerziehung. Lew N. Tolstois pädagogische Aussagen zeigen sich im Laufe der vorliegenden Masterarbeit als zeit- und ortsgebundene Antworten auf nationale und soziale Fragestellungen Russlands im 19. Jahrhundert.
Abstract
(Englisch)
Based on the assumption that the underlying motives, intentions, and visions in Lew N. Tolstoi's pedagogical contributions become apparent only in their historical contextualization, this master thesis analyses Tolstoi’s work between 1860 and 1900 in light of the socio-political and structural changes in the course of the modernization process of Russia in the 19th century. The socio-political landscape of the Russian Empire in the 19th century was heavily influenced by the abolition of serfdom (1861), the progressing industrialization, as well as increasing urbanization. These processes came along with debates about the national self-determination of Russia –entailing divergent answers, palpable in the disputes of the Russian intelligentsia–, debates on religious philosophy, and the question of how a popular education, which was until then neglected by the state, would have to be formed in Russia. "Back to the Peasantry" is the essence of Lew N. Tolstoi's pedagogical answer to the question of where the Russian Empire should develop with its population, which was controversially discussed in 1860. His concept of Freie Bildung, the emphasis on voluntariness in the classroom, and the demand for autonomous schools are based on his rejection of compulsive education, the social optimism of progress and the threat of "westernisation" of the peasantry through national popular education. At the same time, the Russian nobleman opened a school for peasant children on his estate Jasnaja Poljana (1859-1862), which was created based on to the concept of Freie Bildung and soon closely monitored by the tsar. About forty years later, Tolstoi demands a moral enlightenment based on the Christian principles of the Sermon on the Mount (MT 5-7) in his “Brief über Erziehung” (1901). The brotherhood of people, as well as mutual service, are the necessary basis of any educational activity for Tolstoi. Tolstoi's altered approach to basic pedagogical concepts can be explained as a reaction to the by-products of the industrial revolution. Poverty, crime and alcoholism shaped the image of the congested industrial centres to which Tolstoi opposes a vision of a "Kingdom of God on Earth". At the same time, the tsarist autocracy and the Russian Orthodox Church pursued a policy of "Russification" and thereby, for the first time, imposed a national education. This master thesis argues that Lew N. Tolstoi's pedagogical statements are time and place-bound answers to national and social questions of Russia in the 19th century.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Tolstoj Lev Nikolaevič Pedagogy Russia 19th century
Schlagwörter
(Deutsch)
Tolstoj Lev Nikolaevič Pädagogik Russland 19. Jahrhundert
Autor*innen
Tanja Eßletzbichler
Haupttitel (Deutsch)
Freie Bildung und sittliche Aufklärung - Pädagogische Antworten auf nationale und soziale Fragestellungen
Hauptuntertitel (Deutsch)
eine Abhandlung über Lew N. Tolstois pädagogische Beiträge kontextualisiert anhand sozialpolitischer Entwicklungen im russischen Reich des 19. Jahrhunderts
Publikationsjahr
2018
Umfangsangabe
120 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Daniel Tröhler
Klassifikation
10 Geisteswissenschaften allgemein > 10.00 Geisteswissenschaften allgemein: Allgemeines
AC Nummer
AC15270682
Utheses ID
49028
Studienkennzahl
UA | 066 | 848 | |
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