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Arbeiten ohne Schutz?
Rechtsfragen ortsgebundener Plattformarbeit anhand der Beispiele Uber, Foodora und Book a Tiger
Michael Gogola
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Doktoratsstudium Rechtswissenschaften
Betreuer*in
Martin Risak
DOI
10.25365/thesis.56242
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-22748.58679.277553-6
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Ein besonders aktuelles Phänomen im Rahmen der voranschreitenden Digitalisierung bilden neue Formen der Arbeitsorganisation, insbesondere das sogenannte ortsgebundene plattformbasierte Arbeiten, welches sich unter anderem durch das Vorliegen mehrpersonaler Vertragsverhältnisse auszeichnet. Dabei werden Dienstleistungen in der realen Welt unter Zwischenschaltung von Online-Plattformen angeboten, wobei die DienstleistungserbringerInnen direkt mit den KundInnen in Kontakt treten. In der Regel sehen die Plattformen ihre Rolle als eine lediglich vermittelnde und jene Personen, die die Dienstleistung erbringen, daher als selbstständige VertragspartnerInnen an. Dahinter steht der Wunsch, Arbeit und Ressourcen nicht mehr im Unternehmen konzentrieren zu müssen, sondern möglichst viele Bereiche auslagern und auf externe Ressourcen und Arbeitskräfte zugreifen zu können. Aufgrund der dominanten Stellung, die der Plattform im mehrpersonalen Vertragsgefüge zwischen DienstleistungserbringerIn, Plattform und KundIn zukommt, liegt zwischen DienstleistungserbringerIn und Plattform jedoch regelmäßig ein Arbeitsvertrag vor. Teilweise ist das mehrpersonale Vertragsverhältnis zwischen den AkteurInnen der Plattformökonomie auch als Arbeitskräfteüberlassung anzusehen. Die Beantwortung der Frage nach dem rechtlichen Status der DienstleistungserbringerInnen erfolgt im Rahmen der vorliegenden Dissertation anhand dreier Fallbeispiele, der Plattformen Uber, Foodora und Book a Tiger. Ein wesentliches Argument für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ergibt sich aus der in den meisten Fällen bestehenden engen Bindung der DienstleistungserbringerInnen an die Plattform und der dichten, laufenden Kontrolle des Arbeitsprozesses durch die Plattform. In diesen Zusammenhang ist auch der Einsatz moderner Technologien wie Internet und GPS zu setzen. Dieser bildet das Herzstück der Plattformökonomie, da Auftragsvergabe und Interaktion mit der Plattform in der Regel auf digitalem Weg erfolgen. Die KundInnen werden aufgefordert, erbrachte Dienstleistungen mithilfe digitaler Bewertungssysteme, der sogenannten „Ratings“, zu bewerten. In vielen Fällen kann in Echtzeit nachvollzogen werden, ob die DienstleistungserbringerInnen gerade mit der Abwicklung eines Auftrages beschäftigt sind und an welchem Standort sie sich gerade aufhalten. Auf diesem Wege wird eine kleinteilige, ergebnisorientierte Kontrolle sowie eine genaue Steuerung des Arbeitsprozesses und eine starke organisatorische Eingliederung der Arbeitenden sichergestellt. Aus der Feststellung, dass in zahlreichen Fällen ein Arbeitsverhältnis zwischen Plattform und DienstleistungserbringerInnen vorliegt, ergibt sich eine Reihe weiterer rechtlicher Fragestellungen. Im Rahmen der vorliegenden Dissertation werden die Bereiche der kollektivvertraglichen Einordnung der Beschäftigten, des Arbeitszeit- und des Gleichbehandlungsrechts sowie der Entgeltfortzahlung bei Urlaub und Krankheit anhand der untersuchten Fallbeispiele näher dargestellt. Dabei lässt sich insgesamt feststellen, dass entgegen den Funktionsweisen der Plattformökonomie die Regelungen des österreichischen Arbeitsrechts stark auf zweipersonale, länger andauernde, durchgängige Vertragsverhältnisse ausgerichtet sind und einen Interessenausgleich zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen zu schaffen versuchen. Anhand des Arbeitszeitrechts zeigt sich etwa deutlich das Bestehen eines Widerspruchs zwischen den gesetzlichen Regeln über die Arbeitszeit, die insbesondere die zeitliche Begrenzung der ökonomischen Verwertung der Arbeitskraft im Sinn haben und der für die Plattformökonomie typischen großen zeitlichen Flexibilität der Beschäftigten. Im Urlaubsrecht stellt sich in vielen Fällen das Problem, dass die Arbeitsverhältnisse zwischen DienstleistungserbringerIn und Plattform nur sehr kurz andauern und ein Verbrauch entstandenen Urlaubs in natura nicht in Frage kommt, sondern bloß auf die finanzielle Abgeltung entstandener Urlaubsansprüche in Form der Urlaubsersatzleistung zurückgegriffen werden kann. Aus diesem Grund wird die Schaffung eines Sonderurlaubsrechts für Plattformbeschäftigte angeregt. Auf dem Gebiet des Gleichbehandlungsrechts bilden insbesondere die Mehrpersonalität der Vertragsverhältnisse und der Einsatz von technischen Systemen wie Algorithmen zur Zusammenführung von DienstleistungserbringerInnen und KundInnen sowie die bereits angesprochene Ratings zentrale Herausforderungen. Angesichts im Hinblick auf die Mehrpersonalität ähnlich gelagerter Problemstellungen bei Fragen der Arbeitskräfteüberlassung ist über eine analoge Anwendung des § 6a AÜG nachzudenken.
Abstract
(Englisch)
New forms of labour organisation, particularly location-based platform labour, are a current phenomenon in ongoing digitalisation. This kind of platform-based work is strongly determined by the existence of multi-dimensional contractual relationships. In the real world, services are being offered through the technological intermediary of online platforms, with service providers interacting directly with clients. As a rule, platform operators see themselves as mediators merely and those who provide the services as independent contractors, the aim of all this being to outsource as many areas of work as possible and to access external resources and workforce. However, due to the dominant role platform operators have in this multi-dimensional contractual relationship of service provider, platform and client and the control they exert over the workers, they must, in fact, be classified as employees in regular employment relationships. In some cases, this multi-dimensional contractual relationship is to be qualified as agency work (“Arbeitskräfteüberlassung”). The legal status of the service providers is outlined in this doctoral thesis based on three case studies - the platforms Uber, Foodora and Book a Tiger. There is strong evidence that service providers must be considered employees under the law as platform operators control the basic conditions of work. The use of modern technologies such as the Internet and GPS, which form the very heart of the platform economy, is crucial in exerting this control. Contracting and interaction with the platform are usually done digitally and clients are asked to rate services provided, using digital rating systems. In many cases, the workers’ exact position can be located in real time, and the operator can track whether the workers are currently busy executing orders. In this way, small-scale result-oriented surveillance, precise control of the workflow as well as strong organisational integration of the workers are ensured. The finding that in many cases the service providers are employed with the platform, entails several other legal issues. This thesis investigates the workers’ classification regarding collective agreements, the (Austrian) Working Hours Act, the anti-discrimination laws as well as the payment of salary during holiday leave and illness based on the case studies mentioned above. Overall the regulations of Austrian labour laws focus on continuous, long(er)-lasting dual contractual relationships, and try to reconcile the interests of employees and employers. However, with regard to working hours, the discrepancies between the limitations the Austrian Working Hours Act imposes to protect workers and to avoid their economic exploitation and the time flexibility typical of platform economy become evident. Another problem is related to the service providers’ entitlement to holidays. In many cases, their employment with the platform is very short, which makes it impossible for the employees to take their leave, only accumulated entitlement to financial compensation (“Urlaubsersatzleistung”) is possible. To ensure the possibility of taking holiday leave for platform workers, a different set of regulations should be imposed. As to anti-discrimination laws, the multi-dimensional contractual relationships and the use of technical systems such as algorithms connecting service providers and customers, as well as the ratings pose major challenges. Since these multi-dimensional contractual relationships also apply to agency work (“Arbeitskräfteüberlassung”), consideration must be given to an analogous application of Article 6a of the Austrian Act on Agency Work (§ 6a AÜG).
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
Crowdwork Platform labour Platform Economy labour law
Schlagwörter
(Deutsch)
Crowdwork Plattformarbeit Plattformwirtschaft Arbeitsrecht
Autor*innen
Michael Gogola
Haupttitel (Deutsch)
Arbeiten ohne Schutz?
Hauptuntertitel (Deutsch)
Rechtsfragen ortsgebundener Plattformarbeit anhand der Beispiele Uber, Foodora und Book a Tiger
Paralleltitel (Englisch)
Working without protection? : legal issues of location-based platform labour based on the examples of Uber, Foodora and Book a Tiger
Publikationsjahr
2018
Umfangsangabe
XII, 315 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Michaela Windisch-Graetz ,
Wolfgang Brodil
Klassifikationen
86 Recht > 86.74 Arbeitsrecht: Allgemeines ,
86 Recht > 86.77 Arbeitsrecht: Sonstiges
AC Nummer
AC15426824
Utheses ID
49680
Studienkennzahl
UA | 783 | 101 | |