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Gelungene Begegnungen
eine anthropologische Perspektive auf die Gestaltung von Interaktion in Begleitung, Beratung und Therapie
Birgit Fordinal
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium d.Sozialwissenschaften (Dissertationsgebiet: Kultur- und Sozialanthropologie)
Betreuer*in
Marianne Nürnberger
Mitbetreuer*in
Alexander Kaiser
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.56620
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-17294.42613.163059-7
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Dissertation setzt sich mit dem Feld der Begleitung, Beratung und Therapie aus einer anthropologischen Perspektive auseinander und untersucht die spezifischen Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Praktizierende in der Interaktion mit ihren KlientInnen anwenden. Ausgangspunkt war eine Feldforschung in Wien im Zeitraum von 2012 bis 2016 innerhalb des Felds der „helfenden Berufe“ (HeilerInnen, PsychotherapeutInnen, Seelsorger, KörpertherapeutInnen, Coaches und BeraterInnen). Theoretische Anknüpfungspunkte für das „Kartografieren“ der untersuchten Interaktionsprozesse fanden sich in Konzepten zu Intersubjektivität, Wissen, Können und Kompetenz. Weitere konzeptuelle Ressourcen, mit denen ich das empirische Material in Verbindung setzen konnte, waren ritualtheoretische Ansätze zu Heilung, Liminalität, Rahmen und Bewusstseinsveränderung sowie Ergebnisse der Psychotherapieforschung. Die iterative Auseinandersetzung mit dem empirischen und theoretischen Material führte zur Entwicklung des Konzepts der „gelungenen Begegnungen“ als Ausdruck dafür, wie Interaktionen gestaltet werden können, die Transformation ermöglichen. Den Blick auf die Wissensformen zu richten, verdeutlicht, dass implizites Wissen in Form von intuitivem Handeln, körperlichen Fertigkeiten (skills) oder praktischem Können maßgeblich an der Ermöglichung von Interaktion beteiligt ist und den Ausgangspunkt zur Herstellung von Intersubjektivität sowie Identitätsbildung bildet. Praktizierende gestalten Interaktion (auch) mithilfe ritueller Strukturen und Dynamiken, dies geschieht jedoch in einem hohen Maß implizit. Ein wichtiger Aspekt liegt dabei in der räumlich, zeitlich und relational erfahrbaren Qualität der „Herausgehobenheit“ der Begegnungen, die mit dem Konzept der Liminalität gefasst werden kann. Oftmals steht dies mit einem veränderten Bewusstseinszustand (mindbody state) und der Kompetenz zur Bewusstseinsweite in Verbindung, wodurch ein gemeinsamer liminaler (Bewusstseins-)Raum kreiert werden kann. Rituelle Kompetenzen der Praktizierenden können in einer konkreten Interaktionssituation als Katalysator fungieren, indem durch die Herstellung einer liminalen Raum/Zeit Selbstorganisationsprozesse befördert werden und aus dieser Prozessdynamik heraus, das Potenzial für Veränderung begünstigt wird. Dies schafft Erlebensdimensionen, die im größeren Kontext gegenwärtiger gesellschaftlicher Bedürfnisse betrachtet werden können: Sitzungen können eine Art „Auszeit“ vom Alltag sein und als Inseln der Entschleunigung fungieren. Intersubjektive Begegnungsräume mit liminalem Charakter und einer Modulation des mindbody states der Beteiligten können das Bedürfnis nach Transzendenzerfahrungen befriedigen. Die vorgestellten Ergebnisse sind sowohl ein Beitrag zu einer interdisziplinär ausgerichteten anthropologischen Forschung, als führen sie auch innerhalb des Fachs der Kultur- und Sozialanthropologie theoretische Ansätze zusammen, insbesondere was die Verbindung von (kognitionswissenschaftlich angereicherten) wissensanthropologischen Ansätze mit Ansätzen der Ritualdynamik betrifft. Neben der theoretischen Auseinandersetzung war es auch ein Ziel der Arbeit anthropologische Überlegungen zu Handlungskompetenz anzustellen und damit einen Beitrag zur Praxis zu leisten. Das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Konzept der „gelungenen Begegnungen“ erweitert die gängige Unterteilung in Fach-, Methoden-, persönliche und soziale Kompetenz für das Feld der Begleitung, Beratung und Therapie um den Teilbereich der rituellen Kompetenz.
Abstract
(Englisch)
This dissertation deals with the field of accompaniment, counselling and therapy from an anthropological perspective and examines the specific competencies, skills and abilities that practitioners use in interacting with their clients. The starting point was a field research conducted in Vienna in the period from 2012 to 2016 within the field of "helping professions" (healers, psychotherapists, ministers, body therapists, coaches and consultants). Concepts of intersubjectivity, knowledge, skill and competence served as a basis for the "mapping" of the examined interaction processes. Other conceptual resources that could be connected to the empirical material were ritual theory approaches to healing, liminality, framing and states of consciousness, as well as results of psychotherapy research. The concept of “successful encounters”, which was developed in the process of this dissertation, as a means of describing the creation of interaction that enables transformation was based on the iterative exploration of the empirical and theoretical material. Looking at forms of knowledge shows that implicit knowledge – in the form of intuitive action, physical skills or practical abilities – is key to enabling interaction and is a starting point for producing intersubjectivity and identity formation. Practitioners not only create interaction based on implicit knowledge but also shape it by using ritual structures and dynamics, all of which happens – to a high degree – implicitly. An important aspect lies in the “out-of-this-world” quality of encounters, that may be experienced on a spatial, temporal and relational level – a notion which has been described in the concept of liminality. Often this is associated with an altered state of consciousness (mind-body state) and the competence of Bewusstseinsweite, which allows a shared liminal (consciousness) space to be created. Practitioners' ritual skills can act as a catalyst in a specific interaction situation by promoting self-organization processes through the creating of a liminal space/time. These process dynamics facilitate potential for change. The resulted dimensions of experience can be viewed in the larger context of present societal needs: sessions may be seen as a kind of "time out" from everyday life and may act as islands of deceleration. Intersubjective spaces of encounter, with liminal character and a modulation of mind-body states of those involved, can satisfy the need for transcendental experiences. The presented results are a contribution to interdisciplinary anthropological research: approaches of anthropology of knowledge, enriched by cognitive science, are connected to approaches of ritual dynamics. In addition to the theoretical debate, the thesis aims at outlining anthropological reflections on capacity to act and therefore seeks to make a valuable contribution to practical work. The concept of "successful encounters" developed within the framework of this work extends the usual subdivision into technical, methodological, personal and social competence for the field of accompaniment, counselling and therapy to include the subarea of ritual competence.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
knowledge knowing skills competence implicit knowledge agency ritual ritual dynamics coaching counselling psychotherapy
Schlagwörter
(Deutsch)
Wissen Können Kompetenz Implizites Wissen Handlungskompetenz Ritual Ritualdynamik Coaching Beratung Psychotherapie
Autor*innen
Birgit Fordinal
Haupttitel (Deutsch)
Gelungene Begegnungen
Hauptuntertitel (Deutsch)
eine anthropologische Perspektive auf die Gestaltung von Interaktion in Begleitung, Beratung und Therapie
Publikationsjahr
2019
Umfangsangabe
343 Seiten : Illustrationen
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Gerhard Tucek ,
Michaela Pfadenhauer
Klassifikationen
70 Sozialwissenschaften allgemein > 70.99 Sozialwissenschaften allgemein: Sonstiges ,
71 Soziologie > 71.40 Soziale Prozesse: Allgemeines ,
73 Ethnologie > 73.06 Ethnographie ,
73 Ethnologie > 73.64 Sprache, Kommunikation ,
73 Ethnologie > 73.90 Kulturelle Aspekte von Wirtschaft und Arbeitswelt ,
73 Ethnologie > 73.94 Volkswissen, Kulturtechniken
AC Nummer
AC15350343
Utheses ID
50014
Studienkennzahl
UA | 784 | 307 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1