Detailansicht
Die Rezeption türkischer Fernsehserien in der arabischen Welt und ihr Einfluss auf Gesellschaft und Sprache
Elisabeth Cerny
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Arabische Welt: Sprache u. Gesellschaft
Betreuer*in
Stephan Procházka
DOI
10.25365/thesis.57446
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-26131.35129.110862-7
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der anhaltenden Popularität türkischer Fernsehserien (türk. diziler / arab. musalsalāt) in der arabischen Welt, die seit dem Sensationserfolg der Serie Nūr (arab. für "Licht") bzw. Gümüş ("Silber" im türkischen Original) im Jahr 2008 immer wieder für reichlich Gesprächsstoff gesorgt haben.
Einem interdisziplinären Ansatz folgend setzt sich die Masterarbeit mit den wichtigsten Gründen für die ungebrochene Anziehungskraft dieses Genres auf das arabische Fernsehpublikum auseinander. Zu diesen zählt insbesondere der Umstand, dass die türkischen TV-Produktionen in der gesprochenen Sprache Syriens synchronisiert und nicht in die arabische Hochsprache (fuṣḥā) übertragen werden, wie dies bei den lateinamerikanischen Telenovelas der Fall war, die den arabischen Fernsehmarkt in den 1990-er Jahren dominiert hatten. Bei der Wahl des syrischen Dialekts hatten die Programmgestalter des Privatsenders MBC eine glückliche Hand bewiesen, denn in weiterer Folge sollten verschiedene Studien beweisen, dass sich das Syrisch-Arabische besser als andere Dialekte für den Transport von den in den türkischen musalsalāt vermittelten kulturellen Werten und Identitäten eignet.
Wesentlichen Anteil am steten Publikumszuspruch haben auch die kulturelle, geographische, historische und religiöse Nähe zwischen der arabischen Welt und der Türkei: Die in den türkischen TV-Exporten geschilderten Lebensweisen, Bräuche, Mentalitäten und Charaktere sind den Menschen von Marokko bis zum Jemen vertraut und erzeugen eine hohe Akzeptanz des Handlungsrahmens ebenso wie Gestik und Mimik der Darsteller. Zudem beruhen Akzeptanz und Glaubwürdigkeit darauf, dass die Handlungen in einem muslimisch geprägten Umfeld angesiedelt sind und die Hauptdarsteller bei der Ausübung religiöser Rituale (z.B. bei Hochzeiten und Begräbnissen) gezeigt werden. Dies bewirkt wiederum, dass sich die Zuseher sehr leicht mit den Protagonisten identifizieren, was von Medienexperten als das Erfolgsgeheimnis türkischer TV-Serien schlechthin gesehen wird.
Nicht zuletzt verdanken die türkischen Fernsehproduktionen ihren langjährigen Erfolg der Fokussierung auf Frauen als Zielgruppe, konkret dem geschilderten Rollenbild der Frau sowie der Darstellung der Beziehung zwischen den Geschlechtern. Die weiblichen Hauptfiguren verkörpern zumeist eine Synthese aus Modernität und Traditionalismus, wobei der von ihnen vorgelebte moderne Lebensstil als ein Modell erscheint, das nicht nur Prominenten zugänglich ist, sondern auch der durchschnittlichen Zuschauerin. Dementsprechend werden trotz de facto-Zensur Beziehungsaspekte thematisiert, die sowohl in der Türkei als auch in der arabischen Welt an gesellschaftlichen Tabus rühren, wie der Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit, vorehelicher Geschlechtsverkehr, Abtreibung, Ehebruch, Scheidung, Alkoholkonsum etc.
Neben der Analyse der Hintergründe für die anhaltend hohen Einschaltquoten unter den arabischen Zusehern geht die vorliegende Arbeit am Beispiel der türkischen Fernsehserie Cesur ve Güzel (in ihrer wörtlichen arabischen Übersetzung als Žәsūr w әž-Žamīla) der Frage nach, welchen Einfluss die Ausstrahlung türkischer TV-Produktionen auf die Gesellschaft in der arabischen Welt hat bzw. inwiefern sie das Prestige arabischer Varietäten als Synchronsprache prägt.
Diese, im türkischen Original aus 32 Folgen bestehende Serie wurde zwischen dem 10. September 2017 und dem 22. Februar 2018 auf MBC 4 in syrisch-arabischer Synchronisation täglich an Werktagen (SO-DO) ausgestrahlt. Sie bietet sich auch aufgrund der Besetzung der männlichen Hauptrolle mit Kıvanç Tatlıtuğ für eine nähere Betrachtung an, war es doch ebenjener Schauspieler, der vor mittlerweile 10 Jahren die kollektive Schwärmerei der arabischen Frauenwelt bzw. Noormania mit ausgelöst hatte und als "Brad Pitt der arabischen Welt" gehandelt wurde.
Den theoretischen Hintergrund dieser Arbeit bildet das Konzept der Populärkultur als Instrument bzw. Quelle von Soft Power unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zwischen Ländern der arabischen Welt und der Türkei. Methodisch stützt sich die Arbeit auf die Analyse des Inhalts von Žәsūr w әž-Žamīla, konkret auf die Untersuchung und Auswertung einzelner Episoden in Bezug auf sprachliche Merkmale sowie die Darstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen und ihrer Wirkung auf das arabische Fernsehpublikum. Komplettiert wird das Bild der Wahrnehmung der Serie durch die Untersuchung und Interpretation von Kommentaren von Zusehern in Internet-Foren.
Abstract
(Englisch)
This paper discusses the sustained popularity of Turkish television drama or diziler (Arabic: musalsalāt) in the Arab World which has been fuelling controversy ever since the Turkish television serial Noor ("light"), known as Gümüş ("silver") in Turkey, gained unexpected success in 2008.
In an interdisciplinary approach, the thesis addresses the main reasons for the undiminished appeal of this genre to the Arab audience. The dazzling success of the series is particularly due to the fact that the Turkish TV productions are dubbed into Syrian dialect instead of Modern Standard Arabic (fuṣḥā) which had been the preferred language for the Latin American telenovelas that had ruled Arab screens in the 1990s. With their deliberate choice of dubbing the serials into vernacular Syrian Arabic, MBC's directors of content had demonstrated a real "Midas touch", for various studies would subsequently reveal that the Syrian variety is more suitable than other Arabic dialects to convey cultural values and identities depicted in Turkish musalsalāt.
The cultural, geographical, historical and religious proximity between the Arab World and Turkey is a significant contributor to the constant enthusiastic acclaim by the Arab audience: people from Morocco to Yemen are familiar with the lifestyles, traditions, mentalities and characters portrayed in the Turkish TV-exports; these depictions as well as the actors' gestures generate a high level of acceptance of the storylines. Moreover, acceptance and credibility reside in the plots being set in a Muslim environment; the protagonists are shown performing religious rituals (e.g. at weddings and funerals) which, in turn, triggers the audiences' identification with the leading characters - a factor that is seen by media commentators as the key to the thriving success of Turkish television drama.
Last but not least, the Turkish TV productions owe their success to their focus on women, i.e. to the representation of female characters as well as the portrayal of gender / spousal relations. The main female characters mostly represent a synthesis of modernity and traditionalism; the modern lifestyle they enjoy appears as a way of life that is accessible to the average viewer, not only to celebrities. Consequently, the Turkish TV serials, despite being subject to censorship, address sensitive aspects in relationships that stir controversy in Turkey as well as in the Arab World with topics involving romantic gestures in public, premarital sex, incidents of abortion, adultery, divorce, alcohol consumption etc.
In addition to the analysis of reasons behind the phenomenon of Arab audiences remaining glued to the TV, this paper discusses - based on the example of the Turkish serial Cesur ve Güzel (literally translated into Žәsūr w әž-Žamīla) - the social effects of Turkish TV products on Arab viewers as well as the impact their dubbing has on the prestige of the different Arabic varieties.
This serial, consisting of 32 episodes in its original version and dubbed into Syrian Arabic, was aired between September 10th, 2017 and February 22nd, 2018; it could be watched on a daily basis on workdays - i.e. Sunday to Thursday - on MBC 4 channel. Against the backdrop of Kıvanç Tatlıtuğ playing the main role, this television drama lends itself to a closer examination, for it is precisely this actor who had fuelled the "Arab female gaze" and triggered Noor mania respectively, earning himself the sobriquet "Brad Pitt of the Middle East".
The theoretical background of this thesis is mainly based on the concept of popular culture as vehicle and source of soft power. Focus is put on the relations between countries of the Arab world and Turkey, while the main methodological framework combines content analysis, i.e. the analysis of episodes in terms of linguistic features and the representation of interpersonal relations and their impact on the Arab TV audience, incl. the examination and interpretation of comments of viewers posted in various internet fora.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
Turkish TV-serials Arab World Soft Power Cultural Proximity Dubbing
Schlagwörter
(Deutsch)
Türkische Fernsehserien arabische Welt Soft Power kulturelle Nähe Synchronisation
Autor*innen
Elisabeth Cerny
Haupttitel (Deutsch)
Die Rezeption türkischer Fernsehserien in der arabischen Welt und ihr Einfluss auf Gesellschaft und Sprache
Paralleltitel (Englisch)
The reception of Turkish television serials in the Arab World and their influence on society and language
Publikationsjahr
2019
Umfangsangabe
VI, 141 Seiten : Illustrationen, Diagramme
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Stephan Procházka
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.68 Türkei ,
15 Geschichte > 15.76 Vorderer und mittlerer Orient ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.10 Sprache in Beziehung zu anderen Bereichen der Wissenschaft und Kultur ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.18 Dialektologie ,
18 Einzelne Sprachen und Literaturen > 18.74 Arabische Sprache und Literatur ,
18 Einzelne Sprachen und Literaturen > 18.87 Türkische Sprachen und Literaturen ,
24 Theater > 24.38 Fernsehen, Hörfunk
AC Nummer
AC15448060
Utheses ID
50721
Studienkennzahl
UA | 066 | 676 | |