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Das primäre Allgemeine in den Zweiten Analytiken (A 4-5) des Aristoteles
Jaehyun Lee
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Klassische Philologie
Betreuer*in
Stefan Büttner
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DOI
10.25365/thesis.58283
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-21478.94384.644867-6
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Das Zu-Suchende dieser Arbeit war das primäre Allgemeine, das nicht nur das Beweis-, sondern auch Erkenntnisziel darstellt. Da es im Beweisvorgang gefunden wird, und der Beweis seine Bestandteile, Prämissen und Konklusion, hat, haben wir die Bedingungen der Prämisse behandelt. Der Beweis ist eine bestimmte Art von Wissen bzw. wissenschaftlichem Verstehen, was andeutet, dass es eine andere Art gibt, so dass wir mit der Epagoge, der an die Wahrnehmung gebundenen Erkenntnis (μάθησις αἰσθητική), begonnen haben. Die Epagoge musste auch deswegen behandelt werden, weil die Wahrnehmung, die für uns früher und bekannter ist, der allererste Anfang zur Erkenntnis des primären Allgemeinen ist, das schlechthin früher und bekannter ist, wie Aristoteles im Eingangskapitel der Physik betont. Wie jedes im Schluss erfolgende (διανοητική) Lehren und Lernen aus schon vorhandener Erkenntnis geschieht, so braucht auch die Epagoge eine Vorerkenntnis, nämlich das Allgemeine, wie z.B. die Innenwinkelsumme von 180°, damit das eben wahrgenommene Einzelne mit diesem verbunden wird, und zwar durch den praktischen, potentiellen Nous, der zugleich die Ratio (διάνοια) ist, mithilfe der (logischen) Vorstellung. Mit diesem Nous, der irgendwie mit dem angeborenen unterscheidenden Vermögen der Wahrnehmung verbunden ist, erkennen wir die Prinzipien bzw. Prämissen, die nicht mehr beweisbar sind. Es gibt zwar auch eine Art des Beweises, in dem von Effekten auf die Ursache der Konklusion geschlossen wird (τεκμήριον), aber der Beweis, mit dem wir uns beschäftigten, ist der wissenschaftliche Schluss, der deswegen seinen notwendigen Charakter erlangt, weil er die sich unmöglich anders verhaltenden Sachverhalte zum Gegenstand hat, und weil seine Prämisse die sechs notwendigen Bedingungen erfüllt, so dass auch das so wissenschaftlich Erkannte (sc. die Konklusion) notwendig ist. Bei der Aufzählung dieser Bedingungen scheint Aristoteles genauso mit der primitivsten (= wahren Prämisse) zu beginnen wie bei der Aufzählung der Bedingungen vom Allgemeinen (= κατὰ παντός). „Erste“ und „unvermittelte“ Prämissen stellten sich als nicht mehr beweisbare heraus, denen jeder ohne weiteres zustimmt und die keinen Mittelbegriff mehr brauchen. Die Prämisse ist „bekannter“ als die Konklusion, weil man unmöglich mehr von jener als von dieser überzeugt sein kann, ohne jene zu wissen. Sollte eine Ursache wissenschaftlich richtig ihre Konklusion erklären, muss die Prämisse „früher“ sein, d.h. unmittelbare Ursache darstellen. Das erste Merkmal des wissenschaftlichen Allgemeinen, κατὰ παντός, beginnt Aristoteles mit dem Sprachgebrauch, wie er den Begriff in vielen Schriften bestimmt hat: das, was mehreren zukommt, nennen wir allgemein, wie De int. 17a39-40: λέγω δὲ καθόλου μὲν ὃ ἐπὶ πλειόνων πέφυκε κατηγορεῖσθαι; Met. VII 13, 1038b11-12: τοῦτο γὰρ λέγεται καθόλου ὃ πλείοσιν ὑπάρχειν πέφυκεν; De part. anim. 644a27-28: τὰ γὰρ πλείοσιν ὑπάρχοντα καθόλου λέγομεν. Das ,Lebewesen‘ wird von jedem Menschen ausgesagt, und zwar immer, wie die notwendigen Prämissen des Beweises nicht zeitlich beschränkt sind. Der Begriff ist nur im Sinne von praedicabile de pluribus (abstrakt-konfus) allgemein. Die ersten beiden Bedeutungen von καθ’ αὑτό hängen mit der begrifflichen Bestimmung, die das Was angibt, zusammen. Prädikatsnomen kommen entweder in der Bestimmung des Subjekts vor, wie Linie und Punkt jeweils dem Dreieck und der Linie zukommen, oder das Subjekt selbst ist in der Bestimmung des Zukommenden enthalten, wie Gerade und Gebogen der Linie zukommen, Primzahl, Gerade, Ungerade usw. der Zahl. Die dritte Bedeutung hat der allgemeinen Ansicht der Forschung entgegen mit der Ontologie nichts zu tun, sondern konsequent mit der Prädikation. Die Fehldeutung liegt darin, dass das τόδε τι sofort als das einzelne Individuum wie Sokrates gelesen wird, es bedeutet dagegen primär ,etwas Bestimmtes‘. Wie aus der Gegenüberstellung der eigentlichen und akzidentellen Aussage durch Aristoteles sich ergibt: wenn das Subjekt nicht anderes seiend auch Substrat von Akzidens ist, ist dies die eigentliche Aussage, wie z.B. ,das Holz ist weiß‘; wenn aber das Subjekt anderes seiend, d.h. nicht die eigentliche Substanz, ist, ist dies die akzidentelle Aussage, wie ,das Weiße ist Holz‘. Wenn Aristoteles δι’ αὑτό als eine Bedeutung von καθ’ αὑτό bezeichnet, meint er mit diesem ,durch sich selbst‘ wahrscheinlich die Unmittelbarbeit der Ursache, wie es für die Prämisse gilt. Dies lässt sich an der Hinzufügung von καὶ κατὰ τὴν σφαγήν (73b14-15) ablesen. Den sog. wesentlichen Akzidentien spricht Aristoteles auch die Notwendigkeit zu, wie Gerade und Ungerade der Zahl zukommen, doch jeweils (ἀεί). Hierauf darf man also nicht die Formel ,AaB‘ anwenden und die Notwendigkeit absprechen. Das wichtigste Kennzeichen für das wissenschaftliche Allgemeine ist schließlich ᾗ αὐτό, das Aristoteles mit ,primär‘ (πρῶτον) gleichsetzt. Seine Untersuchung ist darauf angelegt, welchem Subjekt als Erstem das (schon bekannte) Allgemeine zukommt, so dass der Beweis allgemein sein wird. Wenn das Beweissubjekt keine höhere Bezeichnung hat, ist der Beweis nicht allgemein, obwohl das zu beweisende Allgemeine an sich dem Subjekt zukommt. Wenn ferner die Bezeichnung jenes höheren Begriffs über die Individuen fehlt, ist der Beweis weder allgemein, noch weiß der Beweisführende allgemein. Und wenn der Beweis jeder Instanz des Subjekts zukommt bzw. wenn eine Teilinstanz für das primäre Subjekt steht, ist er nicht allgemein. Das Kapitel I 5 schließt Aristoteles mit der ἀφαίρεσις ab, in der sachfremde Zusätze wie Ehern und Gleichschenklig weggenommen werden. Dabei soll man beachten, welches Merkmal als Erstes bei seiner Wegnahme das Allgemeine (Innenwinkelsumme von 180°) mit aufhebt; dies tun ja Figur und Grenze auch, sie sind jedoch nicht die ersten, sondern das Dreieck ist das erste. Somit ist das primäre Allgemeine gefunden, und wenn der Beweis auf dieses geht, ist er wissenschaftlich allgemein. Ohne eine dinghafte Existenz zu haben, hat es doch mehr Sein als die Einzeldinge und ist unvergänglich.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
das primäre, immanente, abstrakte Allgemeine Wissenschaftlicher Beweis Epagoge Aporie im Menon Erkenntnisziel
Autor*innen
Jaehyun Lee
Haupttitel (Deutsch)
Das primäre Allgemeine in den Zweiten Analytiken (A 4-5) des Aristoteles
Publikationsjahr
2019
Umfangsangabe
67 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Stefan Büttner
Klassifikation
08 Philosophie > 08.21 Griechische Philosophie, römische Philosophie
AC Nummer
AC15448797
Utheses ID
51473
Studienkennzahl
UA | 066 | 683 | |
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