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Das literarische Konzept der Sprachskepsis und seine Relevanz für die expressionistische und experimentelle Lyrik
Irene Maria Wagner
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Martin Neubauer
DOI
10.25365/thesis.5774
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29295.97331.165363-3
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Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Bei dem Konzept Sprachskepsis handelt es sich um ein interdisziplinäres Phänomen, das mit zunehmender Modernisierung der Welt immer mehr ins Zentrum sowohl der literarischen, als auch der alltäglichen Betrachtungen rückt. Diese Diplomarbeit bietet in ihrem ersten Teil einen Querschnitt durch die Geschichte der Sprachskepsis, die anhand mehrerer epochenspezifischer Beispiele knapp und in ihren Umrissen skizziert wird. Dabei wird vom Ursprung des Wortes ausgegangen, der auf literarischer Ebene das Wort Gottes, aber auch den antiken lógos Begriff meint. Es findet eine Auseinandersetzung der Thematik mit den fortlaufenden, literaturgeschichtlichen Epochen (mittelalterliche Literatur, frühneuzeitliche Literatur, Barock, Sturm und Drang, Aufklärung, Goethezeit) statt, die immer in Beziehung gesetzt werden mit dem Ursprünglichen, dem Mystischen, Höheren, gleichsam dem Göttlichen, das dem Wort seit jeher anzuhaften scheint. Insbesondere ist bei Johann Wolfgang von Goethe oft vom „Höheren“ die Rede, das man nicht nur unzureichend, sondern als Mensch gar nicht auszudrücken vermag. Darüber hinaus wird Goethes Formulierung der „Sprache der Geister“ als weiteres Indiz für die Dichotomie Menschlichkeit vs. Göttlichkeit herangezogen, die bei der Wortwerdung eines Sachverhaltes, Eindrucks oder Gefühls oft zum unüberwindbaren Problem wird. Neben diesem unauflösbaren Widerspruch gibt ferner die Sprache selbst Anlass zum Zweifel oder zur Skepsis, allen voran deshalb, weil sie in vielen Fällen ein nur unzureichendes Mittel der Verständigung darstellt. Der Beginn eines Sprachzweifels auf literarischer Ebene wird allgemein in der Romantik angesehen. Die Unzulänglichkeit des Wortes, das ersehnte „Unendliche“ zu formulieren, ist anhand von Joseph Freiherr von Eichendorff sowie Novalis knapp skizziert. Es folgt ein Sprung zur eigentlichen Thematik dieser Diplomarbeit, nämlich zu den „Sprachnöten der modernen Welt“, die in Bezug auf das Phänomen Sprachskepsis als literarisches Konzept, vor allem aber im Hinblick auf ihre Ausformungen in der expressionistischen bzw. experimentellen Lyrik analysiert werden. Die drei Formen des Zweifels in Bodo Müllers Aufsatz Der Verlust der Sprache. Zur linguistischen Krise in der Literatur sind anhand zahlreicher Beispiele veranschaulicht, die auch außerliterarischen Ebenen wie dem Theater bzw. der pantomimischen Darstellung (Gestik, Mimik) sowie der alltäglichen Kommunikationswelt entnommen sind. Als zentrale Bezugspunkte für die Thematik als solche sind Hugo von Hofmannsthals Ein Brief, Lugwig von Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus sowie Heinrich Heine angeführt, der die Sprachnot in der Moderne als Erster qualvoll empfindet. Die Wirklichkeitszertrümmerung jener Autoren, die einer expressionistischen Strömung zuzuordnen sind (Stramm, Hoddis, Heym…), ist eng verknüpft mit der Zertrümmerung des Wortes selbst, das der Wirklichkeit nur noch träge nachhascht (Trakl). Ferner werden die mit dem Expressionismus einhergehenden Strömungen Futurismus und Dadaismus hinsichtlich ihrer Relevanz für die Zerstörung der sprachlichen Form untersucht. Vor allem die dadaistischen Verfahrensweisen mit Sprache sind als Vorläufer für die literarischen Unternehmungen der experimentellen Lyrik in den 50er und 60er Jahren dargestellt. Experimentelle Autoren, die der Wiener Gruppe angehören (Rühm, Artmann, Bayer) reduzieren die Sprache auf ihr Material und eröffnen mittels Techniken wie der Collage, Montage, der Visuellen und Konkreten Poesie neue Ebenen des Bedeutungszusammenhangs für den Rezipienten. Sie nützen die Reichhaltigkeit der Sprache für ihre eigenen Zwecke und erzeugen autonome Kunstwerke, hinter die sie als Künstler zurücktreten. Konrad Bayer nimmt aufgrund seines Zweifels an der Sprache als geeignetes Mittel zur Kommunikation, an der er nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch scheitert, eine Sonderstellung innerhalb der Wiener Gruppe ein, von der sich auch H.C. Artmann, nicht zuletzt durch sein Werk Med ana schwoazzn dintn, distanziert hat. Die experimentellen Eigenleistungen Konrad Bayers werden ebenso herausgestrichen wie die Farbensymbolik und Chiffrenfunktion in der Lyrik Georg Trakls. Das Phänomen Sprachskepsis scheint für beide Autoren bis zuletzt eine unüberwindbare Kraft dargestellt zu haben, die sie dennoch maßgeblich zur literarischen Produktion antrieb. Schließlich versucht diese Arbeit auch auf den Nutzen einer Sprachskepsis hinzudeuten, der sich daraus ergibt, dass Autoren hinter ihr Werk zurücktreten und es dadurch für sich selbst sprechen lassen.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Sprachzweifel Wort und Wirklichkeit Sprachnöte der Moderne Zerstörung der Form expressionistische Lyrik experimentelle Lyrik
Autor*innen
Irene Maria Wagner
Haupttitel (Deutsch)
Das literarische Konzept der Sprachskepsis und seine Relevanz für die expressionistische und experimentelle Lyrik
Publikationsjahr
2009
Umfangsangabe
99 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Martin Neubauer
Klassifikation
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.93 Literarische Stoffe, literarische Motive, literarische Themen
AC Nummer
AC07732239
Utheses ID
5179
Studienkennzahl
UA | 332 | | |