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Der geheime Klub der abtreibungserfahrenen Frauen
leibliche und psychische Erfahrungen im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen als Dokument des sozialen Kampfes um die Geschlechterordnung
Miriam Sophie Gertz
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Psychologie
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Psychologie
Betreuer*in
Thomas Slunecko
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.58975
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-15563.85335.493573-6
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Gegenstand der Arbeit sind Erfahrungen, die Frauen im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen machen. Es werden dabei insbesondere kollektive Dimensionen in den Blick genommen, um dem allgemeinen Diskurs über die ›Pathologie‹ und Betroffenheit Einzelner eine Perspektive entgegenzusetzen, die die gesellschaftliche Einbettung psychischer und leiblicher Erfahrungen konsequent berücksichtigt. Untersucht werden Abtreibungserfahrungen und damit verknüfte Sinnstrukturen in Bezug auf ihre erfahrungsräumlichen Spezifika, d.h. in ihren geschlechts-, milieu- und generationsspezifischen Lagerun- gen. Die Analyseeinstellung, deren Ziel es ist, konjunktiv geteilte Orientierungs- und Erfahrungsmuster in ihrem sozialen Entstehungszusammenhang zu rekonstruieren, beruht auf einer feministisch informierten kulturpsychologischen Perspektive und der Methodologie der rekonstruktiv-qualitativen Sozialforschung. Die Erhebung von insgesamt sechs Fällen erfolgte anhand der Methoden der Gruppendiskussion und des narrativen Interviews. Ausgewertet wurde das daraus ausgewählte Material mittels der praxeologisch fundierten dokumentarischen Methode, die einen Zugang zu den impliziten Wissensbeständen der Befragten ermöglicht. Die empirischen Ergebnisse zeigen im Wesentlichen, dass Schwangerschaftsabbrüche als reproduktive Ereignisse ein Schlüsselmoment der Manifestation des Geschlechterverhältnisses sind, da die reproduktive Differenz besonders spürbar wird. Die Linien des sozialen Kampfes um die Geschlechterordnung laufen dabei durch die Einzelnen hindurch; sowohl traditionelle Geschlechterideale, insbesondere das Mutterschaftsideal, als auch emanzipative Frauenbilder schreiben sich in die Psychen und Körper ein. Wie genau dieser gesellschaftliche Konflikt verarbeitet wird, unterscheidet sich jedoch. Drei Typen werden diesbezüglich aus dem Material rekonstruiert: Nämlich jene des (1) individualisierend-spiritua- listischen, (2) politisierend-materialistischen und des (3) politisierend-spiritualistischen Umgangs. Auffällig ist, dass sich in allen erhobenen Fällen das Stigma-Management dokumentiert, das Frauen betreiben müssen, um nach Schwangerschaftsabbrüchen nicht diskreditiert und abgewertet zu werden. Bedingung für die Stigmatisierung ist, dass weibliche Sexualität im hierarchischen Geschlechterverhältnis als ausgerichtet auf Reproduktion innerhalb einer heterosexuellen Ehe und der Moral untergeordnet konstruiert wird. Frauen, die diese sozialen Normen durch lustorientierte Sexualität und ›selbstbestimmte‹ Familienplanung herausfordern, werden bestraft. In unserer Zeit geschieht dies typischerweise durch die –wissenschaftlich nicht haltbare – Prophezeiung psychischer Krisen.
Abstract
(Englisch)
The study analyses experiences of women in the context of abortions. Subject of research are – as a counterpart to the conventional pathologization and individualization of abortions – the collective di- mensions of these experiences. That means, the embeddedness of psychological and bodily experiences in social structures is consequently taken into account. Experiences with abortions and related patterns of meaning are explored considering their specific social localization depending on overlapping conjunctive spaces of experience. The reconstruction of collec- tively shared patterns of orientation and experience in its social genesis is based on a feminist, cultural psychological perspective and the methodology of qualitative reconstructive social research. Data col- lection was conducted with the aid of the methods of Group Discussion and Narrative Interview. The elected material was analysed using the praxeological Documentary Method, which allows an access to the implicit knowledge of the participants. The empirical results show in essence that abortion as a reproductive event is a key moment of mani- festation of hierarchical gender structures as the reproductive difference becomes particularly. The lines of the social fight for gender relations run right through the individuals, both traditional ideals of gender roles and emancipatory images of women inscribe themselves into psyches and bodies. However, these social conflicts are processed differently. Three types of dealing with the societal conflicting demands for women are reconstructed out of the material: (1) the individualizing-spiritualistic, (2) the politiciz- ing-materialistic and (3) the politicizing-spiritualistic type. It is striking, that in all cases of the research material strategies of stigma management can be identified. Women have to do stigma management to reduce the risk of discreditation and devaluation after having an abortion. A condition for the stigmati- zation of women who had abortions is the construction of female sexuality as oriented to reproduction within heterosexual marriage and subordinated to morality in the context of hierarchical gender rela- tions. Women that challenge these social norms by living their sexuality orientied to lust and ›self- determined‹ birth control get punished. Nowadays punishment happens typically by the – clearly not scientifically based – prophecy of mental crises.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
abortion stigma sexuality Documentary Method reconstructive social science group discussion
Schlagwörter
(Deutsch)
Schwangerschaftsabbruch Abtreibung Stigma Sexualität Dokumentarische Methode rekonstruktive Sozialforschung Gruppendiskussionen
Autor*innen
Miriam Sophie Gertz
Haupttitel (Deutsch)
Der geheime Klub der abtreibungserfahrenen Frauen
Hauptuntertitel (Deutsch)
leibliche und psychische Erfahrungen im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen als Dokument des sozialen Kampfes um die Geschlechterordnung
Publikationsjahr
2019
Umfangsangabe
312 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Thomas Slunecko
Klassifikationen
44 Medizin > 44.74 Sexualmedizin ,
70 Sozialwissenschaften allgemein > 70.00 Sozialwissenschaften allgemein: Allgemeines ,
71 Soziologie > 71.25 Sexualität ,
71 Soziologie > 71.30 Soziale Gruppen: Allgemeines ,
71 Soziologie > 71.31 Geschlechter und ihr Verhalten ,
71 Soziologie > 71.33 Frau ,
71 Soziologie > 71.40 Soziale Prozesse: Allgemeines ,
71 Soziologie > 71.59 Kultursoziologie: Sonstiges ,
77 Psychologie > 77.00 Psychologie: Allgemeines ,
77 Psychologie > 77.24 Kritische Psychologie ,
77 Psychologie > 77.60 Sozialpsychologie: Allgemeines ,
77 Psychologie > 77.85 Sexualpsychologie
AC Nummer
AC15505213
Utheses ID
52067
Studienkennzahl
UA | 066 | 840 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1