Detailansicht

Heinrich Seuse und das Straßburger Exemplar
Vision, Körper, Bild
Martin Schwarz
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Michael Viktor Schwarz
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.5919
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29172.91850.356470-4
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Gegenstand dieser Arbeit war das Straßburger Exemplar MS 2929, das die älteste Kopie der deutschen Schriften Heinrich Seuses darstellt. Ein Hauptanliegen war es, vermeintlich autonome Ebenen wie die Seusesche Mystik, Bildtheorie, Text, Schriftbild und Miniaturausstattung zu verknüpfen und dabei den materiell-physischen Aspekt der Handschrift als Bedeutungsträger für die Leser-Wahrnehmung und den Benutzungsakt miteinzubeziehen. In Abgrenzung zum neuzeitlichen Buch präsentiert sich die mittelalterliche Handschrift, so wurde in einem einleitenden Kapitel zur Methode und Theorie dargelegt (Zu einer Semiologie der mittelalterlichen Handschrift und des Straßburger Exemplars), als ein komplexes mediales Gefüge, dessen visuelle Gestaltung zeichenhaft auf den Sprechakt und den Autor verweist. Aus theologischer Sicht entspricht dies der Fleischwerdung des Logos. In beiden Fällen kann von einer „metonymischen Vergegenwärtigung des Autors“ (Horst Wenzel) gesprochen werden. Der Hauptteil der Arbeit gliederte sich in drei Kapitel (I Vision, II Körper, III Bild), die das Straßburger Exemplar und Seuses Philosophie vor dem Hintergrund der im vorigen Kapitel erarbeiteten theoretischen Grundlagen aus verschiedenen Perspektiven beleuchten sollten. In den einleitenden Fallstudien zum ersten der drei Kapitel (I Vision) zeigte sich eine dichte Verflechtung von Text und Bild, und die Notwendigkeit, die medialen Überschreitungen im folgenden zu berücksichtigen. Ausgehend von dem Paradigma der bildosen Gottheit entwickelt Heinrich Seuse seine Lehre der mystischen Gotteserfahrung als ein fortschreitendes Sehen, das sich von materiellen Bildern in die Innerlichkeit zurückzieht. Das Straßburger Bildprogramm kann als eine Anleitung zur mystischen Schau gelesen werden. Dabei stellt sich die Frage der Vermittelbarkeit der visionären Erfahrungen Seuses, an denen sich der Inhalt des Exemplars orientiert. Anhand einer Typologie der Zeichen (der himmlischen Bilder) wurde gezeigt, wie sich Seuse als heilvermittelnde Schnittstelle zwischen dem „Heiligen und Profanen“ profiliert, womit der Fokus auf die Figur des Dieners (alias Seuse) in Text und Bild als anagogische Strategie im Straßburger Exemplar erklärbar wird. Auf den Überlegungen des einführenden Theoriekapitels aufbauend, wurde das Straßburger Exemplar im zweiten Kapitel (II Körper) von seiner körperlichen Materialität her gelesen. Die grafische Materialisierung der Lehre im Körper der Handschrift macht das Straßburger Exemplar auch gemäß mittelalterlicher Vorstellungen zu einem körperlichen Kontinuum ihres Autors. Die Stellvertreterfunktion, die das Buch erfüllt, wird durch ein komplexes Metaphernspiel mit der Organizität der Handschrift und der Autorenpräsenz im Text aufgegriffen und weiter ausgebaut. Dieser sich für den Benutzer ergebende Realitätseffekt arbeitet im Straßburger Exemplar gegen den toten Buchstaben und für ein Leibhaftigwerden des Inhalts. Der Diener präsentiert sich dabei als Textträger, der dem Namen des Herrn (IHC) fleischliche Präsenz verleiht. In einer entgegengesetzten Bewegung betont die Inszenierung des Straßburger Exemplars seine organischen Qualitäten, so dass im Dialog von inhaltlich-textlicher und materiell-visueller Ebene sich Seuse und die Handschrift – also die Textualität des Körpers und die Körperlichkeit des Buches – verschränken. In der grafischen Konzeption der Handschrift, der Analogisierung von Schrift und Wunde, sowie Pergament und Haut wird die Verfleischlichung des Straßburger Exemplars weiter vorangetrieben. Die Rezeption der Lehre in ihrer materialisierten Form konnte vom Leser wirksam als ein physisches Einverleiben empfunden werden, gleich den Betrachterstrategien vor spätmittelalterlichen Andachtsbildern. Die im letzten Brief ergangene Aufforderung zum Widerkäuen des IHC, dem Namen Christi, verleiht der Aufnahme der Lehre eine eucharistische Qualität. Über die Metapher des Pelikans, der seine Jungen mit seinem eigenen Blut und Fleisch ernährt, sowie der Inszenierung des blutenden IHC- Monogramms nach dem Vorbild der Seitenwunde wird dem Benutzer der Handschrift seine eucharistische Verbindung zu Seuse eindrücklich gemacht. Die im ersten Kapitel thematisierte zeichenhafte Manifestation von Visionen wird durch eine auf körperliche und taktile Erfahrbarkeit abzielende Ebene komplementiert. Im letzten Kapitel (III Bild) wurde auf die zweite Miniatur und ihr Verhältnis zum Text eingegangen. Bereits die Textpassage zur Vision des Dieners ist von visuellen Topoi bestimmt, wie sie in Nonnenliteratur und oberrheinischen Kunstwerken verarbeitet worden sind und Autor und Rezipienten des Exemplars hinlänglich bekannt waren. Hiervon löst sich die Darstellung im Bild in verschiedenen Punkten, die zu einer interessanten Verschiebung und sogar Uminterpretation des Geschriebenen führt. Statt den im Text verarbeiteten visuellen Topoi zu folgen, bedient sich die zweite Miniatur, wie deutlich wurde, einer alternativen Bildsprache, die sie aus dem den Lesern vertrauten Kontext der populären Andachtsbilder schöpft. Was im Text eher unreflektiert an Bezugnahmen zum Einsatz kommt, wird in der Miniatur zu einer klaren Stellungnahme zur Funktion des Dieners hinsichtlich der Visualisierung und Vermittlung von inneren Bildern.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Suso Vision Mysticism Manuscript MS 2929 Book Illumination Dominicans Eckhart
Schlagwörter
(Deutsch)
Seuse Vision Mystik Handschrift MS 2929 Buchmalerei Dominikaner Eckhart
Autor*innen
Martin Schwarz
Haupttitel (Deutsch)
Heinrich Seuse und das Straßburger Exemplar
Hauptuntertitel (Deutsch)
Vision, Körper, Bild
Publikationsjahr
2009
Umfangsangabe
146 S. : Ill.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Michael Viktor Schwarz
Klassifikationen
11 Theologie > 11.52 Mittelalterliches Christentum ,
20 Kunstwissenschaften > 20.06 Kunstphilosophie, Kunsttheorie ,
20 Kunstwissenschaften > 20.20 Ikonographie ,
20 Kunstwissenschaften > 20.21 Religion, Magie
AC Nummer
AC07734178
Utheses ID
5312
Studienkennzahl
UA | 315 | | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1