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Shedding light on the evolution of an enigmatic fish
comparative analyses of cavernicolous and surface-dwelling populations of Garra barreimiae
Sandra Kirchner
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Lebenswissenschaften
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Doctor of Philosophy-Doktoratsstudium NAWI Bereich Lebenswissenschaften (Dissertationsgebiet: Biologie)
Betreuer*innen
Harald Krenn ,
Elisabeth Haring
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.61477
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-17896.48791.442564-2
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Das Klima im Südosten der Arabischen Halbinsel ist heiß und trocken, und im Zuge der globalen Erwärmung schreitet die Versteppung großer Landteile dieser Region und die damit verbundene Wasserknappheit immer weiter voran. Trotz dieser unwirklichen Umweltbedingungen gehören auch Süßwasserfische wie Garra barreimiae zur Fauna dieser geographischen Region. G. barreimiae ist in den wenigen permanenten sowie auch in unzähligen temporären Gewässern im Hadschar-Gebirge im Norden des Oman und den VAE anzutreffen. Die harschen Bedingungen unter denen sich dieser Fisch bisher behaupten konnte machen ihn zu einem wahren Überlebenskünstler, der trotz seiner Wasserabhängigkeit auch längere Dürreperioden ohne Niederschlag übersteht, höchstwahrscheinlich indem er sich in die Wasserreservoirs in den zahlreichen Karsthöhlen des Hadschar-Gebirges zurückzieht und dort auf den nächsten Regenfall wartet, bei dem er wieder zum Vorschein kommt. Im Jahre 1980 haben Dunsire & Gallagher eine unpigmentierte und blinde Höhlenpopulation entdeckt, die in den unterirdischen Karst-Seen der Al Hoota-Höhle im Norden des Oman vorkommt. Die Al Hoota-Höhle ist mit ca. 5 km Länge die größte Höhle im Osten der Arabischen Halbinsel und umfasst vier unterirdische Seen. In die Höhle gelangt man durch einen der zwei unterschiedlich hoch gelegenen Eingänge, die die Höhle bei starken Regenfällen zu einem Durchflusssystem mit bis zu 100 m3/sek Wasserdurchfluss werden lassen und dabei die ganze Höhle durchspült. Aufgrund der großen morphologischen Ähnlichkeit zur Oberflächenform (abgesehen von den offensichtlichen Unterschieden wie das Fehlen von Augen und Pigment) wurde die Höhlenform als G. barreimiae identifiziert. Faszinierend ist, dass die Larven dieser Höhlenform nach dem Schlupf Augen aufweisen, die erst im Laufe der ontogenetischen Entwicklung vom umliegenden Gewebe überwachsen und beim adulten Individuum äußerlich nicht mehr zu sehen sind. Dies lässt darauf zurückschließen, dass es sich bei der Al Hoota Population um eine relativ junge Höhlenform handelt, deren troglomorphe Merkmale noch relativ variabel sind. Die Vorliegende Doktorarbeit beschäftigt sich mit der Art (bzw. dem Art-Komplex) G. barreimie und ihrer genetischen Vielfalt im Verbreitungsgebiet, mit vorherrschenden Populationsstrukturen zwischen den unzähligen, zum Teil durch geologische Barrieren getrennten Populationen, vor allem aber wie sich die bisher einzige troglomorphe Höhlenpopulation zu den umliegenden Oberflächenpopulationen verhält. Des Weiteren wurde in der vorliegenden Doktorarbeit auch untersucht wie sich Verbreitungsmuster und morphologische Variationen im Kontext von herausfordernden und unsteten Umweltbedingungen auswirken. Am Beginn des Projekts stand die Entwicklung und Etablierung geeigneter Mikrosatelliten-Primer für die Analyse von nukleären Markern. Hierzu wurden „Next-Generation-Sequencing“ (NGS) Daten mittels 454-Sequencing generiert, daraus entsprechende Primerregionen extrahiert und ausgiebig im Wetlab getestet. Nach erfolgreicher Etablierung von 19 variablen Mikrosatelliten-Primern (Paper 1) wurden diese für populationsgenetische Untersuchungen an ausgewählten Populationen herangezogen und zeigten, dass die höhlenbewohnende Form auch genetisch differenziert ist von den umliegenden Oberflächenpopulationen, es aber gelegentlich noch zu Genfluss von der Höhlen- an die Oberflächenpopulationen kommt. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Höhlenpopulation zwar genetisch isoliert ist, Hybridisierung zwischen den Morphotypen aber noch möglich ist und unter bestimmten Umständen (Höhlen-Habitat) durchaus noch vorkommt. Weiterführende vergleichende Untersuchungen zur Entwicklung des visuellen Systems in beiden Morphotypen (Auge, optischer Nerv, Lobus opticus, Retina, Linse…) in Abhängigkeit von Lichtexposition bzw. -ausschluss sind bereits im Gange. Hierzu werden moderne bildgebende Methoden via µCT sowie histologische Verfahren angewendet um zu den Grad bzw. die Variation der Reduktion des visuellen Apparates zu quantifizieren. Der nächste Schritt war, die genetische Variation innerhalb des Verbreitungsgebiets von G. barreimiae zu erheben. Dies wurde mittels Analyse drei mitochondrialer und der zuvor etablierten nc Mikrosatelliten Marker bewerkstelligt. Hier konnten wir insgesamt fünf klar getrennte Gruppen aufzeigen, deren genetische Distanz durchaus vergleichbar ist mit der von anderen Arten der Gattung Garra. Auch das Vorkommen dieser Gruppen ist geografisch getrennt, meist durch geologische Barrieren wie tiefe Täler (Wadis) oder Bergketten. Eine dieser Gruppen war zuvor als Unterart valide (G. b. gallagheri, Krupp (1988)), und wurde kurz darauf zur Art erhoben (G. gallagheri). Die übrigen vier Gruppen wurden entsprechend ihrer geografischen Verbreitung Nord-, Ost-, West- und Central benannt. Mit diesen Erkenntnissen drängte sich die Frage auf, ob die gefundenen genetischen Gruppen auch morphologisch differenzierbar sind. Im Zuge einer MSc-Arbeit wurden umfangreiche morphometrische Messungen vorgenommen und ausgewertet. Dabei konnten zwar unterschiedliche Trends einzelner Merkmale aufgezeigt werden, allerdings ist die klare Unterscheidung und Zuordnung anhand von den Mess- und Zählwerten alleine nicht möglich. Es handelt sich also um mehrere, genetisch klar trennbare Arten die morphologisch nicht unterschieden werden können und bis dato als eine Art behandelt wurden - womit die Bezeichnung „kryptische Arten“ (nach Bickford) gerechtfertigt ist. Die Beschreibung der neu entdeckten Arten ist bereits im Gange und wird in Kürze neben zwei bereits bekannten Namen (West - G. barreimiae, Central – G. longipinnis) auch zwei neue Artnamen vorstellen (East - G. sharq, North – G. shamal). Die Tatsache, dass dieses System sowohl eine troglomorphe Höhlenform als auch unzählige Oberflächenpopulationen umfasst, ermöglicht eine Vielzahl an vergleichenden Untersuchungen die sich mit der evolutionären Anpassung an ein Leben in kompletter Dunkelheit und den damit verbundenen Modifikationen beschäftigt. Bisher sind nur zwei genetisch isolierte, troglomorphe Höhlenpopulationen dieser Art bekannt, beide kommen in unterirdischen Karstseen vor. Mit einem so stark begrenzten Vorkommen ist eine Population immer der Gefahr ausgesetzt, durch einmalige Events (Einwaschung usw.) komplett zu verschwinden. In Anbetracht der Tatsache, dass die vermeintliche Art G. barreimiae mehrere kryptische Arten umfasst und in der roten Liste mit „Least Concern“ eingestuft ist, steigt auch der Druck, den Schutzstatus dieser Arten neu zu evaluieren. Voranschreitende Versteppung sowie Lebensraumzerstörung und Wasserknappheit sind Faktoren, die eine Art mit limitierter Verbreitung noch zusätzlicher Bedrohung aussetzen. Dieses System stellt in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung im wissenschaftlichen Feld der Evolutionsforschung dar, die Existenz beider Morphotypen ermöglicht vergleichende Studien und Experimente, die prinzipiell zu wertvollen Erkenntnissen zur Anpassung an extreme Lebensräume führen und weiters Schlüsse über die evolutionäre Geschichte einer Art ermöglichen.
Abstract
(Englisch)
The climate in the southeastern Arabian Peninsula is hot and dry, and in the course of global warming the large-scale desertification in this region and the associated water scarcity continues to progress. Despite these unfriendly conditions, the fauna of this geographical region comprises also freshwater organisms like the cyprinid Garra barreimiae. This fish can be found in all kinds of water bodies, in the few permanent lakes and streams as well as in countless temporary waters throughout its distribution area in the Hajar mountains in northern Oman and the UAE. The harsh conditions under which this fish has managed to sustain present it as a true survivor who outlasts long periods of drought, probably by retreating into the water reservoirs in the numerous karst caves of the Hajar mountains temporising/holding out for the next rainfall. In 1980 Dunsire & Gallagher discovered an unpigmented and blind cave population in the underground karst lakes of the Al Hoota cave in northern Oman. With a total length of approx. 5 km the Al Hoota cave is the largest cave in the east of the Arabian Peninsula and comprises four underground lakes. The cave can be reached through one of the two entrances. The fact that there is a height difference between these two entrances transforms the cave into a flow-through system with up to 100 m3/sec water flushing through the cave in case of heavy rainfall. Due to the great morphological similarity to the surface form, the cave form was identified as G. barreimiae (besides the obvious differences such as the absence of eyes and pigmentation). Interestingly, the larvae of the cave form possess eyes after hatching, which are overgrown by surrounding dermal tissue in the course of ontogenetic development until no externally visible structures are present in the adult individual. Given that these troglomorphic characters are still variable, this leads to the assumption that the Al Hoota population is of rather young age. The present PhD thesis deals with the species (or species complex) of G. barreimie and the genetic diversity throughout its distribution area, presenting extant population structures between the countless populations, some of which are separated by geological barriers. Of special interest is how genetically distinct the two troglomorphic cave populations are from the nearby surface populations. Furthermore, the present PhD thesis investigated the prevailing distribution patterns and morphological variations in the context of harsh and unsteady environmental conditions. The project started with developing and establishing adequate primers for the analysis of nuclear microsatellite markers. Next-generation sequencing (NGS) data was generated via 454 sequencing, suitable primer regions were extracted and tested extensively in the wetlab. After successful establishment of 19 variable microsatellite primers (Paper 1), these were used for population genetic analyses of selected populations and the results suggest that the cave-dwelling form is genetically differentiated from the nearby surface populations, but occasional gene flow from the cave to the surface populations occurs. These findings show that although the cave population is genetically isolated, hybridisation between the two morphotypes is still possible and occurs under certain circumstances (cave habitat). Further comparative studies on the development of the visual system (eye, optical nerve, lobus opticus, retina, lens...) between both morphotypes and the effect of absence/presence of light during development are already underway. Modern imaging methods as µCT and histological methods are used to quantify the degree and variation of reduction of the visual apparatus in different developmental stages. The next step was to gather data on the genetic variation within the distribution range of G. barreimiae. This was accomplished by analysing three mitochondrial genes as well as applying the previously established nc microsatellite markers on a broad scale. The data allowed us to identify a total of five clearly separated groups whose genetic distances are comparable to other species of the genus Garra. The occurrence of these groups is geographically separated, mostly by geological barriers such as deep valleys (wadis) or mountain ranges. One of these groups was previously valid as a subspecies of G. barreimiae (G. b. gallagheri, Krupp (1988)) and was recently elevated to species (G. gallagheri). The remaining four groups were named according to their geographical distribution: North, East, West and Central. These findings raised the question whether the genetic groups can also be differentiated morphologically. In the course of an MSc thesis, extensive morphometric measurements were carried out and evaluated. Although different trends of individual characters could be identified, a clear differentiation and assignment solely on the basis of measurements and meristics is not possible. The fact that we are dealing with several, genetically clearly separable species that cannot be distinguished based on morphology and have so far been treated as one species justifies the term "cryptic species" (according to Bickford et al. 2007). The review and description of the newly discovered species are already in preparation and will include two already known names (West - G. barreimiae, Central - G. longipinnis) along with two new species names (East - G. sharq, North - G. shamal). The fact that this system comprises countless surface populations in addition to the troglomorphic Al Hoota cave morphotype enables a multitude of comparative studies on evolutionary adaptation to life under extreme conditions and the associated modifications. So far, only two isolated troglomorphic cave populations of this species are known, both occurring in neighbouring underground karst lakes. With such a limited occurrence, a population is always exposed to the threat of disappearing completely as consequence of single deleterious events (chemical pollution, desiccation, etc.). In light of the fact that the putative species G. barreimiae is classified as "Least Concern" in the IUCN red list yet comprises several cryptic species increases the pressure to re-evaluate the conservation status of these species individually. Progressive desertification, habitat destruction and water scarcity are factors that pose additional threats to a species living under harsh environmental conditions, especially if their occurrence is geographically restricted. The existence of both morphotypes enables comparative studies which focus on exploring the effects of alternative evolutionary pathways. Hence, this system represents a valuable contribution to the scientific community.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Oman Cyprinidae DNA-Sequenzanalyse Mikrosatelliten Biodiversität Phylogeografie Morphologie Populationsgenetik
Autor*innen
Sandra Kirchner
Haupttitel (Englisch)
Shedding light on the evolution of an enigmatic fish
Hauptuntertitel (Englisch)
comparative analyses of cavernicolous and surface-dwelling populations of Garra barreimiae
Publikationsjahr
2019
Umfangsangabe
117 Seiten : Illustrationen, Diagramme, Karten
Sprache
Englisch
Beurteiler*innen
Stephan Koblmüller ,
Walter Salzburger
Klassifikationen
42 Biologie > 42.13 Molekularbiologie ,
42 Biologie > 42.20 Genetik ,
42 Biologie > 42.21 Evolution ,
42 Biologie > 42.81 Pisces
AC Nummer
AC15654800
Utheses ID
54328
Studienkennzahl
UA | 794 | 685 | 437 |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1