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Essen gestern und heute - die Veränderungen des Essverhaltens in Österreich von der Zwischenkriegszeit bis zum Jahre 2008
mit besonderem Schwerpunkt auf einem Vergleich des Essverhaltens zweier Generationen anhand von Interviews
Tanja Resch
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Birgit Bolognese-Leuchtenmüller
DOI
10.25365/thesis.710
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29173.91710.642364-0
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Sowohl die Frage nach den Veränderungen der Essgewohnheiten in den letzten 90
Jahren als auch der Vergleich des Essverhaltens zweier Generationen anhand von
Interviews führte zu interessanten Ergebnissen.
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts stand unter dem Einfluss von Katastrophen und
Krisen. Die Folgen waren für das System der österreichischen Ernährung katastrophal.
Sowohl die Zwischenkriegs-, die Kriegszeit- als auch die Nachkriegszeit waren
geprägt von Mangel, Armut und Hungersnot. Das Problem der Volksernährung
überschattete Österreich.
Als sich die Situation in Österreich ab den fünfziger Jahren langsam stabilisierte,
herrschte ein starker Nachholbedarf.
Durch den folgenden Nahrungsmittelüberfluss ab den späten Fünfzigern veränderten
sich die Ernährungsgewohnheiten der Menschen bedeutend. Es war das erste Mal
wieder die Rede von Wohlstand. Nach der Stillung des Hungers zeichneten sich erste
Veränderungen bei den Konsumgewohnheiten ab. Man begann in den Sechzigern
wieder Abstand zu nehmen von der Üppigkeit der Zeit nach der Hungerperiode. Eine
gesunde Ernährung wurde nun immer bedeutender.
Außerdem gab es einen Boom in der Produktion von Fertignahrung.
In den Sechzigern beziehungsweise Siebzigern stieg der Anteil des „Außer- Haus-
Verzehrs“ (Essen in Speiselokalen, bei Imbissständen,…).
Zur selben Zeit begann die Entwicklung zum Massentourismus. Die Reisewelle nahm
Einfluss auf das Essverhalten der Österreicher.
Doch die Essgewohnheiten der Österreicher erweiterten sich nicht in erster Linie durch
Reisen, sondern vielmehr durch die Eröffnung ausländischer Lokale durch
Gastarbeiter. Ab den Siebzigern vergrößerte sich in Österreich, beginnend in den
Städten, die Anzahl der griechischen, türkischen und anderen ausländischen Lokale.
Bis heute steigt die Anzahl an ausländischen Restaurants sowie Schnellimbissen in
Österreich.
Das „Außer- Haus- essen“, früher eine Besonderheit und oft unmöglich, wurde
langsam immer alltäglicher.
Auch das „schnelle Essen“ gewann nun immer mehr an Bedeutung. Die Fülle der Neuerungen führte dazu, dass die Experimentierfreudigkeit in den
österreichischen Haushalten stieg und der Faktor „Tradition“ an Einfluss verlor.
In den Achtzigern erlebte der biologische Lebensmittelanbau zunächst einen
deutlichen Aufschwung, konnte sich aber wegen der hohen Produktionskosten bis zum
Beginn des 21. Jahrhunderts nicht entscheidend durchsetzen. Größeren Einfluss auf
das Konsumverhalten hatten neue Produkte, die die Industrie gezielt bewarb und
anbot. Light- Produkte wurden zum Beispiel ein großer Erfolg.
Im selben Jahrzehnt vollzog sich ein gesellschaftlicher Wandel von der
Wohlstandsgesellschaft hin zu einer Erlebnisgesellschaft. Die Menschen wollten nun
auch beim Essen und Trinken etwas Besonderes erleben.
Zur selben Zeit führte der Boom der Supermärkte zur Ausdünnung der Fachgeschäfte
und Geißlereien.
Ende der Achtziger/ Anfang der Neunziger kommt es in den Familien zu einem
zunehmenden Zeitmangel. Die dem Einkaufen, Kochen und Essen gewidmete Zeit
wird eingeschränkt. Dies wirkte sich wiederum auf den Absatz von Fertigprodukten
positiv aus.
Außerdem kommt es in dieser Zeit zu einem zunehmenden Essen „im Impuls und
Unterwegsmarkt“, also zum Beispiel bei Imbissständen.
In den Neunzigern führte die Industrie mit Functional Food eine weitere neue
Warengruppe ein. Später folgen immer weitere Trends wie Designer Food oder
Fingerfood.
Heute werden während der Arbeitswoche häufig nicht- zeitaufwendige Produkte
gekocht. Die Anzahl der Gastronomiebesuche wurde in den letzten Jahren immer
größer und erreichte ein beträchtliches Ausmaß.
Hinsichtlich des Hungers hat die moderne Überflussgesellschaft eine völlig neue
Variante entwickelt. Nun wird der Hunger freiwillig gesucht. Auf dem Weg zur
Idealfigur, die uns von den Medien vorgegeben wird, wird der Hunger für viele zur
Sucht und damit zur Krankheit.
Es ist unglaublich, in welch kurzem Zeitraum sich das Blatt gewendet hat. Während
vor 60 Jahren die Menschen Hunger litten und versuchten, auf allen möglichen Wegen
Nahrungsmittel zu besorgen, verzichten sie heute teilweise freiwillig auf Nahrung. In der heutigen Wohlstandsgesellschaft scheint ein „normaler“ Umgang mit Nahrung
überhaupt verloren gegangen zu sein. Neben Magersucht ist vor allem die Fettlebigkeit
ein Problem unserer Zeit.
In unserer Gesellschaft gibt es ein „neues“ Phänomen, das den Begriff der
„Wegwerfgesellschaft“ hervorgebracht hat. Die Preise für Lebensmittel sind teuer und
werden auch immer teurer. Trotzdem sind die Kühlschränke der Bevölkerung
regelrecht überfüllt und Unmengen von Lebensmitteln werden weggeworfen.
In den letzten 90 Jahren vollzog sich ein Wandel von Not und Hunger zu Wohlstand
und Überfluss.
In der Einleitung habe ich geschrieben, dass Menschen für das, was sie tun, immer
gute Gründe haben. Doch welche Gründe sind nun für eine Veränderung der
Nahrungsgewohnheiten verantwortlich?
Der Wandel des Essverhaltens hängt eng mit den allgemeinen Lebensumständen
zusammen. Jede wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderung spiegelt sich in den
Essgewohnheiten wieder. Vor allem Kriege bewirkten in der Vergangenheit immer
zentrale Veränderungen der Nahrungsgewohnheiten der Bevölkerung. Es zeigte sich
jedoch, dass sehr viele Faktoren einen Einfluss darauf haben.
So spielen unter anderem Beruf, Einkommen, geographische Herkunft aber auch das
Alter und die Haushaltsgröße eine wichtige Rolle.
Die erwähnten Faktoren- nur einige von vielen- sollen einen Eindruck vermitteln, wie
komplex das Thema Essen ist und von wie vielen Einflüssen unser Essverhalten
abhängig ist.
Während in der Zwischenkriegszeit die Essgebote und –verbote noch sehr wichtig
waren, waren schon in den Siebzigern und Achtzigern die Regeln weniger starr.
Offizielle Werte und Normen haben sich zwar nicht grundlegend verändert, doch die
damit verbundene Wichtigkeit des Einhaltens wurde abgeschwächt. In einigen
Gesellschaften existieren sie aber auch gar nicht mehr. Während früher
Umgangslehren und Manierbücher eine wichtige Grundlage für das richtige Verhalten waren, orientieren sich die Menschen heute immer mehr am Fernsehen und an anderen
Medien.
Die häusliche Tischgemeinschaft war in den Familien lange Zeit der Mittelpunkt des
täglichen Lebens. Doch aufgrund der veränderten Essgewohnheiten wurden
gemeinsame Mahlzeiten in den letzten Jahrzehnten immer mehr zu einer Seltenheit. In
der heutigen Gesellschaft ist eine „Entrhythmisierung“ erkennbar. Gegessen wird
dann, wenn es gerade passt, feste Essenszeiten gibt es nicht mehr. Für Kochen und
tägliche gemeinsame Mahlzeiten findet sich in unseren individualisierten
Tagesabläufen immer weniger Zeit.
Bei meinem Vergleich des Essverhaltens der Generation der heute 40- bis 50- Jährigen
und der heute 75- bis 85- Jährigen bin ich zu folgendem Ergebnis gekommen:
Vergleicht man die Kindheit und Jugend der beiden Generationen, dann wird deutlich,
dass es keine wesentlichen Unterschiede gibt. Von der Kindheit/Jugendzeit der älteren
Generation bis zu der der jüngeren gab es nur geringe Veränderungen.
Vergleicht man das Essverhalten der beiden Generationen heute, gibt es grundlegende
Unterschiede.
Die Tendenz zeigt, dass vor allem Personen der älteren Generation größtenteils am
liebsten ihr gewohntes Essen beibehalten, meist Hausmannkost. Weiters greifen sie
auch immer wieder zu Produkten die sie kennen und lehnen Neues teilweise ab. Wenn
sie essen gehen, bevorzugen sie Lokale mit guten österreichischen Speisen und meiden
ausländische Gaststätten.
Die jüngere Generation ist Neuem gegenüber größtenteils aufgeschlossen. Die meisten
probieren immer wieder neue Speisen und Produkte aus und besuchen auch mit
Vorliebe ausländische Lokale. Hier ist ein großes Interesse für Neues und Exotisches
erkennbar, Abwechslung ist gefragt. Beim Essen steht vor allem auch das Erlebnis im
Vordergrund. Von den Personen der jüngeren Generation wird mehr ausprobiert und
sie essen abwechslungsreicher.
Von den sechs Personen, die ich pro Altersgruppe interviewt habe, stammen die
meisten aus unterschiedlichen sozialen und beruflichen Schichten. Durch die Befragung der zwölf Personen war eine eindeutige Tendenz erkennbar.
Gleichzeitig ist mir aber auch bewusst, dass diese Erkenntnisse nicht für alle
Menschen in der jeweiligen Altersklasse gelten.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Essverhalten Österreich Veränderung Gegenwart Tischkultur
Autor*innen
Tanja Resch
Haupttitel (Deutsch)
Essen gestern und heute - die Veränderungen des Essverhaltens in Österreich von der Zwischenkriegszeit bis zum Jahre 2008
Hauptuntertitel (Deutsch)
mit besonderem Schwerpunkt auf einem Vergleich des Essverhaltens zweier Generationen anhand von Interviews
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
296 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Birgit Bolognese-Leuchtenmüller
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.07 Kulturgeschichte ,
15 Geschichte > 15.08 Sozialgeschichte
AC Nummer
AC06813920
Utheses ID
544
Studienkennzahl
UA | 190 | 313 | 333 |