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Auf der Suche nach einer pflegerischen Identität
über die berufssozialisatorische Aneignung der Rolle der Pflegeperson
Simon Krutter
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Betreuer*in
Elisabeth Seidl
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DOI
10.25365/thesis.6280
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30277.97273.284859-6
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die sich im Rahmen der Ausbildung zum gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege vollziehende Berufssozialisation findet in einem Spannungsfeld statt, das für die SchülerInnen von zwei Instanzen maßgeblich beeinflusst wird: zum einen von der Schule und dem darin zum Thema Berufsrolle gelehrten theoretischen Wissen; und zum anderen von den Stationen und dem dort gezeigten praktischen Umgang mit der Rolle der Pflegeperson. Die Annahmen, Erwartungen und Einstellungen, die mit der Rolle der Pflegeperson einhergehen und von den SchülerInnen in der Praxis konkret beobachtet werden können, stehen dabei aber nicht nur in Kontrast zu dem in der Schule konzeptionell vermittelten Bild der Berufsrolle. Sondern sie stellen sich für die SchülerInnen zum Teil auch in einer nichtstandardisierten und nichtverbalisierbaren Art und Weise dar. Das lässt die berufssozialisatorische Aneignung der Rolle der Pflegeperson, welche die PflegeschülerInnen in ihrer Berufsausbildung zu erbringen haben, zum Problem werden. Diesbezüglich geht die Arbeit der Frage nach, wie es den Schülerinnen gelingt, sich die Rolle der Pflegeperson praktisch anzueignen, obwohl die in der Praxis an anderen Pflegepersonen zu beobachtende Rolle der Pflegeperson nicht mit dem übereinstimmt, was den SchülerInnen in der Schule theoretisch vermittelt wird und ferner, die in der Praxis zu beobachtende Rolle der Pflegeperson sich den SchülerInnen im weitesten Sinne auch in einer nichtstandardisierten und nichtverbalisierbaren Form präsentiert. Neben der Beantwortung eben jener Frage, hat sich die Arbeit eine umrisshafte Rekonstruktion des Sozialisationsprozesses in der Krankenpflege zum Ziel gesetzt. Hierfür wurden leitfadengestützte mündliche Befragungen mit vier KrankenpflegeschülerInnen, vier Gesundheits- und KrankenpflegelehrerInnen und einer Praxisanleiterin durchgeführt und inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Ergebnisse der explorativ verfahrenden empirischen Untersuchung werden kategorial dargestellt. Theoretisch orientiert sich die Untersuchung und die Darstellung der Ergebnisse am Konzept des impliziten Wissens (Polanyi 1985) und der Theorie des sozialen Lernens (Bandura 1976). Wobei das Konzept Polanyis und die darin probagierte Implizitheit praktischer Wissensbestände auf die beiden genannten Problemstellungen der Berufssozialisation aufmerksam macht; und die Theorie Banduras über ihr vorgestelltes Lernen am Modell einen Weg aufzeigt, wie die sozialisatorische Aneignung nichtverbalisierbarer und nichtstandardisierbarer Annahmen, Erwartungen und Einstellungen, die mit der Rolle der Pflegeperson in Zusammenhang zu bringen sind, wissenschaftlich adäquat beschrieben werden können. In den Ergebnissen wird gezeigt, dass sich die SchülerInnen im Zuge ihrer Berufssozialisation primär an dem Rollenbild orientieren, das ihnen in der Praxis dargebotenen wird. Zu tun hat das damit, dass die in der Praxis zur Verfügung stehenden Ressourcen eine Rollenausübung, so wie es das Rollenkonzept der Schule nahe legt, nicht zulassen. In ihrer sozialisatorischen Hinwendung zur Praxis beobachten die SchülerInnen jedoch recht unterschiedliche Formen der Rollenausübung. Und nicht nur von Station zu Station und von Pflegeperson zu Pflegeperson lassen sich Unterschiede in der Art, wie Pflege dargeboten wird, ausmachen. Sondern auch bei ein und derselben Pflegeperson beobachten die Schülerinnen zu verschiedenen Zeitpunkten und bei verschiedenen PatientInnen unterschiedliche Arten des Pflegens. Das erzeugt bei den SchülerInnen ein Gefühl der Kontingenz: man kann so pflegen, gleichzeitig aber auch ganz anders. Der von den SchülerInnen beobachteten Kontingenz des pflegerischen Handelns liegt jedoch keine Beliebigkeit im Handeln der Pflegeperson ursächlich zugrunde, sondern die situationsangepasste und personenzentrierte Art des Pflegens. Nichtsdestotrotz vermittelt die zu beobachtende Kontingenz des pflegerischen Handelns den Schülerinnen, selbst dafür verantwortlich zu sein, sich eine eindeutige pflegerische Identität zu suchen. Gelöst werden jene sozialisatorischen Problemstellungen durch die modellhafte Beobachtung bestimmter Pflegepersonen in der Praxis, die sich im Vergleich zu anderen Pflegepersonen dadurch auszeichnen, dass sie die SchülerInnen durch ihr pflegerisches Handeln imponieren und jene auch dazu motivieren, eben jenes vorgezeigte pflegerische Handeln nachzuahmen – und zwar so und nicht anders. Das reduziert für die SchülerInnen den Bereich dessen, wie die SchülerInnen die Rolle der Pflegeperson in der Praxis selbst zu verkörpern haben auf ein handhabbares Maß, da es den SchülerInnen nahe legt, auf eine bestimmte Weise zu pflegen, obwohl dafür auch andere Möglichkeiten zur Verfügung stünden. In der selektiven Nachahmung der Eigenschaften und Handlungsweisen eben jener Vorbilder können sich die SchülerInnen gleichzeitig aber auch die impliziten Wissensbestände rund um die Rolle der Pflegeperson aneignen. Die Vermittlung und Aneignung impliziter Bestandteile der Rolle der Pflegeperson wird in den Darstellungen der befragten Akteure dementsprechend auch nicht als problematisch beschrieben. Des Weiteren zeigt die Untersuchung, dass das Wissen der Schule mit dafür verantwortlich ist, weshalb das von den Schülerinnen am Modell Beobachtete überhaupt als positiv oder als negativ qualifiziert werden kann. In der Darstellung der imponierenden Eigenschaften, die Pflegepersonen zu Vorbildern machen, wird in der Arbeit aber auch darauf hingewiesen, dass die selektive Wahl eines Vorbildes subjektive Implikationen in sich birgt und als sozialer Prozess zu verstehen ist, bei dem sich die Pflegepersonen interaktiv auf die Schülerinnen einzustellen haben, um prinzipiell als Vorbild in Erscheinung treten zu können. In den Schlussfolgerungen der Arbeit wird darauf eingegangen, dass in der entsprechenden pflegewissenschaftlichen Literatur zum Thema Berufssozialisation in der Krankenpflege begrifflich distinkter zwischen Modellen und Vorbildern zu unterscheiden ist. Diesbezüglich wird der Vorschlag unterbreitet, Vorbilder als Modelle spezieller Art zu verstehen, da sie die SchülerInnen besonders imponieren und dahingehend auch motivieren, das Beobachtete eigenständig nachzuahmen. In diesem Sinne ist es weitestgehend an den Vorbildern gelegen, dass sich die Schülerinnen „ihre“ Rolle der Pflegeperson praktisch aneignen können.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Pflegepädagogik Ausbildung Krankenpflege Berufssozialisation Rolle der Pflegeperson implizites Wissen soziales Lernen Lernen am Modell Vorbilder Nachahmung personenzentrierte Pflege
Autor*innen
Simon Krutter
Haupttitel (Deutsch)
Auf der Suche nach einer pflegerischen Identität
Hauptuntertitel (Deutsch)
über die berufssozialisatorische Aneignung der Rolle der Pflegeperson
Publikationsjahr
2009
Umfangsangabe
130 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Elisabeth Seidl
Klassifikationen
71 Soziologie > 71.04 Ausbildung, Beruf, Organisationen ,
80 Pädagogik > 80.04 Ausbildung, Beruf, Organisationen
AC Nummer
AC07846241
Utheses ID
5649
Studienkennzahl
UA | 057 | 122 | |
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