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Die Norm im Messie
normative Implikationen und gesellschaftliche Perspektiven in der Betrachtung des Messie-Syndroms als soziales Phänomen
Karina Petra Würleitner
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium DDP CREOLE-Cultural Differences and Transnational Processes
Betreuer*in
Bernhard Hadolt
DOI
10.25365/thesis.64782
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-10312.59797.314382-3
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Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Das Messie-Syndrom wird vor allem durch Zugänge der Psychologie als Krankheit erforscht und behandelt. Kultur- und Sozialanthropologische Perspektiven zeigen jedoch ein komplexes Zusammenspiel vielfältiger Verhandlungsebenen, welches „Messie“ zum gesellschaftlichen Phänomen macht. Konzepte von Identität, Ausdrucksformen von Materialität und die fundamentale Bedeutung von Emotionalität spielen eine wesentliche Rolle in der Entstehung und der Sichtbarkeit der Symptomatik von Betroffenen. Horten als Norm-abweichendes Verhalten findet dabei im privaten räumlichen Umfeld statt und spiegelt die psychologischen Hintergründe des Messie-Syndroms wider. Der Blick auf normative Strukturen lässt erkennen wie wir als Gesellschaft dieses Verhalten ermöglichen, eine Krankheitszuschreibung treffen und mit Betroffenen umgehen. Sie stellen sowohl das gesellschaftlich Mittel des Konsums bereit, definieren die Sichtbarkeit eines abweichenden Umgangs mit Materiellem durch die Etablierung von räumlicher Privatsphäre und erschaffen gleichzeitig ein Stigma, welches Assoziationen von „Müll“ im öffentlichen Bewusstsein verankert.
Die empirische Forschung, welche dieser Arbeit zugrunde liegt, erstreckt sich auf die teilnehmende Beobachtung in den beiden Selbsthilfegruppen der Betroffenen und ihrer Angehörigen an der Sigmund-Freud-Universität in Wien, welche dadurch mehrere relevante Blickwinkel auf dieselbe Thematik ermöglicht. Gestützt werden die daraus gewonnenen Erkenntnisse durch LeitfadenInterviews mit acht bezeichneten „Messies“, drei Angehörigen von Personen, die zwar ins Spektrum der Messie-Symptomatik fallen, dies jedoch zurückweisen, und drei Psychologinnen, die als Expertinnen im Feld fungieren. Diese Gespräche zeigen Gemeinsamkeiten in der Vergangenheit von Betroffenen, die nur als Traumata beschrieben werden können und machen die besondere emotionale Beziehung zu Objekten nachvollziehbar, welche als materielle Erweiterung der eigenen Identität herangezogen werden, um das Selbst vor Verlust zu schützen. Gleichzeitig schränkt dies den Lebensraum enorm ein. Die Symptomatik ist also geprägt vom Spannungsfeld einer emotionalen Notwendigkeit des Hortens bei simultaner emotionaler Belastung durch die daraus entstehenden Konsequenzen, die neben funktionellen Einschränkungen des Wohnbereichs auch negative soziale Auswirkungen umfassen. Konflikte mit dem sozialen Umfeld sind Ausdruck unterschiedlicher emotionaler Bezugsrahmen und daraus entstehender Rationalitäten, die jeweils ihre eigenen normativen Ansprüche in Bezug auf Ansichten, Empfindungen und Verhalten umsetzen und gegenseitiges Verständnis erschweren. Diese Forschungsarbeit soll dabei eine grundsätzliche Annäherung verschiedener normativer Sichtweisen ermöglichen und Lösungsansätze bezüglich einer notwendigen Verhaltensänderung aufgrund der destruktiver Auswirkungen des Hortens bieten.
Abstract
(Englisch)
Most frequently, compulsive hoarding is studied within the field of psychology, where it is defined as a mental disorder. Cultural and social anthropological approaches, however, show a complex interplay of various levels of negotiation; hence, “Messie” (which is the colloquial German term for hoarders) can be conceptualized as a social phenomenon. Identity, materiality and emotionality are important for the development and visibility of this syndrome and its social entanglements. Hoarding, which is commonly perceived as a deviant behavior, takes place in private spaces and reflects the psychological background of the “Messie” syndrome. By observing normative structures it is possible to reveal how society enables this behavior, defines it as a mental disorder and deals with affected people. Society provides opportunities for consumption, along with normative conditions, and restricts the visibility of deviant hoarding behavior through creating a private sphere. Along with this, a stigma of “mess” and “waste” is applied, that collides with the perception and self-identification of “Messies” and alters their reputation and social status.
This thesis offers insights into how the social factors, that create the hoarding-phenomenon, interact and how normative structures alter modes of thinking, feeling and acting to a point, where all parties (hoarders and society-at-large) accept commonly assigned places and functions and even their destined sphere of conflict within a community. These results are based on qualitative research, specifically on participant observations within the self-help-groups at the Sigmund-Freud-University of Vienna and on 14 interviews with assigned “Messies”, with their relatives and with psychologists. This shows relevant similarities in past experiences of affected people, which can be labeled as traumatic, and may explain their extraordinary relationship to objects, that extend their self within their material surroundings and protect it from further loss. Simultaneously, hoarding restricts and threatens their living space. Hence, this syndrome is, on the one hand, characterized by the emotional need of amplified material surroundings and, on the other hand, by emotional strain due to restrictions in the living spaces and negative social consequences. The resulting social conflicts reflect upon the fundamentally different frames of emotional reference that create their own normative assumptions and claims for rationality. This research attempts to illuminate the relevant but invisible implications of norm and deviance on the emergence of the hoarding-phenomenon; it aims at fostering a cognitive and emotional understanding and proposing solutions in view of the disruptive effects of hoarding.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
hoarding syndrome
Schlagwörter
(Deutsch)
Messie Messie-Syndrom Messie-Phänomen Horten Medizinanthropologie Materielle Kultur Emotionalität Materialität Norm Normativität Krankheit
Autor*innen
Karina Petra Würleitner
Haupttitel (Deutsch)
Die Norm im Messie
Hauptuntertitel (Deutsch)
normative Implikationen und gesellschaftliche Perspektiven in der Betrachtung des Messie-Syndroms als soziales Phänomen
Publikationsjahr
2020
Umfangsangabe
153 Seiten : Illustrationen
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Bernhard Hadolt
Klassifikationen
44 Medizin > 44.06 Medizinsoziologie ,
70 Sozialwissenschaften allgemein > 70.00 Sozialwissenschaften allgemein: Allgemeines ,
73 Ethnologie > 73.00 Ethnologie: Allgemeines ,
73 Ethnologie > 73.06 Ethnographie ,
73 Ethnologie > 73.20 Materielle Kultur: Allgemeines ,
73 Ethnologie > 73.40 Sozialethnologie: Allgemeines ,
73 Ethnologie > 73.45 Einzelne soziale Gruppen, Außenseiter, Randgruppen ,
73 Ethnologie > 73.84 Umwelt und Kultur
AC Nummer
AC16080613
Utheses ID
57486
Studienkennzahl
UA | 066 | 656 | |