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Aspekte der Kindheit in Byzanz vom 6. bis 11. Jahrhundert im Spiegel hagiographischer Quellen
Despoina Ariantzi
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Johannes Koder
DOI
10.25365/thesis.6586
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29900.83815.803166-9
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Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Ziel der Dissertation ist, ein Bild der Kindheit als eigenständige Lebensperiode zu entwerfen. Dabei werden die Stationen des kindlichen Lebens von der Geburt bis zum frühen Tod nachvollzogen. Da für bestimmte Aspekte ein Weiterwirken über die Altersgrenze der Kindheit hinaus beobachtet werden kann, wird auch die Zeit der Pubertät als Übergangsphase von der Kindheit zum Erwachsenwerden herangezogen.
Die vorliegende Untersuchung ist in sechs Kapitel geteilt. Im ersten Kapitel wird die Altersabgrenzung untersucht. Nach antiker Tradition wurde die Kindheit in Byzanz in zwei Phasen unterteilt. Die erste dauerte für beide Geschlechter von der Geburt bis zum siebten Lebensjahr, wurde meistens als πρώτη ἡλικία (erste Altersstufe) bezeichnet und wurde in zwei Perioden unterteilt: das Säuglingsalter von der Geburt bis zum Alter von zwei Jahren, dem ungefähren Ende der Stillzeit, und die Periode bis zum siebten Lebensjahr. Die zweite Phase bis zum zwölften Lebensjahr für die Mädchen bzw. vierzehnten für die Knaben hieß δευτέρα ἡλικία (zweite Altersstufe). Nach der Kindheit folgte die Pubertät bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr, die τρίτη ἡλικίωσις (dritte Altersstufe). Die aus der Antike bekannten Bezeichnungen für das Kind (νεογνός, βρέφος, νήπιος, παιδίον, παιδάριον, παῖς, πρόσηβος παῖς, μειράκιον, νεανίσκος) waren in Byzanz weiterhin in Gebrauch, wenngleich sie von manchen Autoren nicht präzise gebraucht wurden.
Das zweite Kapitel behandelt die Einstellung der Byzantiner zum Nachwuchs, die Geburt und Pflege des Neugeborenen. In ihren Augen waren Kinder eine wesentliche Komponente der vollkommenen Ehe. Viele Eltern suchten mit göttlicher Hilfe von der Kinderlosigkeit befreit zu werden. Sie wünschten sich lieber einen Sohn als eine Tochter, weil dieser die Kontinuität der Familie garantieren konnte. Die Geburt fand zu Hause statt, meistens ohne Hebamme. Oft suchte man Hilfe bei Gott und den Heiligen, wo medizinische Hilfe nicht möglich erschien. Was die Pflege des Neugeborenen betrifft, wird das Stillen als moralische Pflicht der Mutter dargestellt. Dieses dauerte ungefähr zwei Jahre.
Thema des dritten Kapitels ist die Taufe der Kinder. Diese fand meistens im Alter von zwei Jahren in einer öffentlichen Kirche statt. Mit der Taufe war auch die Namengebung für das Kind verbunden. Dabei konnten Namen von Familienmitgliedern oder Heiligen gewählt werden. Als Taufpate kam nur ein orthodoxer Christ in Frage. Zu seinen Aufgaben gehörten Erziehung und spirituelle Begleitung des Kindes.
Im vierten Kapitel wird der Blick auf die Beziehungen im familiären Umfeld gelenkt. Dabei werden, die Kind-Eltern Beziehung betreffend, die Aspekte Ernährung, Erziehung, Bildung und Ausbildung, Rollenverteilung der Eltern und Ausdrucksformen emotionaler Bindung. Bei der Ernährung ergaben sich Probleme durch die Essensverweigerung, die die besorgten Eltern mit verschiedenen Methoden zu lösen versuchten. Die Erziehung der Kinder war religiös ausgerichtet. Für die Bildung ihrer Kinder engagierten die Eltern einen Lehrer oder schickten sie in eine Schule. Gebildete Eltern unterrichteten ihre Kinder selbst zu Hause. In der ersten Phase der Kindheit war in erster Linie die Mutter für das Wohlergehen des Kindes zuständig. Der Vater hatte die Rolle des Ernährers. Ab der zweiten Phase der Kindheit hatten beide Elternteile die Verantwortung für die Erziehung. Die in den Viten beschriebenen für die Kind-Eltern Beziehung natürlichen Gefühlsreaktionen zeigten sich in Zärtlichkeit und Trauer. Geschwister, Großeltern, Onkel und andere Verwandte wurden vor allem nach dem Tod der Eltern aktiv und übernahmen vor allem nach dem Tod der Eltern die Verantwortung für Ernährung, Erziehung, Bildung und Verheiratung des Kindes.
Im fünften Kapitel wird die Entlassung aus der elterlichen bzw. familiären Obhut behandelt. Diese Loslösung der Kinder aus der Familie konnte verschiedene Ursachen haben, die meistens auf elterlicher Entscheidung beruhten: Ausbildung und Karriere, Verheiratung oder Klostereintritt. Diese Entlassung fand nicht für alle während der Kindheit statt.
Das sechste Kapitel beinhaltet das Thema Krankeit und Tod. Die in den Heiligenviten angeführten Krankheiten (unter diesen scheinen Lähmungen, geistige Krankheiten und Epilepsie besonders häufig auf) wurden in allen Fällen durch Heilige geheilt, während von Ärzten nur selten die Rede ist. Bei Todesfällen wurde die Todesursache nicht angegeben. Diese traten oft im Säuglingsalter ein. In ihrer Trauer über den Verlust eines Kindes fanden die heiligen Mütter anders als die „normalen“ Trost in ihrem Gottvertrauen.
Abstract
(Englisch)
The aim of this dissertation is to present information concerning childhood in Byzantium as a distinct period in life. It is based on the study of hagiography from the sixth to the eleventh century. The various stages of the childʼs life from the birth to possible early death will be examined in detail. Since in some respects its effects can be observed beyond this stage, puberty as a transitional phase from childhood to adulthood will be included.
The dissertation is divided into six chapters. The first chapter shows how childhood is divided up into various stages. According to the tradition of the ancient Greeks childhood in Byzantium is divided into two stages. The first one lasted from birth to the age of seven for both sexes. It was usually called πρώτη ἡλικία (first stage) and was again divided into two stages: the age of the baby which lasted up to the age of two, the usual end of breastfeeding, and the period up to the age of seven. The second phase up to the age of twelve for girls and fourteen for boys was called δευτέρα ἡλικία (second stage). Childhood was followed by puberty up to the age of twenty-one called τρίτη ἡλικίωσις (third stage). The old Greek terms for children (νεογνός, βρέφος, νήπιος, παιδίον, παιδάριον, παῖς, πρόσηβος παῖς, μειράκιον, νεανίσκος) were still used in Byzantium though some authors did not use them quite correctly.
The second chapter describes the attitude of Byzantines to their offspring, birth and nursing of the babies. In their view children were essential for a perfect marriage. Many parents sought divine help to avoid childlessness. They hoped for a son rather than a daughter because he was able to guarantee the continuity of the family. Most women gave birth at home without the help of a midwife. They asked for the help of God and the saints when a doctor was not available. Breastfeeding for about two years was regarded as a moral duty of the mother.
The subject of the third chapter is baptism. Children were usually baptised at the age of two in a public church. At the same ceremony they were also named. They could be named after members of the family or saints. Only a member of the Orthodox Church was eligible to become a godfather or a godmother. He (or she) had to help with the education and spiritual guidance of the child.
The fourth chapter examines the relationship within the family, nourishment, education, training, the different tasks of the parents and various forms of expressing emotion. With regard to feeding there were often problems because children refused to eat and parents had to resort to all kinds of methods to get their children to eat. The guidelines for education were set by their religion. The parents engaged a teacher or sent the children to school. Educated parents taught their children at home. During the first phase of infancy the mother was primarily responsible for the well-being of the child while the father was the breadwinner. Later both parents were responsible for the education of the child. The emotions described in the hagiography range from tenderness to sadness. After the death of the parents grandparents, sisters and brothers, uncles and other relatives became responsible for the education, nursing and marriage of the orphans.
The fifth chapter describes children leaving their parentsʼ home. This could happen in various ways and was usually based on their parentsʼ decision: training, career, marriage or entry into a monastery. This did not always happen during childhood.
The sixth chapter concerns illness or death. The diseases mentioned in the hagiography (paralysis, mental illnesses and epilepsy are frequently mentioned) were always cured by saints; doctors are rarely mentioned. The cause of death is not given. Deaths were frequent in early childhood. In their grief at the loss of a child religion provided consolation to saintly (unlike “ordinary”) mothers.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Byzantinisches Kind Kindheit Eltern Familie Geschwister Verwandte Beziehungen Krankheit Tod Trauer
Autor*innen
Despoina Ariantzi
Haupttitel (Deutsch)
Aspekte der Kindheit in Byzanz vom 6. bis 11. Jahrhundert im Spiegel hagiographischer Quellen
Publikationsjahr
2009
Umfangsangabe
350 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Johannes Koder ,
Werner Seibt
Klassifikationen
AC Nummer
AC07854587
Utheses ID
5934
Studienkennzahl
UA | 092 | 383 | |