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KRIEG. MACHT. FRIEDEN.
der gerechte Krieg bei Augustinus und seine Bedeutung für den Diskurs der Responsibility to Protect
Alexander Fellinger
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Doktoratsstudium Rechtswissenschaften
Betreuer*in
Christian Stadler
DOI
10.25365/thesis.70109
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-11164.31254.206036-7
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Das Konzept der Responsibility to Protect (R2P, Schutzverantwortung) hat sich die Aufgabe gestellt, schwerste Massenverbrechen wie Völkermord und ethnische Säuberungen notfalls mit Waffengewalt zu verhindern. Dabei soll insbesondere die umstrittene Idee der sogenannten Militärischen Humanitären Intervention überwunden bzw. auf eine neue theoretische Grundlage gestellt werden. Innerhalb des Diskurses um die R2P wird, wie schon bei der Militärischen Humanitären Intervention, auf die Theorie des gerechten Krieges (bellum iustum) zurückgegriffen. Die Literatur bezeichnet dabei regelmäßig Augustinus von Hippo (354 – 430) als einen der führenden Autoren des gerechten Krieges. Es erscheint jedoch, insbesondere nach einem Blick auf einige aktuelle Darstellungen des Augustinischen bellum iustum, fraglich, warum ein spätantiker Kirchenvater für die Diskussion um einen gerechten Krieg im 21. Jahrhundert relevant sein soll.
Im Zuge der vorliegenden Arbeit werden zunächst einige Grundbegriffe der Augustinischen politischen Philosophie erarbeitet, bevor seine Aussagen zum Krieg in ihrem jeweiligen literarischen Kontext erörtert werden.
Die Augustinische Haltung zur Aufgabe und zum Potenzial von Politik ist durch die Ablehnung jeder theologischen Überhöhung von irdisch-politischen Ordnungen geprägt. Seine Bürgerschaft Gottes (civitas dei), die Protagonistin seines Hauptwerkes De Civitate Dei, könnte nie ein Gottesstaat sein. Die deutschen Übersetzungen des Titels dieses Werkes sind irreführend.
Wahre Gerechtigkeit ist nach Augustinus in keinem irdischen Staat, auch nicht in einem christlich gewordenen Römischen Reich, zu verwirklichen. Im Idealfall kann Politik gesellschaftliche Spannungen, Verbrechen und Gewalt auf einem erträglichen Niveau halten. Zu diesem Zweck erscheint auch die Anwendung von staatlicher Gewalt legitim, als Krieg etwa zur Abwehr von einfallenden „Barbaren“.
Dem jeweiligen literarischen und historischen Kontext der Augustinischen Aussagen zum Krieg ist in der Literatur bisher allzu wenig Beachtung geschenkt worden. Innerhalb des umfassenden Augustinischen Werks nehmen die Aussagen zum Krieg einen geringen Stellenwert ein. Die Vermutung, dass Augustinus nie beabsichtigte, eine Theorie des gerechten Krieges zu entwickeln, drängt sich schon anhand der geringen Anzahl der einschlägigen Textstellen auf. Dieser Eindruck wird sich im Verlauf der kontextualisierenden Analyse bestätigen.
Nach einer Analyse der Augustinischen Aussagen zum Krieg in ihrem historischen, literarischen und philosophisch-theologischen Kontext erscheinen einige Darstellungen des angeblichen Inhalts des Augustinischen bellum iustum nicht mehr haltbar. Die Augustinische Idee eines bellum iustum kann etwa kein Krieg zwischen Gut und Böse sein und lässt sich deutlich gegenüber einem „heiligen Krieg“ abgrenzen. Augustinus begründet keine Theorie eines bellum iustum. Der Begriff ist ihm in seiner traditionellen paganen Variante bekannt. Das römische bellum iustum, von seinen Anfängen als rechtlich-sakrale Institution bis zu seiner moralischen Überhöhung bei Cicero, hat vor Augustinus eine jahrhundertelange Tradition. Das bellum iustum ist die Institution zur Erfüllung einer imperialen Mission: die Errichtung und Aufrechterhaltung der pax romana. Die pax romana ist die Ideologie des Römischen Imperiums und für Augustinus das Feigenblatt für jahrhundertelanges Blutvergießen im gesamten Mittelmeerraum und darüber hinaus.
Augustinus tritt mit De Civitate Dei vor allem jenen Christen entgegen, welche bereits annehmen, sie dürften gottgewollte Kriege unter den nun christlichen Kaisern führen.
Der Augustinische nüchtern-minimalistische Ansatz hinsichtlich der unverzichtbaren Aufgaben von Staatlichkeit und die Wachsamkeit gegenüber der imperialen Redeweise zur Rechtfertigung von Militäreinsätzen können ein gewinnbringender Beitrag für die Diskussion über mögliche Herausforderungen einer künftigen Applizierung der R2P sein, nachdem die anfängliche Euphorie ihrer Befürworter bereits nach dem Libyenkrieg erheblichen Schaden genommen hat.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
St. Augustine Just War Theory Responsibility to Protect
Schlagwörter
(Deutsch)
Krieg Frieden Augustinus bellum iustum Schutzverantwortung R2P
Autor*innen
Alexander Fellinger
Haupttitel (Deutsch)
KRIEG. MACHT. FRIEDEN.
Hauptuntertitel (Deutsch)
der gerechte Krieg bei Augustinus und seine Bedeutung für den Diskurs der Responsibility to Protect
Publikationsjahr
2021
Umfangsangabe
182 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Gerhard Luf ,
Milos Vec
Klassifikation
86 Recht > 86.02 Rechtsphilosophie
AC Nummer
AC16460901
Utheses ID
59943
Studienkennzahl
UA | 783 | 101 | |