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Kurdischer Nationsbildungsprozess
Beginn und Verlauf der kurdischen Nationsbildung in der Türkei
Serdar Yilmaz
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Ernst Bruckmüller
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.788
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29047.95174.761060-3
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Wie in der vorliegenden Diplomarbeit festgestellt wurde, konnte die kurdische Gesellschaft der Türkei bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts keine eigenständigen politischen und sozialen Kompetenz bzw. Kraft entwickeln, die sie dazu befähigten, sich von der türkischen Gesellschaft abzugrenzen und zu einer eigenen Nation zu werden. Ein nationales Bewußtsein zu entwickeln oder sich gar als Mitglied einer bestimmten Nation zu sehen, ist keine Selbstverständlichkeit. Obwohl heute die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation in vielen Teilen der Welt zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, gibt es denoch viele Gesellschaften, die den Sprung zur Nationswerdung nicht geschafft haben. Es ist ein politischer Prozess, der obwohl der Wunsch eine Nation zu bilden bei gwissen Personen in der kurdischen Gesellschaft der Türkei schon lange lebendig war, nicht schon im 19. Jahrhundert sondern erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts begonnen hat. Mit der Einsetzung der Mobilität und dem Vorhandensein des nationalstaatlichen Paradigmas wurden sich viele Mitglieder der kurdischen Gesellschaft ihres Andersseins bewusst. Im liberalen Klima der 1960er Jahre begannen gewisse kurdische Intellektuelle sich gegen die Assimilierungs- und Integrierungspolitik der Türkei zu wehren und viele Intensionen zu realisieren. Vereinzelte kurdische Nationalisten, die sich lautstark über gewisse Publikationen an die türkische und kurdische Öffentlichkeit wandten, wurden im Namen der nationalen Einheit inhaftiert. In der Mitte der 1960er Jahre wurde mit Hilfe der türkischen Arbeiterpartei die Plattform DDKO gegründet. Sie rekrutierte sich vorwiegend aus Angehörige des städtisch-studentischen Milieus. Mit der zweiten Intervention der türkischen Armee 1971, wurden die türkische Arbeiterpartei und die DDKO verboten. Der Versuch die DDKO 1974 neu zu gründen, scheiterte. Es enstanden verschiedene kurdische Nationalbewegungen. Nur zwei der kurdischen Nationalbewegungen entwickelten eine Parteistruktur mit einer gewissen Anzahl von Mitgliedern. Die eine hieß PSK und die andere PKK. Während der Gründungszeit standen diese beiden Nationalbewegungen aber im Schatten der sozialliberalen Strömungen. Sie konnten keine Akzente setzen. In den 1970er Jahren waren die sozialliberalen Strömungenen als Opposition zum türkischen Staat allgegenwärtig. Mit dem dritten Militärputsch von 1980 wurden die sozialliberalen Strömungen zerschlagen und eine Desintegration der kurdischen Intellektuellen setzte ein. Mit dem Wegfall der sozialliberalen Strömungen wandten sich politisierte Kurden entweder der PSK oder der PKK zu. Diese beiden Nationalbewegungen unterscheiden sich aber in ihrer Zielsetzung. Während sich die PSK für ein evolutionäres und förderales Konzept stark macht, tritt die PKK für eine Loslösung der kurdischen Gesellschaft aus dem türkischen Nationalgefüge ein. Die PKK trat in Folge militant und terroristisch auf, um die kurdische und türkische Gesellschaft zu separieren. Bei ihrem Kampf gegen den türkischen Staat und für die Unabhängigkeit der kurdischen Gesellschaft erhielt die PKK von einigen Nachbarstaaten der Türkei finanzielle und logistische Unterstützung. Offiziere der syrischen und der griechischen Armee und des Warschauer-Paktes bildeten die militant gesinnten PKK-Angehörigen in Guerilla- und Terrorkriegsführung aus. Der Kampf der PKK begann 1984 und dauert bis zum heutigen Tag an. Obwohl weder die PSK noch die PKK ihre Ziele erreicht haben, existiert in der kurdischen Gesellschaft ein wachsendes Nationalbewusstsein, das aber nicht nachhaltig ist. Um ein nachhaltiges Nationalbewusstsein hervorbringen und erhalten zu können, sind staatliche und pro-staatliche Einrichtungen sehr wichtig. Nur staatliche Einrichtungen können einer Gesellschaft wie der kurdischen ein nachhaltiges Nationalbewusstsein vermitteln. Die kurdische Gesellschaft widerspricht auch heute noch dem nationalstaatlichen Paradigma. Keine der kulturellen, politischen und ökonomischen Forderungen der beiden kurdischen Nationalbewegungen konnte bisher eingelöst werden, um die kurdische Gesellschaft auf die Ebene einer Nation zu heben. Der türkische Staat schreckte auch nicht vor unmenschlichen Methoden zurück, um die Bemühungen der kurdischen Nationalisten im Keim zu ersticken. Der türkische Staat betrachtet die kurdische Gesellschaft als einen Bestandteil der türkischen Nation und die Nation ist als solche unteilbar. Mit der Weigerung der politisch herrschenden Klasse in der Türkei, die kurdische Gesellschaft als eine eigenständige Nation zu betrachten, bricht im kurdischen Nationsbildungsprozess die innerkurdische Ethnizität, die schon als überwunden gedachte war, wieder auf. Einzelne Gruppen, wie z. B. kurdische Aleviten und Zâzâ-Sprechende brechen aus der kurdischen Nationsbildung heraus und betrachten sich nicht mehr als Kurden sondern wenden sich ihrer Gesellschaft zu und versuchen ihre Gesellschaft auf die Ebene einer Nation zu heben. Mit dieser Arbeit möchte ich hervorheben, dass die kurdische Nationsbildung ein junger Prozess ist, der erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts eingesetzt hat.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
Kurds Kurdistan Kurdish society Turkish Republic Kurdistan Workers' Party Sheikh Said Ottoman Empire assimilation integration depth communication social communication Öcalan origin national movements Kemalism terror military Eastern Anatolia Northern Iraq
Schlagwörter
(Deutsch)
Kurden Kurdistan kurdische Gesellschaft türkische Republik Kurdische Arbeiter Partei Scheich Said Osmanische Reich Assimilation Integration vertiefende Kommunikation soziale Beziehungen Öcalan Abstammung Nationalbewegungen Kemalismus Terror Militär Ostanatolien Nordirak
Autor*innen
Serdar Yilmaz
Haupttitel (Deutsch)
Kurdischer Nationsbildungsprozess
Hauptuntertitel (Deutsch)
Beginn und Verlauf der kurdischen Nationsbildung in der Türkei
Paralleltitel (Englisch)
Process of Kurdish nation-building
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
249 S. : graph. Darst., Kt.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Ernst Bruckmüller
Klassifikation
15 Geschichte > 15.68 Türkei
AC Nummer
AC06805662
Utheses ID
600
Studienkennzahl
UA | 312 | 296 | |
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