Detailansicht
Der Leib in Gesten
zur wissenschaftlichen Erforschung von Leiblichkeit mit theatralen Verfahrensweisen
Melina Marcher
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Theater-, Film- und Medienwissenschaft
Betreuer*in
Brigitte Marschall
DOI
10.25365/thesis.70541
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-11222.37700.933422-0
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Leiblichkeit ist die Grundlage der menschlichen Wahrnehmung. Wegen ihrer Subjektivität und Vorsprachlichkeit wird sie jedoch kaum wissenschaftlich untersucht. Die vorliegende Arbeit folgt der These, dass die wissenschaftliche Erforschung von Leiblichkeit unter Einsatz theatraler Praktiken möglich ist und überprüft dies sowohl theoretisch als auch praktisch anhand einer Untersuchung der kollektiven, leiblichen Disposition nach dem 1. Covid-19-Lockdown mit einer Gruppe von acht Mit-Forscher*innen (im Alter von 20-40 Jahren) in Wien.
Die Autorin stellt dazu eine eigens entwickelte Methodik vor, die sich auf die Arbeit mit Körpergesten stützt. Gesten sind leiblicher Ausdruck und körperliches Symbol zugleich und ermöglichen daher, Leiblichkeit sichtbar, dokumentierbar, zitierbar und analysierbar zu machen und so die Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens zu erfüllen. Zur Überprüfung der Wissenschaftlichkeit orientiert sich die Autorin an den wissenschaftlichen Idealen nach Tetens. Die angewandte Methodik gründet sich auf Rauhs aisthetischer Feldforschung, dem Situationistischen Dérive, Boals Bildertheater, Übungen zur sinnlichen Wahrnehmung nach Stanislawski und dessen Schüler*innen sowie Übungen des Improvisations- und Tanztheaters. Die Analyse fußt terminologisch vor allem auf Schmitz‘ Alphabet der Leiblichkeit sowie Labans Antriebslehre und kombiniert Ansätze aus Sozialforschung und Theaterwissenschaft.
Die methodischen Bestandteile wurden anhand der konkreten Untersuchung entwickelt, getestet und reflektiert. Dafür wurden Experimente im privaten und öffentlichen Raum durchgeführt und die beobachteten Körpergesten analysiert. Dabei zeigte sich, dass im Mai 2020 die Reizempfänglichkeit gestiegen war, die Zuwendbarkeit des Antriebs jedoch reduziert. Bestehende Tendenzen zu geringerer Reizempfänglichkeit im Innenraum bzw. gesteigerter im Freien wurden verstärkt. Untersuchungen mit Mund-Nasen-Schutz zeigten die Doppelung von Berührungsverbot und -begehren sowie eine Vermischung der leiblichen und symbolischen Wirkung des Mund-Nasen-Schutzes. Bis November 2020 waren die beobachteten Entwicklungen wieder rückläufig.
In dieser Arbeit wird erstmals eine Methodik zur gezielten, wissenschaftlichen Untersuchung von Leiblichkeit vorgestellt und die Möglichkeit der wissenschaftlichen Arbeit mit theatralen Praktiken theoretisch fundiert, mit dem Anspruch, Leiblichkeit sichtbar und sprachlich reflektierbar zu machen.
Abstract
(Englisch)
The experienced body (‘Leib’) is the source of all human perception, yet hardly ever subject to scientific research. This paper is based on the assumption, that the scientific study of the Leib is possible through application of theatre methods. The paper argues theoretically first and subsequently verifies its argument through a series of experiments to determine the bodily disposition of a group of eight co-scientists after the first Covid-19-related lockdown in Vienna, Austria in 2020.
The author proposes a newly developed method, grounding on the use of gestures. As gestures provide subjective expressions and intersubjectively readable symbols, they can be used to make the experience of the body (‘Leiblichkeit’) visible. They therefore facilitate documentation, quotation and analysis and thereby allow working in line with the criteria of scientific research. The scientific nature of the applied methods is measured against Holm Tetens’ ideals of science. These methods derive from Andreas Rauh’s aesthetic field research, the Situationistic Dérive, Augusto Boal’s Image Theatre, exercises in sense perception and memory from Stanislavsky and his students as well as exercises from Improv and dance theatre. The used terminology for the analysis stems from Hermann Schmitz’ Neophenomenology as well as Rudolf Laban’s concept of ‘effort’.
The different components of the method were developed, tested and reflected within a series of experiments succeeding the first Covid-19-Lockdown in Austria (March-May 2020). The experiments took place both in private and public spaces and the created and observed body gestures were thoroughly analysed. In conclusion they showed increased sensitivity, but decreased reactivity in May 2020. Existing tendencies of reduced sensitivity indoors and increased sensitivity outdoors had apparently been reinforced. Experiments with protective face masks showed simultaneously a longing for and a fear of human closeness and touch, as well as a blending of symbolic and bodily effects of the masks. In the following period until November 2020 a general decline of these developments was observed.
This paper is the first to propose a method for the scientific study of ‘Leiblichkeit’ and the scientific use of theatre methods, in order to make Leiblichkeit visible and verbally describable.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
Gesture body gesture phenomenology artistic research theatre methods image theatre scientific work effort impulse
Schlagwörter
(Deutsch)
Geste Körpergeste Leib Neophänomenologie künstlerische Forschung theatrale Praktiken theatrale Verfahrensweisen Bildertheater wissenschaftliches Arbeiten Antrieb Impuls
Autor*innen
Melina Marcher
Haupttitel (Deutsch)
Der Leib in Gesten
Hauptuntertitel (Deutsch)
zur wissenschaftlichen Erforschung von Leiblichkeit mit theatralen Verfahrensweisen
Publikationsjahr
2021
Umfangsangabe
179 Seiten : Illustrationen
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Brigitte Marschall
Klassifikationen
08 Philosophie > 08.41 Ästhetik ,
10 Geisteswissenschaften allgemein > 10.03 Methoden und Techniken der geisteswissenschaftlichen Forschung ,
20 Kunstwissenschaften > 20.05 Kunst in Beziehung zu anderen Wissenschaftsgebieten ,
24 Theater > 24.03 Theorie und Ästhetik des Theaters ,
70 Sozialwissenschaften allgemein > 70.99 Sozialwissenschaften allgemein: Sonstiges
AC Nummer
AC16488307
Utheses ID
60706
Studienkennzahl
UA | 066 | 583 | |