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Kosovo/Kosova in der albanisch-serbischen und der internationalen Auseinandersetzung
Wieland Schneider
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Arnold Suppan
DOI
10.25365/thesis.822
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29301.87191.148870-8
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Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo am 17. Februar 2008 und die Anerkennung des neuen Staates durch die USA und die wichtigsten EU-Staaten markieren nicht nur das vorläufig letzte Kapitel im Zerfallsprozess des ehemaligen Jugoslawien. Sie sind auch ein Sieg in einem serbisch-albanischen Territorialkonflikt, dessen Anfänge bis ins späte 19. Jahrhundert zurückreichen. Seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts klagten serbische Intellektuelle offen über eine angebliche Benachteilung der Serben in Jugoslawien. Sie kritisierten vor allem die Verfassung von 1974, die der autonomen Provinz Kosovo weitgehende Kompetenzen einräumte. Aus Sicht der serbisch-nationalistischen Intellektuellen missbrauchten die Kosovo-Albaner ihre Autonomie zur Unterdrückung der Kosovo-Serben. Dieser Vorwurf verstärkte sich vor allem nach den Unruhen im Kosovo 1981. Serbische Medien starteten eine antialbanische Kampagne und berichteten massiv über angebliche albanische Gräueltaten an Kosovo-Serben. Mit dieser „Entmenschlichung“ der Kosovo-Albaner bereiteten serbische Intellektuelle und Journalisten bereits Jahre vor der Machtübernahme von Slobodan Milošević den Boden für ein hartes Vorgehen gegen die Albaner auf.
Nachdem Milošević 1989/90 wieder die volle Kontrolle Belgrads über den Kosovo hergestellt hatte, begannen die Kosovo-Albaner ihren Widerstand zu organisieren. Zwar gab es auch bereits 1989 einen Flügel unter den Albanern, der für einen bewaffneten Widerstand plädierte. Schließlich setzte sich aber die Fraktion um Ibrahim Rugova durch, die den Weg des nicht-militärischen Widerstands wählte. Man wählte diese Form des Widerstands, da man einerseits der Welt beweisen wollte, dass das Bild vom „gewalttätigen Albaner“ nicht stimme. Anderseits wollte man dem Regime in Belgrad keinen Vorwand für ein noch massiveres Vorgehen bieten. Neben Protestaktionen setzten die Kosovo-Albaner auf legistische Maßnahmen wie die Verabschiedung einer Verfassung und die Bildung eines „Schattenstaates“. Diese Maßnahmen sollten Belgrad und dem Ausland demonstrieren, dass ein eigener Kosovo-Staat bereits Realität sei und nur noch der internationalen Anerkennung harre. Neben den politischen Institutionen des „Schattenstaates“ errichteten die Kosovo-Albaner Parallelstrukturen, die ein Funktionieren der albanischen Gesellschaft außerhalb der staatlichen serbischen Strukturen garantieren sollten.
Nach dem Friedensschluss von Dayton 1995 hofierte der Westen Serbiens Machthaber Milošević als Garanten des neuen Friedens in Bosnien-Herzegowina. Um eine Lösung des Kosovo-Problems wollte man sich weiterhin nicht kümmern. Die Kosovo-Albaner waren schockiert. Nun erhielten jüngere, radikalere Kräfte Auftrieb, die Untergrundarmee UÇK startete ihren militärischen Kampf. Ab 1998 begannen die serbischen Einheiten immer heftiger zurückzuschlagen, die Lage eskalierte. Als die internationalen Vermittlungsbemühungen einsetzten, war der Konflikt bereits in ein Stadium getreten, in dem eine rasche, friedliche Lösung kaum noch möglich war. Da Belgrad dem Vertrag von Rambouillet nicht zustimmte, machte die Nato schließlich ihre Drohung wahr und startete Luftangriffe gegen Jugoslawien. Milošević hatte offenbar gehofft, die Nato-Angriffe aussitzen und in der Zwischenzeit durch Massenvertreibungen den albanischen Faktor im Kosovo langfristig zugunsten des serbischen Faktors schwächen zu können.
Doch das militärische Eingreifen der Nato war eine Zäsur: Nun erhielten die Albaner die Oberhand im Kosovo, die serbischen Einheiten und zehntausende serbische Zivilisten mussten die Provinz verlassen. Milošević hatte damit bereits 1999 den Kosovo de facto für Serbien verloren. Die Kosovo-Albaner waren ihrem Ziel nach einem eigenen Staat ein großes Stück nähergerückt. In der Folge manifestierte sich ihr Wunsch nach Unabhängigkeit nicht nur in Opposition zu Belgrad und den Kosovo-Serben, sondern auch zur internationalen Präsenz im Kosovo. Vor allem die UN-Zivilmission Unmik wurde als Hindernis auf dem Weg zur vollen Eigenständigkeit gesehen. International wurde nämlich die Entscheidung über den künftigen Status des Kosovo hinausgezögert. Nach dem Regimewechsel in Belgrad tat der Westen alles, um eine Schwächung der neuen, demokratischen Führung zu vermeiden. Eine Unabhängigkeit des Kosovo erschien dabei kontraproduktiv.
Im Kosovo wuchs schließlich die Ungeduld, und im März 2004 setzten albanische Nationalisten erneut auf Gewalt, um internationale Aufmerksamkeit zu erhalten. In den USA und in Westeuropa gelangte man nun zu der Ansicht, dass der Status Quo im Kosovo nicht beibehalten werden könne. Ein nächster Schritt konnte deshalb nur ein Mehr an Eigenständigkeit für die Kosovo-Albaner bedeuten. Vor allem die USA und Großbritannien traten für eine eingeschränkte beziehungsweise überwachte Unabhängigkeit des Kosovo ein. Bei den Verhandlungen über die Zukunft des Kosovo, die Ende 2005 beziehungsweise Anfang 2006 starteten, ging es denn auch vor allem um die Zukunft der Serben in einem – unabhängigen – Kosovo. Belgrad war jedoch nicht bereit, einer Souveränität des Kosovo zuzustimmen. Im Laufe der Verhandlungen zementierten sich beide Seiten immer mehr ein, da beide mächtige Verbündete hinter sich wussten: Den Albanern war klar, dass sich die USA und Teile der EU bereits für eine „überwachte Unabhängigkeit“ des Kosovo entschieden hatten. Die Serben konnten darauf vertrauen, dass Russland eine solche Lösung im UN-Sicherheitsrat blockieren würde. Westliche Diplomaten waren ursprünglich davon ausgegangen, dass auch Moskau einer Eigenstaatlichkeit des Kosovo zustimmen würde. Das erwies sich jedoch als Fehlkalkulation. Als UN-Vermittler Martti Ahitsaari 2007 eine „überwachte Unabhängigkeit“ für den Kosovo vorschlug, war klar: Eine Zustimmung durch den UN-Sicherheitsrat werde es dafür nicht geben.
Das macht den Sieg der albanischen Seite in der serbisch-albanischen Auseinandersetzung um den Kosovo nur zu einem Teilsieg. Eine UN-Mitgliedschaft des Kosovo scheint auch Mitte 2008 weiterhin nicht in Sicht. Dazu kommt, dass sich der serbische Nordteil des Kosovo bereits de facto von dem neuen Staat abgespalten hat.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Kosovo Serbien Jugoslawien
Autor*innen
Wieland Schneider
Haupttitel (Deutsch)
Kosovo/Kosova in der albanisch-serbischen und der internationalen Auseinandersetzung
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
208 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Arnold Suppan
Klassifikation
15 Geschichte > 15.70 Balkanstaaten
AC Nummer
AC06951751
Utheses ID
624
Studienkennzahl
UA | 313 | 456 | |