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Klima als ordnungsstrukturierendes und soziales Element in Adalbert Stifters Novellen "Bergkristall" und "Kazensilber" und in "Winterbriefen aus Kirchschlag"
Carina Hinterdorfer
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Deutsche Philologie
Betreuer*in
Eva Horn
DOI
10.25365/thesis.71538
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29579.31930.289590-2
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Klimaverständnis in den beiden Novellen Bergkristall (1853) und Kazensilber (1853) des österreichischen Schriftstellers Adalbert Stifter (1805-1868) und den nicht-fiktionalen Winterbriefen aus Kirchschlag (1866). Dabei werden Literatur und Wissenschaft nach Borgards und Neumeyer als komplementäre Wissenssysteme verstanden. Dafür wird in einem ersten, wissenshistorischen Teil auf die Entwicklung der Klimaforschung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Habsburgermonarchie eingegangen. Auf der Oberfläche wirken die Klima- und Landschaftsbeschreibungen Stifters eng verhaftet im älteren Klimaverständnis, das wie bei Johann Gottfried Herder (1744-1803) – eine wichtige Einflussquelle für Stifter – noch mehr örtlich gedacht ist. Und tatsächlich geht es weniger um globale klimatische Zusammenhänge und deren Auswirkungen auf das lokale Klima, das das Thema der neu entwickelten dynamischen Klimatologie war, als vielmehr um die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt. Unterzieht man diese Texte aber einer philologischen Analyse, die den neueren Klimabegriff als das Durchschnittswetter an einem bestimmten Ort – so wie Julius Hann (1839-1921), der Begründer der modernen Meteorologie Klima 1883 definiert hat – zur Grundlage hat, so können Versatzstücke daraus bereits in den beiden Novellen aus dem mittleren Werk Stifters festgestellt werden. Klima wird nicht nur exzessiv beobachtet, wie in der Praxis durch das neu aufgebaute und ständig erweiterte Beobachtungsnetzwerk der Habsburgermonarchie, sondern auch als ein Mittelwert beschrieben. Dies manifestiert sich vor allem darin, dass Klima als eine immer wiederkehrende Kette von Naturabläufen dargestellt wird, vor allem in Form der Beschreibung der Zyklizität der Jahreszeiten. Dahinter wird das sogenannte sanfte Gesetz verantwortlich gemacht, welches diese vorfindbare Ordnung hervorbringen würde und welche der Mensch durch exzessives Beobachten aus-machen könne. Dieses Beobachten kann jedoch nicht immer Einblicke in die Naturgesetze geben und somit vor Naturgefahren schützen. Dies kann als Kritik an der neuen Praxis der Naturwissenschaften, so wie sie in der empirischen Klimaforschung angewendet werden, gelesen werden. Vor allem die Winterbriefe aus Kirchschlag (1866), die als Abschluss in die Analyse miteinbezogen werden, zeigen, inwiefern Klima den Menschen sowohl physisch als auch psychisch beeinflusst. Beobachten allein führt nicht zu umfassender Naturerkenntnis, da einerseits der selektive Blick Abweichungen von der Norm zugunsten eines harmonischen Ordnungsgefüges ausblendet, andererseits, weil das Gefühl, wie es ist, in einem bestimmten Klima zu sein, dabei verloren geht. Stifter kritisiert dabei das Natur-Beobachten mithilfe des Intellekts, und stellt gleichzeitig die Vorzüge eines kindlichen, unvoreingenommen Beobachtens dar. Dabei wird nicht nur deutlich, inwiefern Klima etwas Konstruiertes ist, sondern auch, dass Klima immer erzählt – also durch Zusammenhänge hergestellt – werden muss. So wird in dieser Arbeit nicht nur aufgezeigt, wie sich Klima in den behandelten Texten Stifters manifestiert, sondern auch über Klima als soziales und anthropogenes Produkt und die Rolle der Literatur in diesem Prozess reflektiert.
Abstract
(Englisch)
This thesis deals with conceptions of climate in the two novellas Bergkristall (1853) and Ka-zensilber (1853) and the non-fictional text Winterbriefe aus Kirchschlag (1866) of the Austrian writer Adalbert Stifter (1805-1868). Therefore literature and science are seen as complementary knowledge systems after Borgards and Neumeyer. The first part of the study deals with the development of climatology in the middle of the 19th century in Habsburg monarchy. On the surface the descriptions of climate and landscape in Stifters prose seem closely attached to an older understanding of climate, which is primarly thought as a local phenomenon – as does Johann Gottfried Herder (1744-1803), who had an important impact on Stifters thin-king. And really the novellas are less about global climatic relations and their effects on local climate, which was the focus of the newly developed dynamic climatology, than about the relationship between humans and their environment. But when analyising those texts philologically with the newly emerging conception of climate as the average weather in a certain location – as the founder of modern Meteorology Julius Hann (1839-1921) did so in 1883 – then snippets of that can already be found in those two novellas of the middle work period of Stifter. Climate is not only deeply observed, like in the newly developed and continuously expanded observing network in Habsburg monarchy, but also described as an average value. This is mainly present as climate is described as a recurring chain of natural cycles, especially in form of the cyclicity of the natural seasons. The sanfte Gesetz is seen as the causality of it, which brings forth the visible order and which the human beings can understand with the help of excessive observing. But this watching can not always give insight in natural laws and protect from natural disasters. This can be read as a critical view on the new practices of natural sciences, as performed in the empirical climatology. Particularly the Winterbriefe aus Kirch-schlag (1866), which are analysed in the end of the study, show how climate influences hu-mans in their physical and mental state. On the one hand, observing alone does not lead to a comprehensive understanding of natural laws, because the selective view masks deviations form a norm in favour of a harmonious conception of order. On the other hand, the feeling of how it is to be in a certain climate, will be gone. Stifter criticizes the way of viewing nature only with intellectual eyes, and points out the amenities of seeing it unprejudiced like a child. In doing so climate can not only be seen as something constructed, but also as something that has to be narrated by correlations. This paper does not only show how climate is perceived in the treated texts of Stifter, but also reflects about climate as a social and anthropogene product and the role of literature in this process.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Adalbert Stifter Klima Bergkristall Kazensilber Winterbriefe aus Kirchschlag
Autor*innen
Carina Hinterdorfer
Haupttitel (Deutsch)
Klima als ordnungsstrukturierendes und soziales Element in Adalbert Stifters Novellen "Bergkristall" und "Kazensilber" und in "Winterbriefen aus Kirchschlag"
Publikationsjahr
2022
Umfangsangabe
115 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Eva Horn
Klassifikationen
AC Nummer
AC16566129
Utheses ID
62737
Studienkennzahl
UA | 066 | 817 | |