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It's still like a border, you know?
Grenznarrative von Asylwerber:innen in Österreich : kritisch-soziolinguistische Analysen
Sabine Lehner
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Dr.-Studium der Philosophie (Dissertationsgebiet: Sprachwissenschaft)
Betreuer*innen
Jürgen Spitzmüller ,
Ruth Wodak
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.72285
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29025.84192.334911-5
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Ausgehend von der politischen und medialen Fokussierung auf fluchtbezogene Themen und der Einführung restriktiver Grenzmaßnahmen in den Jahren 2015/2016 beschäftigt sich diese Dissertation mit Grenznarrativen von Asylwerber:innen in Österreich. Es werden die Fragen behandelt, was Geflüchtete während ihrer Flucht und in ihrem Alltag in Österreich als ‚Grenze‘ erfahren und wie sie sich diesen Erfahrungen gegenüber positionieren. Die kritisch-ethnographische Arbeit kombiniert Erkenntnisse der fluchtbezogenen Grenzforschung mit soziolinguistischen Ansätzen. Ein dynamischer und prozessorientierter Grenzbegriff bietet die theoretisch-konzeptionelle Basis für die Untersuchung multipler räumlicher und soziosymbolischer Grenzprozesse. Methodisch verbindet die Arbeit mehrere Zugänge: Mittels teilnehmender Beobachtung in einer Grundversorgungseinrichtung in Wien geht die Arbeit dem Unterkunftsalltag und Handlungsmöglichkeiten der Bewohner:innen nach. In Fotobefragungen und semistrukturierten Interviews geben Bewohner:innen und weitere Personen mit Fluchterfahrung Auskunft zu wichtigen Orten in ihrem Alltag, ihrer aktuellen Situation, ihren Wohnumständen und ihrem (Flucht-)Weg nach Österreich. In weiteren semistrukturellen Interviews wurden Mitarbeiter:innen der Unterkunft nach ihrer Wahrnehmung des Lebens in der Unterkunft gefragt. Bei der Analyse der Interviews kommen positionierungstheoretische Ansätze zur Anwendung, mit denen herausgearbeitet werden kann, wie sich Interviewpartner:innen gegenüber dem Erzählten, dominanten Diskursen, verschiedenen Personen, der Interviewsituation und Forscherin verorten. In der Analyse wird ferner berücksichtigt, wie in den Forschungsinterviews Grenz- und Fluchterfahrungen elizitiert werden und inwiefern auf Grenzen sprachlich Bezug genommen wird. Die Arbeit zeichnet das Spannungsfeld, dem Bewohner:innen und Sozialarbeiter:innen angesichts der restriktiven Asylpolitik, der Einschnitte in der sozialstaatlichen Versorgung und der paradoxen gesellschaftlichen Diskurse ausgesetzt sind, nach. Es wird gezeigt, wie sich die Interviewpartner:innen diesen Diskursen gegenüber positionieren, unterwerfen, aber auch Coping- und Gegenstrategien entwickeln. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass in der Darstellung der Flucht Grenzen zwar selten explizit erwähnt werden, dass aber gleichwohl Grenzregime dort sehr deutlich – etwa in der charakteristischen Abwechslung von physischer Mobilität und erzwungener Immobilität, die die Narrative prägt – hervortreten. Diese Regime erstrecken sich, wie die Analyse zeigt, weit in das Leben von Asylwerber:innen in Österreich hinein und manifestieren sich z.B. in multiplen Handlungsbegrenzungen und (Selbst-)Positionierungen in den Forschungsinterviews. Diese Dissertation bietet nicht nur Einblicke in die subjektive Bedeutung von Grenzerfahrungen und unsicheren Lebenslagen von Asylwerber:innen, sondern verdeutlicht auch, wie sich die andauernde Ungewissheit in den Interviews, z.B. im Sprechen über die Gegenwart und vergangene Erfahrungen niederschlägt. Angesichts des Forschungssettings der Arbeit, das von Prekarität, multiplen Grenzziehungen und Ungleichheiten (bspw. zwischen Forschender und Informant:innen) geprägt ist, nimmt die Arbeit auch einen dezidiert reflexiven Blick ein und plädiert für – potentiell unbequeme – kritische Auseinandersetzungen mit der eigenen Positionalität sowie Involviertheit als Forscher:in und der Situiertheit von Interviewdaten.
Abstract
(Englisch)
Given the political and media focus on refugee-related issues and the introduction of restrictive border measures in 2015/2016, this thesis deals with border and boundary narratives of asylum seekers in Austria. The study investigates what asylum seekers perceive as borders/boundaries during their flight and their current situation in Austria, and how they position themselves towards these experiences. This critical-ethnographic work integrates theories and findings from border and boundary research with sociolinguistic approaches. A dynamic and process-oriented notion of borders and boundaries provides the theoretical and conceptual basis for the investigation of multiple objective and subjectively perceived borders and boundaries. The study combines several methods: Based on a participant observation in a basic care facility for asylum seekers in Vienna, the residents’ living conditions and possibilities for action were investigated. In photo interviews and semi-structured interviews, residents and other (former) asylum seekers were asked about important spaces/places in their everyday life, their current situation, their living conditions, and their trajectory to Austria. Employees were asked about their view on the facility. The positioning analysis focuses on how interviewees position themselves in relation to the narrated content, dominant discourses, other people, the current interview situation and the researcher. Additionally, the thesis analyses how experiences with borders/boundaries are elicited in research interviews, which further illustrates the situatedness and contingency of narratives. The study traces tensions faced by residents and social workers in view of restrictive asylum policies, cuts in welfare state provision and controversial public discourses. It is shown how actors position themselves vis-à-vis these discourses, submit to them, but also develop coping mechanisms and counterstrategies. Notably, borders are rarely explicitly mentioned in the narratives. Nonetheless, the characteristic alternation of mobility and forced immobility during the flight indicates powerful border regimes. Border regimes continue to affect asylum seekers’ lives in Austria and become manifest in multiple obstacles, boundaries and influence self images produced in research interviews. The thesis not only provides insights into the subjective meaning of border/boundary experiences and insecure living situations of asylum seekers, but also shows how the protracted uncertainty is reflected in the interviews, e.g., in the way they talk about their current situation and past experiences. Based on the research setting at hand that is characterised by precarity, multiple boundaries and inequalities (e.g., between researcher and participants), this thesis adopts a reflexive approach and pleads for a – potentially uncomfortable – critical reflection on one’s own positionality and involvement as a researcher and on the situatedness of interview data.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Grenzen Asyl kritische Soziolinguistik Positionierungstheorie Flucht Interview Grenz- und Fluchterzählungen Agency Österreich Fotobefragung
Schlagwörter
(Englisch)
borders and boundaries asylum critical sociolinguistics positioning theory escape Interview border narratives Agency Austria photo interview
Autor*innen
Sabine Lehner
Haupttitel (Deutsch)
It's still like a border, you know?
Hauptuntertitel (Deutsch)
Grenznarrative von Asylwerber:innen in Österreich : kritisch-soziolinguistische Analysen
Publikationsjahr
2022
Umfangsangabe
478 Seiten : Illustrationen
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Britta Schneider ,
Andrea Deumert
Klassifikationen
10 Geisteswissenschaften allgemein > 10.03 Methoden und Techniken der geisteswissenschaftlichen Forschung ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.03 Theorie und Methoden der Sprach- und Literaturwissenschaft ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.10 Sprache in Beziehung zu anderen Bereichen der Wissenschaft und Kultur ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.20 Soziolinguistik: Allgemeines ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.40 Angewandte Sprachwissenschaft: Allgemeines ,
70 Sozialwissenschaften allgemein > 70.00 Sozialwissenschaften allgemein: Allgemeines ,
70 Sozialwissenschaften allgemein > 70.03 Methoden, Techniken und Organisation der sozialwissenschaftlichen Forschung ,
71 Soziologie > 71.80 Sozialpolitik: Allgemeines ,
79 Sozialpädagogik > 79.18 Soziale Arbeit mit Minderheiten
AC Nummer
AC16609235
Utheses ID
63303
Studienkennzahl
UA | 792 | 327 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1