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Michael Endes "Momo" und die philosophische Frage nach dem guten Leben
literarische Narrationen als Erweiterung der philosophischen Selbstbildung
Aenna Frottier
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Lehramt Sek (AB) UF Deutsch UF Psychologie und Philosophie
Betreuer*in
Donata Romizi
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.71872
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-16844.07660.988737-4
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern literarische Narrationen in der Lage sein könnten, die philosophische Selbstbildung zu bereichern. Philosophie als Weg der Selbstbildung wird dabei als Teilbereich der Philosophie verstanden, in dem lebensbezogene philosophische Fragen im Zentrum stehen, mit denen sich Personen beschäftigen, die in philosophisch reflektierter Weise leben möchten. Die Ausgangsidee der Arbeit besteht dabei in dem Gedanken, dass literarische Texte stärker als rein theoretische philosophische Abhandlungen dazu fähig sind, intensive Affekte auszulösen. Es wird argumentiert, dass diese Affekte mit Hilfe der spinozistischen Affektenlehre analysiert und in die philosophische Selbstreflexion einbezogen werden können. Dieser Vorschlag zum Einbezug narrativer Literatur in die philosophische Selbstreflexion wird anhand einer detaillierten Auseinandersetzung mit Michael Endes Roman Momo exemplarisch erläutert. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass ein literarischer Text implizit philosophische Gedankengänge und Fragestellungen enthalten sollte, um die philosophische Selbstbildung anregen zu können. Im Fall Momos wird gezeigt, dass der Roman sich als Auseinandersetzung mit der alten philosophischen Frage nach dem guten Leben interpretieren lässt, wobei konkreter zwischen einer Antwort aus Perspektive der kapitalistischen Ideologie einerseits sowie aus einer romantisch-expressivistischen Gegenbewegung andererseits unterschieden werden kann. Mit Rahel Jaeggi und Hartmut Rosa wird argumentiert, dass sich Momo insgesamt als ethische Kapitalismuskritik lesen lässt – als Kritik an der kapitalistischen Ideologie des Zeitsparens, der Effizienz und des Leistungsdenkens, die zu einem entfremdeten, leeren, verarmten Leben führen würde. Zudem wird gezeigt, inwiefern sich die Position der grauen Herren – der Antagonisten im Roman – als liberale und kapitalistische Philosophie in der Tradition Thomas Hobbes, Adam Smiths, Robert Nozicks, Milton und Rose Friedmans sowie Jason Brennans verstehen lässt. Zentral ist dabei insbesondere der Gedanke, dass Menschen sich freiwillig für die Umstände entscheiden, in denen sie leben (indem sie beispielsweise als freie Subjekte in Verträge einsteigen) – und dass Reichtum ein erstrebenswertes Ziel ist, bei dessen Erreichen einem*r andere Aspekte des Lebens wie Freundschaft, Ehre und Liebe von selbst zufallen würden. Als weiterer Punkt folgen mit Max Weber und Jean-Paul Sartre zwei philosophische Reflexionen dazu, weshalb Menschen ein Leben gemäß der Ideologie des Zeitsparens, der Effizienz und des Leistungsstrebens wählen könnten – vor allem auch dann, wenn sie diese Werte nicht teilen. Weber argumentiert dabei für einen historischen Ursprung der kapitalistischen Ideologie im protestantischen Arbeitsethos, während sich mit Sartre argumentieren lässt, dass sich Menschen aus Angst angesichts der Erkenntnis ihrer radikalen Freiheit und der damit einhergehenden Verantwortung für das eigene Leben unreflektiert in die Ideologie des Zeitsparens flüchten. Zuletzt wird aufgezeigt, inwiefern sich das im Roman von der Protagonistin und Heldin Momo verkörperte Ideal philosophisch als Gegenentwurf zur Ideologie des Kapitalismus interpretieren lässt. Zunächst wird dabei argumentiert, dass die Arbeit in Momos Ideal einen anderen Stellenwert einnimmt als in der kapitalistischen Ideologie (mit Bezug zu Seneca, Wilhelm Schmid, Erich Fromm und Alice Lagaay). Anschließend wird auf die Zeit für Festlichkeiten im Leben Momos und ihrer Freund*innen in Gegenüberstellung zur kapitalistischen Ideologie eingegangen (mit Bezug zu Byung-Chul Han und Rudolf von Rotz). Zudem wird die Bedeutung von Gefühlen sowie die Rolle der Freundschaft in Momos Ideal reflektiert, wobei argumentiert wird, dass beide Aspekte in der kapitalistischen Ideologie zu kurz kommen (mit Bezug zu Erich Fromm und Aristoteles). Abschließend wird die Bedeutung einer ‚tieferen Wahrheit‘ für Momo untersucht – auch in ihrem Potenzial für eine Gegenbewegung zur kapitalistischen Ideologie (mit Bezug zu Corinne Frottier, Baruch de Spinoza und Dogen). Insgesamt wird gezeigt, wie bei der Lektüre Momos ausgelöste Affekte dazu beitragen können, für den eigenen Lebensweg philosophisch reflektiert zu entscheiden, welchem der beiden Ideale (der kapitalistischen Ideologie oder Momos Gegenmodell) man selbst folgen möchte beziehungsweise welches der Entfaltung der eigenen Anlagen am ehesten entspricht. Mit dieser exemplarischen Darstellung in Bezug auf Momo wird zugleich deutlich, wie der Einbezug literarischer Narrationen in die philosophische Selbstbildung generell vorstellbar ist.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Momo Michael Ende Literatur und Philosophie philosophische Selbstbildung ethische Kapitalismuskritik
Autor*innen
Aenna Frottier
Haupttitel (Deutsch)
Michael Endes "Momo" und die philosophische Frage nach dem guten Leben
Hauptuntertitel (Deutsch)
literarische Narrationen als Erweiterung der philosophischen Selbstbildung
Publikationsjahr
2022
Umfangsangabe
224 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Donata Romizi
Klassifikationen
08 Philosophie > 08.03 Grundlagen und Methoden der Philosophie ,
08 Philosophie > 08.38 Ethik ,
08 Philosophie > 08.42 Kulturphilosophie ,
08 Philosophie > 08.45 Politische Philosophie ,
10 Geisteswissenschaften allgemein > 10.03 Methoden und Techniken der geisteswissenschaftlichen Forschung ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.90 Literatur in Beziehung zu anderen Bereichen von Wissenschaft und Kultur
AC Nummer
AC16593166
Utheses ID
63666
Studienkennzahl
UA | 199 | 506 | 525 | 02
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1