Detailansicht
Kants Geschichtsphilosophie im erkenntnistheoretischen Spannungsfeld zwischen Vernunft und Empirie
Calvin Kiesel
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Philosophie
Betreuer*in
Violetta Waibel
DOI
10.25365/thesis.72816
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-31439.50262.569589-4
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Anschließend an Forschungen zur Geschichtsphilosophie Kants, welche ihn als keineswegs ahistorischen Denker herausgestellt haben, wird in der vorliegenden Arbeit mit erkenntnistheoretischer Perspektive auf das Verhältnis zwischen Empirie und reiner Vernunft eine systematische Untersuchung dieses Teils der kantischen Philosophie durchgeführt. Eine solche schwerpunktmäßig epistemologische Analyse mit Fokus auf das angesprochene Spannungsfeld ist in der bisher erschienenen Fachliteratur zur kantischen Geschichtsphilosophie kaum zu finden.
Die Frage nach dem erkenntnistheoretischen Status der zentralen Argumentationsstränge der geschichtsphilosophischen Texte Kants wird durch eine um Verstehen bemühte Rekonstruktion in Konfrontation mit den Prämissen der kritischen Erkenntnistheorie bearbeitet, wobei auch Spannungen und Zweifel hervorrufenden Elementen Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Die Untersuchung führt erstens zu dem Ergebnis, dass Kant in seiner Geschichtsphilosophie mit Bezugnahme auf anthropologische, politische und ökonomische Zusammenhänge empirische Argumente für die Annahme rechtlichen Fortschritts formuliert. Zweitens wird gezeigt, dass darin historische Entwicklungen nur im Lichte von reinen Vernunftbegriffen (in Kants Terminologie auch Ideen genannt) – vor allem der Idee eines rechtlichen Geschichtsziels – als Fortschritte evaluiert werden können. Reine Vernunft erfüllt in der Geschichtsphilosophie Funktionen der normativen Orientierung wie auch der Systematisierung des Blicks auf die Geschichte. Sowohl die empirischen Argumente als auch deren Bezug auf reine Vernunftbegriffe sind durch die kritische Erkenntnistheorie fundiert, mit Ausnahme derjenigen Stellen, an welchen Kants Formulierungen eine Prognose für die Geschichte im Ganzen nahelegen. Drittens wird der Bereich des Rechts als ein solcher präsentiert, der der Geschichte Kant zufolge nicht nur die entscheidende Zielperspektive verleiht, sondern selbst sowohl ein Prinzip der reinen Vernunft als auch deutliche Bezüge zur Empirie aufweist.
Lässt sich Kants Geschichtsphilosophie überwiegend auf erkenntnistheoretisch bescheidener Basis wie dem Konzept der regulativen Funktion reiner Vernunftbegriffen interpretieren, so kann dies auch zur Entkräftung von häufigen Kritiken an der modernen Geschichtsphilosophie insgesamt herangezogen werden, in welchen dieser Naivität, überzogene Ansprüche und ein Scheitern angesichts historischer Enttäuschungen und Katstrophen attestiert werden.
Abstract
(Englisch)
This paper examines the question about the epistemological status of the central lines of argumentation in Kant’s philosophy of history and how it bears on the relation between experience and pure reason. The established literature has already debunked the former prejudice that Kant was an ahistorical thinker. However, it has so far only rarely addressed this central question in a systematic manner.
Methodologically, I aim to apply the premises of Kant’s critical epistemology to provide a reconstructive interpretation of his philosophy of history. Moreover, I want to point out some problematic aspects concerning these two parts of Kantian philosophy.
I will start by reconstructing some of Kant’s anthropological, political and economic arguments for the view that there is historical progress and by categorising these arguments as empirical ones. Second, I argue that historical developments can only be evaluated as progress in the light of concepts of pure reason to which Kant refers to as ideas (especially the idea that refers to a legal aim in connection with history). I aim to show that both lines of thought (empirical arguments as well as references to ideas) in the philosophy of history can be epistemologically justified by Kant’s critical premises. On one hand, ideas fulfil epistemologically justifiable functions by providing normative orientation and by contributing to a systematized view of history. On the other hand, empirical arguments are the paradigm for justified reasoning in his critical epistemology. However, I also aim to show that those passages in Kant’s Work that suggest predictions concerning the whole of history possess certain problematic aspects, including a lack of epistemological foundation. Third, I interpret the Kantian concept of right as the source of the essential teleological perspective in Kant’s philosophy of history. I argue that it is epistemologically founded in a principle of pure reason but also connected to experience.
As a result of this examination, Kant’s philosophy of history can predominantly be in-terpreted based on epistemologically modest premises like the regulative function of the concepts of pure reason. This interpretation allows us to fend off common criticism by those who view modern philosophy of history as being overly naive, ambitious, or even refuted in the face of historical disappointments and catastrophes.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Immanuel Kant Geschichtsphilosophie Erkenntnistheorie reine Vernunft Empirie Ideen Recht
Schlagwörter
(Englisch)
Immanuel Kant philosophy of history epistemology pure reason experience ideas right
Autor*innen
Calvin Kiesel
Haupttitel (Deutsch)
Kants Geschichtsphilosophie im erkenntnistheoretischen Spannungsfeld zwischen Vernunft und Empirie
Paralleltitel (Englisch)
Kant's philosophy of history and the epistemological relation between reason and experience
Publikationsjahr
2022
Umfangsangabe
156 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Violetta Waibel
Klassifikationen
08 Philosophie > 08.32 Erkenntnistheorie ,
08 Philosophie > 08.43 Geschichtsphilosophie
AC Nummer
AC16711627
Utheses ID
64573
Studienkennzahl
UA | 066 | 941 | |