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Zur Sprache bringen: (sexualisierte) Gewalterfahrungen und sexueller Missbrauch im familiären Kontext in Kindheit und Jugend
eine biografieanalytische Annäherung anhand erzählter Lebensgeschichten von Frauen, die in ihrer Kindheit & Jugend von sexualisierter Gewalt betroffen waren
Michelle Terschi
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Soziologie
Betreuer*in
Anna Durnová
DOI
10.25365/thesis.74562
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-27155.73067.206015-3
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Über sexualisierte Gewalt gegen Kinder wird nicht gerne gesprochen - sie kann als ein gesellschaftlich tabuisiertes Themen- und Diskursfeld verstanden werden. Die Frauenbewegung der 1970/1980er Jahre, welche das Thema der sexualisierten Gewalt (an Frauen* und Kindern) öffentlich stark thematisierte, liegt lange zurück und auch die MeToo-Protestbewegung in den sozialen Netzwerken konnte in Österreich kaum zu einem Diskurswandel beitragen. Insbesondere das Thema sexualisierter Misshandlung von Kindern und Jugendlichen im Erziehungskontext ist immer noch von kollektiven Ausblendungen umgeben, was dafür sorgt, dass das Sprechen über eigens erlebte sexualisierte Gewaltwiderfahrnisse mit erheblichen sozialen und gesellschaftlichen Hürden verbunden bleibt. Der Prozess des „zur Sprache bringens“ von sexualisierten Gewalterfahrungen in Kindheit (und Jugend) bzw. das Thematisieren eben dieser stehen daher im Zentrum der vorliegenden Arbeit: Wie sprechen Personen, die in ihrer Kindheit (und Jugend) sexualisierte Gewalt erfahren haben über diese Erfahrungen und wie haben sie diese im Verlauf ihrer Biografie thematisiert und aus-gedrückt bzw. zur Sprache gebracht? Wie stellt sich die biografische Relevanz dieser Widerfahrnisse in den Lebenserzählungen der Biografieträger*innen dar? Für die Beantwortung dieser forschungsleitenden Fragen wurden lebensgeschichtlich narrative Interviews mit drei Frauen unterschiedlichen Alters geführt, die in ihrer Kindheit und Jugend von sexualisierte Gewalt im familiären Kontext betroffen waren. Die qualitative Annäherung an das Thema erfolgte anhand einer biografietheoretischen Herangehensweise sowie einem emotionssoziologischen, feministischen Forschungszugang. Im Rahmen der Auswertung mittels Narrationsanalyse wurden subjektive Erfahrungen tiefgehend analysiert. Hinter diesem Vorgehen steht die Annahme, dass der Prozess der individuellen Versprachlichung in einem Wechselverhältnis mit Gesellschaft sowie sozialen Verhältnissen steht. Die im Datenmaterial rekonstruierten kommunikativen Prozesse, die eine starke körperlich/leibliche Dimension aufwiesen, machten im Wie der zur Sprache gebrachten sexualisierten Gewalterfahrungen deutlich, dass das Thematisieren Können bzw. Nicht-Können dieser spezifischen Widerfahrnisse über die individuell-psychologische Ebene weit hinausgeht. Die sexualisierten Gewalterfahrungen kommen auch durch körperliche Artikulationen oder performative Praktiken, die den Körper als zentrales Ausdrucksmittel verwenden, prozesshaft zur Sprache. Sprechen zeigt sich nicht als ausschließlich phonetisches Sprechen, sondern außerdem als ein doing in einem Prozess, in dem der Körper einen performativen Charakter des Sprechens übernimmt. Mithilfe des Körpers können Dinge ausgedrückt werden, die verbal nicht zur Sprache gebracht werden können. So gesehen kann der eigenen Körper als Ausdrucksmittel für den Konflikt zwischen Sprechen und Nicht-Sprechen verstanden werden, insbesondere im Zusammenhang mit selbstschädigenden bzw. selbstverletzenden Praktiken. Soziales, Kultur und Gesellschaft kommen dabei ebenfalls mit zur Sprache. Hürden bei der Thematisierung der Gewalterfahrungen sind die Angst, dass einem (als Heranwachsende) nicht geglaubt wird, eine individualisierende Erfahrungshaltung in der eigene Gewaltwiderfahrnisse als „private“ Angelegenheit verstanden werden, aber auch fehlende Worte und Erinnerungen, die dazu nötig wären Gewalterfahrungen überhaupt erst Versprachlichen zu können. Darüber hinaus findet sich bei allen Biografieträgerinnen eine Verschränkung von unterschiedlichen Gewaltformen- und -kontexten in Kindheit und Jugend, sowie emotionale oder verbale Gewalt und Misshandlung im familiären Rahmen.
Abstract
(Englisch)
This study focuses on the topic of sexualized violence against children and adolescents, which is often considered a taboo subject and is not openly discussed. The MeToo movement, which gained traction on social media, did little to shift the conversation in Austria. The oppressive ‘nature’ of this topic has led to a collective avoidance of discussing it, making it challenging for individuals to talk about their own experiences of sexual violence. The process of “bringing up” sexualized experiences of violence in childhood (and adolescence) and the discussion of these experiences are therefore the focus of this study. The associated research questions are: How do people who experienced sexualized violence in their childhood (and adolescence) talk about these experiences and how did they address and express them in the course of their biography? How is the biographical relevance of these experiences represented in their life narratives? To answer these questions, autobiographical narrative interviews were conducted with three women of different ages who experienced sexualized violence in their childhood and youth in a family context. The qualitative approach to the topic was based on a biographical narrative as well as an emotional-sociological and feminist research approach. Subjective experiences were analyzed in depth within the framework of the evaluation by means of narrative analysis. The research is based on the idea that individual verbalization is influenced by societal and social factors. The communicative processes reconstructed in the data material showed a strong bodily dimension. Sexualized experiences of violence are therefore also expressed through bodily articulations or performative practices that use the body as a central means of expression. Which means that speaking does not show up as exclusively oral speaking, but also as a doing in a process in which the body takes on a performative character of speaking. Seen in this light, one's body can be understood as a means of expression for the conflict between speaking and not speaking, especially in the context of self-harming practices. Culture and society are also expressed in this way. The Study also addresses obstacles in discussing such experiences, including fear of not being believed, individualization of violence as a private matter, and a lack of words and memories to articulate these experiences. The research finds that there is an interplay between different forms and contexts of violence in childhood and adolescence, as well as emotional or verbal abuse within families.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Biografie Leiblichkeit Körpersoziologie Narrationsanalyse Emotionssoziologie sexualisierte Gewalt Biografietheorie sexualisierte Gewalterfahrungen in der Kindheit Familie als Tatkontext Körper
Autor*innen
Michelle Terschi
Haupttitel (Deutsch)
Zur Sprache bringen: (sexualisierte) Gewalterfahrungen und sexueller Missbrauch im familiären Kontext in Kindheit und Jugend
Hauptuntertitel (Deutsch)
eine biografieanalytische Annäherung anhand erzählter Lebensgeschichten von Frauen, die in ihrer Kindheit & Jugend von sexualisierter Gewalt betroffen waren
Publikationsjahr
2023
Umfangsangabe
201 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Anna Durnová
AC Nummer
AC16975907
Utheses ID
68159
Studienkennzahl
UA | 066 | 905 | |