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Paradigma in der Theologie
Untersuchungen zu einem umstrittenen Begriff
Ante Svirać
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Katholisch-Theologische Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Doktoratsstudium der Katholischen Theologie Katholische Fachtheologie
Betreuer*in
Kurt Appel
DOI
10.25365/thesis.76574
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-17178.92779.789165-3
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Diese Dissertation ist ein Versuch, die Frage über Paradigma, einen umstrittenen Begriff in der Theologie, zu beantworten. Der Begriff des Paradigmas im Kontext der Wissenschaftstheorie wurde von Thomas Kuhn eingeführt und seit der Veröffentlichung seines Hauptwerkes „The structure of scientific revolutions“ ist der Begriff des Paradigmas ubiquitär geworden. Nicht nur in die Wissenschaft, sondern auch in den Alltag hat sich dieser Begriff verortet. Die Problematik des Begriffs zeigt sich in seiner Unbestimmtheit. Aus diesem Grund war es notwendig, noch einmal zu untersuchen, was Thomas Kuhn mit der Verwendung des Begriffs Paradigma bezweckte und warum sich gerade der Begriff Paradigma für seine Wissenschaftstheorie als nützlich erwies. Es stellte sich heraus, dass auch bei Thomas Kuhn der Begriff des Paradigmas recht vage ist, obwohl er versuchte, die Bedeutungen des Begriffs auf zwei zu reduzieren: Paradigma als Exemplar und Paradigma als Disziplinarmatrix. Trotz des Versuchs, den Begriff in zwei Ebenen zu trennen: Da für Thomas Kuhn das Exemplar Teil der Disziplinarmatrix ist, betonte die weitere Rezeption des Begriffs im Allgemeinen das Paradigma als Disziplinarmatrix oder Weltanschauung. Dies führte zu einem einseitigen Verständnis des Begriffs selbst, der eigentlich, wie einige Autoren bemerkt haben, aus einem anderen Grund interessant und fruchtbar ist. Der Paradigmenbegriff half Kuhn nämlich dabei zu zeigen, wie die Wissenschaft in ihren Anfängen und nach großen Veränderungen, also wissenschaftlichen Revolutionen, funktioniert. Das Konzept eines Paradigmas als Exemplar ist von anderer Natur als das Paradigma als Disziplinarmatrix, da die Art und Weise, wie ein Wissenschaftler arbeitet, grundlegend anders ist. Das Paradigma als Exemplar ist die Quelle von Ähnlichkeitsrelationen und das auf implizite Weise, ohne dass es einer Rationalisierung bedarf, während die Disziplinarmatrix die explizite Form all jener für die Wissenschaft wesentlichen Dinge ist, also metaphysischer und methodologischer Bindungen. Wenn man diesen Unterschied zwischen Exemplar und Disziplinarmatrix berücksichtigt, wird deutlich, dass es eine gewisse Entwicklung zwischen dem Paradigma als Exemplar, dem Haupttreiber wissenschaftlicher Erkenntnisse und Konsensquelle unter Wissenschaftlern, und entwickelten wissenschaftlichen Traditionen gibt, d.h. Disziplinarmatrix. Die Einseitigkeit der Interpretation bzw. der Betonung des Paradigmas in seiner entwickelten und expliziten Bedeutung als Disziplinarmatrix ist auch in der Rezeption des Begriffs in der Theologie präsent. Am Beispiel von Theologen, die sich direkt mit dem Paradigmenbegriff auseinandersetzten, wurde gezeigt, dass der Schwerpunkt meist auf der entwickelten paradigmatischen Theorie liegt und nicht auf der Bedeutung des Paradigmas als Exemplar. Bestimmte Elemente, die das Paradigma als Exemplar schätzen, etwa bei Ian Barbour und Dirk-Martin Grube, sind Indikatoren dafür, dass Paradigma auch in der Theologie anders verstanden werden kann. Häufige Vergleiche zwischen Thomas Kuhn und Michel Foucault führten uns zum Denken von Foucaults Schüler, Giorgio Agamben, der sich in besonderer Weise mit dem Begriff des Paradigmas auseinandersetzte. Als Paradigmen bezeichnete der italienische Philosoph die Figuren, die er in seinen philosophischen Analysen verwendete. Seine Selbstreflexion über die Methode war nützlich für eine zusätzliche philosophische Artikulation der Bedeutung des Begriffs des Paradigmas als Exemplars oder Beispiel. In seinem Sinne ist die Logik des Paradigmas ein Beispiel für den dritten Weg zwischen Deduktion und Induktion. Agambens Paradigmenbegriff bleibt der Konkretheit treu, die Thomas Kuhn seinem Paradigmenbegriff beimaß. Basierend auf der Analyse des Paradigmenbegriffs durch Thomas Kuhn und Giorgio Agamben, motiviert durch die bisherige Einseitigkeit der Rezeption des Begriffs in der Theologie, wurde in dieser Dissertation versucht, die Frage zu beantworten, was in der Theologie als Paradigmenbegriff verstanden werden kann. Die These dieser Arbeit lässt sich in folgender Aussage zusammenfassen: Jesus Christus ist das Paradigma der christlichen Theologie. Dieses konkrete historische Ereignis, sein Leben, sein Tod und seine Auferstehung sind grundlegend für die Theologie. Auch wenn dies auf den ersten Blick selbstverständlich erscheint, ist es das im erkenntnistheoretischen Sinne nicht. Der Paradigmenbegriff ermöglicht die Formulierung der epistemologischen Zentralität der Person Jesu Christi für die christliche Theologie. Es ermöglicht auch ein Verständnis verschiedener theologischer Schulen in der Geschichte der Theologie oder verschiedener theologischer Richtungen in der heutigen pluralistischen Theologie, die als Paradigmen im Sinne von Disziplinarmatrix verstanden werden können, aber abhängig sind von dem Exemplar Jesu Christi. Die erkenntnistheoretische Grundlage der Theologie als paradigmenbasierte Wissenschaft ist die Person Jesu Christi, er ist das universale Konkretum, das die Entstehung unterschiedlicher theologischer Traditionen ermöglicht. Dies erlaubt nicht zuletzt, Kontinuität und Diskontinuität in der Theologie gleichzeitig zu bekräftigen.
Abstract
(Englisch)
This dissertation is an attempt to answer the question about paradigm, a controver-sial term in theology. The concept of paradigm in the context of scientific theory was introduced by Thomas Kuhn and since the publication of his main work “The structure of scientific revolutions” the concept of paradigm has become ubiquitous. This term has found its place not only in science, but also in everyday life. The problem with the term is evident in its vagueness. For this reason, it was necessary to reexamine what Thomas Kuhn intended by using the term paradigm and why the term paradigm in particular proved to be useful for his philosophy of science. It turned out that Thomas Kuhn's concept of paradigm is also quite vague, although he tried to reduce the meaning of the term to two: paradigm as an exemplar and paradigm as a disciplinary matrix. Despite the attempt to separate the term into two levels, since for Thomas Kuhn the exemplar is part of the disciplinary matrix, further recep-tion of the term generally emphasized the paradigm as a disciplinary matrix or worldview. This led to a one-sided understanding of the term itself, which is, as some authors have noted, interesting and fruitful for a different reason. The concept of paradigm helped Kuhn to show how science works in its beginnings and after major changes, i.e. revolutions in science. The concept of a paradigm as an exemplar is of a different nature than the paradigm as a disciplinary matrix because the way a scientist works is fundamentally different. The paradigm as an example is the source of similarity relations and does so in an implicit way, without the need for rationalization, while the disciplinary matrix is the explicit form of all those things essential to science, i.e. metaphysical and methodological commitments. Considering this difference between exemplar and disciplinary matrix, it becomes clear that there is some evolution between the paradigm as exemplar, the main driver of scientific knowledge and source of consensus among scientists, and developed scientific traditions, i.e. disciplinary matrix. The one-sidedness of the interpretation or emphasis on the paradigm in its developed and explicit meaning as a disciplinary matrix is also present in the reception of the term in theology. Using the example of theologians who dealt directly with the concept of paradigm, it was shown that the focus is usually developed on the paradigmatic theory and not on the meaning of the paradigm as an example. Certain elements that value the paradigm as an example, for example in Ian Barbour and Dirk-Martin Grube, are indicators that paradigm can also be understood differently in theology as well. Frequent comparisons between Thomas Kuhn and Michel Foucault introduced us to the thinking of Foucault's student, Giorgio Agamben, who dealt in a special way with the concept of paradigm. The Italian philosopher referred to the figures he uses in his philosophical analyses as paradigms. His self-reflection on the method was useful for an additional philosophical articulation of the meaning of the concept of paradigm as exemplar or example. In his sense, the logic of the paradigm is an example of the third way between deduction and induction. Agamben's concept of paradigm remains true to the concreteness that Thomas Kuhn attached to his concept of paradigm. Based on the analysis of the concept of paradigm by Thomas Kuhn and Giorgio Agamben, motivated by the previous one-sided reception of the concept in theology, this dissertation attempted to answer the question of what can be defined as a concept of paradigm in theology. The thesis of this work can be summarized in the following statement: Jesus Christ is the paradigm of Christian theology. This concrete historical event, his life, his death, and his resurrection are fundamental to theology. Even if this seems self-evident at first glance, it is not so in an epistemological sense. The concept of paradigm enables the formulation of the epistemological centrality of the person of Jesus Christ for Christian theology. It also enables a different understanding of different theological schools in the history of theology or different theological directions in today's pluralistic theology, which can be understood as paradigms in the sense of a disciplinary matrix but are dependent on the exemplar of Jesus Christ. The epistemological basis of theology as a paradigm-based science is the person of Jesus Christ, the universal concrete that enables the emergence of different theological traditions. This allows one to simultaneously affirm continuity and discontinuity in theology.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Paradigma Theologie Wissenschaft Thomas S. Kuhn Giorgio Agamben Jesus Christus Fundamentaltheologie Geschichte der Theologie
Schlagwörter
(Englisch)
Paradigm Theology Science Thomas S. Kuhn Giorgio Agamben Jesus Christ Fundamental Theology History of Theology
Autor*innen
Ante Svirać
Haupttitel (Deutsch)
Paradigma in der Theologie
Hauptuntertitel (Deutsch)
Untersuchungen zu einem umstrittenen Begriff
Paralleltitel (Englisch)
Paradigm in theology
Paralleluntertitel (Englisch)
investigations into a controversial concept
Publikationsjahr
2024
Umfangsangabe
201 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Andras Mate-Toth ,
Eduard Prenga
AC Nummer
AC17311435
Utheses ID
71731
Studienkennzahl
UA | 780 | 011 | |