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Kinderbekommen für eine neue Welt
die menschliche Fortpflanzung im Spiegel alternativkultureller und -spiritueller Ratgeberliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts
Johannes Endler
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Katholisch-Theologische Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Doktoratsstudium der Philosophie Religionswissenschaft
Betreuer*in
Karl Baier
DOI
10.25365/thesis.77507
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-31181.21152.469322-4
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die vorliegende Arbeit untersucht den historischen Wandel von Deutungsangeboten und Praktiken im Zusammenhang mit Zeugung, Schwangerschaft und Geburt. Als Quellen dienen alternativkulturelle Ratgeber von der Mitte des 19. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts in Europa und Nordamerika, die sich vornehmlich an weiße Frauen und Männer aus der Mittelschicht richten. Alternativkultur definiere ich als ein soziales Feld, das sich vor allem in den Bereichen Religion und Medizin von einer vermeintlichen Leitkultur abheben möchte und gleichzeitig im Austausch mit der Populärkultur steht. Die untersuchten Texte geben Handlungsanweisungen und lebensweltliche Orientierung und können sowohl disziplinierend wirken als auch einen selbstverantwortlichen Umgang mit sich selbst fördern. Die Hauptteile der Arbeit analysieren die Paradigmen alternativkulturellen Denkens über das Kinderbekommen anhand der US-amerikanischen Reformkultur vor dem Bürgerkrieg, der deutschsprachigen Lebensreform und verwandter Strömungen sowie der counter culture und des New Age. Der methodische Vergleich dieser Diskursgemeinschaften zeigt unter drei Aspekten Kontinuitäten und Innovationen, die historisch und religionswissenschaftlich interpretiert werden. In Bezug auf die Deutung und Gewichtung einzelner Sequenzen des Kinderbekommens verlagerte sich der Fokus vom Akt der Zeugung zur Erfahrung des Gebärens. Zudem verkürzte sich die Phase der Geburtsvorbereitung – die früher die Lebensführung von Frauen ab der Jugend bestimmte ¬– auf die Zeit der Schwangerschaft. Die soziale Dimension veränderte sich dahingehend, dass die Vorstellung, der Mann beeinflusse die Frau und diese wiederum „erziehe“ bereits das ungeborene Kind, an Bedeutung verlor. Stattdessen begannen Schwangere, das Ungeborene als eigenständigen Akteur wahrzunehmen, mit dem ein besonderer Dialog möglich sei. Schließlich wandelten sich die religiösen Verständnishorizonte. Während Eltern zunächst glaubten, durch Fortpflanzung am göttlichen Heilsplan beziehungsweise an der nach Perfektion strebenden Evolution teilzuhaben, rückte später die persönliche spirituelle Entwicklung der werdenden Eltern, die sich von der Erfahrung des Kinderbekommens ergreifen lassen wollten, in den Vordergrund. Diese Ergebnisse schärfen zum einen den Begriff „Kinderbekommen“ als analytische Vergleichskategorie und erhellen zum anderen bislang kaum untersuchte Aspekte der Alternativkulturen der letzten zweihundert Jahre.
Abstract
(Englisch)
This dissertation examines the historical transformation of interpretations and practices related to conception, pregnancy and childbirth. The sources are alternative-cultural guides from the mid-19th to the late 20th centuries in Europe and North America, primarily targeting white middle-class men and women. I define alternative culture as a social field that seeks to distinguish itself from a perceived mainstream culture, particularly in the realms of religion and medicine, while simultaneously engaging with popular culture. The analysed texts provide instructions and everyday orientation, which can have both disciplining effects and promote self-responsible behaviour. The main sections of the dissertation analyse the paradigms of alternative-cultural thinking about childbearing through examples of the pre-Civil War American reform culture, the German Lebensreform movement and related currents, as well as the counter-culture and New Age movements. The methodological comparison of these discursive communities reveals continuities and innovations in three aspects, which are interpreted from historical and religious studies perspectives. Concerning the meaning and significance of individual stages of childbearing, the focus shifted from the act of conception to the experience of giving birth. Additionally, the period of birth preparation, which previously shaped women’s lives from youth, was shortened to the duration of pregnancy. The social dimension changed such that the notion of the man influencing the woman, who in turn already "educates" the unborn child, lost significance. Instead, pregnant women began to perceive the unborn child as an independent actor with whom a certain kind of dialogue is possible. Finally, the religious horizons of understanding shifted. While parents initially believed they were participating in the divine plan of salvation or the evolutionary striving for perfection through reproduction, later the personal spiritual development of the expectant parents, who sought to be transformed through the experience of childbearing, came to the forefront. These findings both refine the concept of "childbearing" as an analytical comparative category and illuminate previously underexplored aspects of alternative cultures over the past two hundred years.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Zeugung Schwangerschaft Geburt Ratgeber Alternativkultur Populärkultur Alternative Religiosität Spiritualität Spiritismus Okkultismus Lebensreform Theosophie Mazdaznan Völkische Bewegung New Age Fortpflanzung Sexualität Sexualmagie Kinderbekommen
Autor*innen
Johannes Endler
Haupttitel (Deutsch)
Kinderbekommen für eine neue Welt
Hauptuntertitel (Deutsch)
die menschliche Fortpflanzung im Spiegel alternativkultureller und -spiritueller Ratgeberliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts
Paralleltitel (Englisch)
Childbearing for a new world
Paralleluntertitel (Englisch)
human reproduction in the mirror of alternative-cultural and -spiritual advice literature of the 19th and 20th centuries
Publikationsjahr
2024
Umfangsangabe
323 Seiten : Illustrationen
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Bernadett Bigalke ,
Stephanie Gripentrog-Schedl
AC Nummer
AC17407514
Utheses ID
72574
Studienkennzahl
UA | 792 | 303 | |