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Merger of the concepts of selectivity and non-discrimination in fiscal state aid law
Daniela Gschwindt
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften Rechtswissenschaften
Betreuer*in
Thomas Theodor Jaeger
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.78720
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-16605.30902.800682-5
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Staatliche Beihilfen gibt es in vielen verschiedenen Formen und Ausprägungen. Die EU-Mitgliedstaaten erwägen zunehmend unauffällige und indirekte Wege, um Unternehmen in Form von Steueranreizen und -vergünstigungen anzuziehen und zu finanzieren, und so den Steuerwettbewerb zu verstärken. Angesichts des heutigen Trends zur Digitalisierung und Globalisierung führt dies dazu, dass Unternehmen international tätig werden und Geschäftsmöglichkeiten ausloten. Die von der EU, vor allem der EU-Kommission, angestrebte verschärfte Beihilfenkontrolle zielt nicht nur auf die nationalen direkten Steuergesetze, sondern auch auf Einzelmaßnahmen ab. Ein zentrales Problem der sich immer weiter ausbreitenden Beihilfekontrolle steuerlicher Maßnahmen besteht darin, dass nicht vornherein vorhersehbar ist, ob eine Maßnahme als mit dem Binnenmarkt unvereinbar eingestuft wird. Dies führt zu Rechtsunsicherheit für nationale Gesetzgeber und betroffene Unternehmen. Gleichzeitig kann diese Unsicherheit die Steuerautonomie der Staaten ernsthaft untergraben. Um einen Zuständigkeitskonflikt zu lösen und mehr Rechtssicherheit zu schaffen muss die Beihilfenkontrolle stärker auf den eigentlichen Zweck der Beihilfevorschriften ausgerichtet werden. Dies beinhaltet die Vermeidung von grenzüberschreitenden Handelsverzerrungen und der damit verbundenen Ungleichbehandlung. Eine solche Umstrukturierung läge im Interesse einer einheitlichen Entwicklung des EU-Rechts. Eines der Hauptziele der EU ist die Verwirklichung des gemeinsamen Binnenmarktes mit dem freien Verkehr von Kapital, Arbeit, Technologie und Unternehmen zwischen den Mitgliedstaaten. Die Vorschriften über staatliche Beihilfen zielen auch darauf ab, den Binnenmarkt zu stärken, indem Markt- und Wettbewerbsverzerrungen, die durch staatliche Eingriffe entstehen, bekämpft werden. Die Frage der Selektivität steht im Mittelpunkt der Analyse der steuerlichen Beihilfen, da die anderen Voraussetzungen des Artikel 107(1) AEUV in der Regel erfüllt sind oder als erfüllt gelten und daher nicht näher untersucht werden müssen. Darüber hinaus prüfen die Kommission und der EuGH Beihilfemaßnahmen nicht nach ihrer Form, sondern nach ihren Auswirkungen. In dieser Hinsicht hat die Kommission als Hüterin der Verträge schrittweise eine Reihe von Soft-Law-Instrumenten eingeführt und hält daran fest, um ihren Ansatz im Rahmen des Beihilferechts weiter zu strukturieren. Nicht nur die Vorschriften über staatliche Beihilfen, sondern auch die Bestimmungen des Vertrags über die Grundfreiheiten verbieten die Gefährdung des freien Wettbewerbs im Binnenmarkt. Demselben Zweck dienend, wahren sie den unverfälschten Wettbewerb mit gleichen Ausgangsbedingungen für alle Wirtschaftsteilnehmer und stellen somit ein wirksames Instrument zur Förderung der europäischen Steuerintegration dar. Die Grundfreiheiten beruhen alle auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Sie unterscheiden nicht zwischen allgemeinen und spezifischen Steuermaßnahmen, sondern konzentrieren sich auf die Gleichbehandlung von grenzüberschreitenden und inländischen Sachverhalten. Anders als im Bereich der indirekten Steuern haben die direkten Steuern kein hohes Maß an positiver Integration innerhalb der EU erfahren. Die Steuerhoheit ist ein wesentliches Element der Durchsetzung staatlicher Befugnisse und kann als autonome Kompetenz zur Einführung und Durchsetzung eines Steuersystems definiert werden. Obwohl das direkte Steuerrecht kein harmonisierter Bereich innerhalb des EU-Rechts ist, ist die Souveränität der Mitgliedstaaten nicht absolut: Der EuGH hat in vielen Fällen entschieden, dass die Steuerhoheit keine nationalen Steuervorschriften rechtfertigt, die zu einer Diskriminierung oder ungerechtfertigten Einschränkung von Tätigkeiten führen, welche unter die Grundfreiheiten fallen. Daher wird der Schwerpunkt vor allem auf der Rechtsprechung des EuGH liegen, die zwischen allgemeinen steuerlichen Maßnahmen (die unter die Steuerhoheit fallen) und selektiven steuerlichen Anreizen (die Anlass zu Verfahren geben) unterscheidet. Es wird jedoch gezeigt werden, dass sich die Begriffe der Allgemeingültigkeit und der Selektivität nicht notwendigerweise gegenseitig ausschließen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die schwerwiegendsten Einschränkungen der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten zum einen die in den Freizügigkeitsbestimmungen des AEUV verankerten Grundfreiheiten und zum anderen die in den Artikeln 107 und 108 AEUV niedergelegten Vorschriften über staatliche Beihilfen sind. Die Begriffe „Diskriminierung“ und „Gleichbehandlung“ stehen im Mittelpunkt der durchgeführten Untersuchungen. Einerseits beinhalten die Grundfreiheiten, insbesondere die sie umgebende Rechtsprechung, einen Nichtdiskriminierungsstandard bei der Beurteilung von Maßnahmen im Bereich der direkten Steuern. Es ist also eine statische Methodik zu erkennen. Andererseits ist die Analyse staatlicher Beihilfen gemäß Artikel 107(1) AEUV nicht ausdrücklich auf einen solchen Standard aufgebaut. In den letzten Jahren hat der EuGH die Selektivitätsanalyse jedoch zunehmend in eine Gleichbehandlungsprüfung umgewandelt. Dieses Vorgehen ist nicht sehr kohärent, da es keine festen Vergleichsmaßstäbe gibt. In der Praxis unterscheiden sich die von den europäischen Gerichten und der Kommission gewählten und angewandten Vergleichsmaßstäbe häufig von denen der nationalen Steuerbehörden. So wird die praktische Bedeutung einer konsistenten und kohärenten Methodik mit einem Nichtdiskriminierungstest nach dem Vorbild der Prüfung der Grundfreiheiten für die Bewertung steuerlicher staatlicher Beihilfen aufgezeigt. Aus einer dynamischen Perspektive lässt sich eine Tendenz zur Konvergenz der Analysemethoden, mit denen steuerliche Maßnahmen geprüft werden, erkennen, die in dieser Untersuchung dargestellt werden soll. Der Schwerpunkt liegt also auf der Entwicklung und Ableitung gemeinsamer theoretischer und methodischer Aspekte. Eine solche Konvergenz bedeutet oder impliziert nicht eine vollständige Analogie. Vielmehr ermöglicht sie es, Lehren aus einer Methode auf die andere zu übertragen, die zur Lösung konzeptioneller Probleme beitragen können, welche sich aus der Anwendung der Beihilfevorschriften auf Maßnahmen im Bereich der direkten Steuern ergeben. Die Tendenz zur Konvergenz wurde am deutlichsten in der Rechtsprechung des EuGH sichtbar, dies vor allem in seiner Auslegung des Artikels 107(1) AEUV. Daher ist eine eingehende Analyse der Rechtsprechung erforderlich, um einen systematischeren Ansatz für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen zu entwickeln. Die Untersuchung soll die Hypothese bewerten, dass es einen tatsächlichen Trend zur Konvergenz zwischen den Konzepten der Selektivität und der Nichtdiskriminierung bei Steuerbeihilfen gibt und dass das Selektivitätskriterium des Artikels 107 AEUV eine Nichtdiskriminierungsnorm für Steuerbeihilfen beinhaltet, wie sie auch in den Grundfreiheiten zu finden ist. Es soll untersucht werden, ob und wo ein solcher Standard einheitlich ist. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt daher auf dem materiellen Aspekt des Selektivitätskriteriums und seiner methodischen Neuordnung. Das erste Kapitel nach der Einleitung (formell also das zweite Kapitel) erläutert den normativen Rahmen, d.h. die Beihilfevorschriften und die untersuchten Grundfreiheiten sowie deren Verhältnis zueinander. Auch die regulatorischen und legislativen Entwicklungen auf internationaler Ebene, die den europäischen Ansatz beschleunigen oder beeinflussen, werden hier untersucht. Das dritte Kapitel konzentriert sich auf das Selektivitätskriterium des Artikel 107 AEUV und seine Anwendung durch die Kommission und den EuGH. Das vierte Kapitel befasst sich mit den Grundfreiheiten und der Anwendung des Nichtdiskriminierungstests auf steuerliche Maßnahmen. Diese beiden Kapitel enthalten eine ausführliche Analyse der Rechtsprechung des EuGH, um methodische Mängel aufzuzeigen. Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Entwicklung der Konvergenz zwischen dem Beihilferecht und den Grundfreiheiten. Es wird untersucht, ob der im Rahmen der Grundfreiheiten angewandte Nichtdiskriminierungstest auch für Artikel 107 AEUV erforderlich ist bzw. ob der Test identisch sein sollte. Die Schlussfolgerung lautet im Wesentlichen, dass eine Anpassung erforderlich ist, die das Beste aus beiden vereint. Auf der Grundlage der Rechtsprechungsanalyse wird dann ein solcher angepasster Test vorgeschlagen.
Abstract
(Englisch)
EU Member States are increasingly considering unobtrusive and indirect ways of attracting and financing companies in the form of tax incentives and concessions, thereby stimulating tax competition. Given today’s trend towards digitalisation and globalisation, companies are steadily operating on an international level, exploring business opportunities. The strict State aid control sought by the EU, particularly the EU Commission, is not only aimed at national direct tax laws, but also at individual measures. A central problem of the ever-expanding State aid control of tax measures is that it is not possible to predict whether a measure will be categorised as incompatible with the internal market. This leads to legal uncertainty for national legislators and affected companies. At the same time, this uncertainty can seriously undermine the tax autonomy of States. In order to resolve conflicts jurisdiction and create more legal certainty, State aid control must be focussed on the actual purpose of the State aid rules. This includes the avoidance of cross-border trade distortions and the associated unequal treatment. Such a reorganisation would be in the interest of a uniform development of EU law. One of the EU’s main objectives is the realisation of the single market with the free movement of capital, labour, technology and companies between the Member States. The rules on State aid also aim to strengthen the internal market by combating market and competition distortions caused by State intervention. The question of selectivity is at the centre of the analysis of tax aid, as the other conditions of Article 107(1) TFEU are generally fulfilled or deemed to be fulfilled and therefore do not need to be examined in detail. Furthermore, the Commission and the Court of Justice of the European Union do not analyse aid measures according to their form, but according to their effects. In this respect, the Commission, as guardian of the Treaties, has gradually introduced a number of soft law instruments and continues to do so in order to further structure its approach to State aid law. Not only the rules on State aid, but also the provisions of the Treaty on the fundamental freedoms prohibit jeopardising free competition in the internal market. Serving the same purpose, they safeguard undistorted competition with a level playing field for all economic operators and thus constitute an effective instrument for promoting European fiscal integration. The fundamental freedoms are all based on the principle of non-discrimination. They do not distinguish between general and selective tax measures, but focus on the equal treatment of cross-border and domestic situations. Unlike in the area of indirect taxes, direct taxes have not experienced a high degree of positive integration within the EU. Fiscal sovereignty is an essential element of the enforcement of State powers and can be defined as the autonomous competence to introduce and enforce a tax system. Although direct tax law is not a harmonised area within EU law, the sovereignty of Member States is not absolute: The Court has ruled in many cases that fiscal sovereignty does not justify national tax rules that lead to discrimination or unjustified restriction of activities covered by the fundamental freedoms. Therefore, the main focus will be on the case law of the CJEU, which distinguishes between general tax measures (which fall under tax sovereignty) and selective tax incentives (which give rise to proceedings). However, it will be shown that the concepts of generality and selectivity are not necessarily mutually exclusive. To summarise, the most serious restrictions on Member States’ fiscal sovereignty are, on the one hand, the fundamental freedoms enshrined in the free movement provisions of the TFEU and, on the other hand, the State aid rules laid down in Articles 107 and 108 TFEU. The terms ‘discrimination’ and ‘equal treatment’ are at the centre of the investigations carried out. On the one hand, the fundamental freedoms, in particular the case law surrounding them, include a non-discrimination standard when assessing measures in the area of direct taxation. A static methodology can be recognised. On the other hand, the analysis of State aid under Article 107(1) TFEU is not explicitly based on such a standard. In recent years, however, the CJEU has increasingly transformed the selectivity analysis into an equal treatment test. This approach is not very coherent, as there are no fixed standards of comparison. In practice, the benchmarks chosen and applied by the European courts and the Commission often differ from those of the national tax authorities. Thus, the practical importance of a consistent and coherent methodology with a non-discrimination test modelled on the fundamental freedoms test for the assessment of State aid for tax purposes is demonstrated. From a dynamic perspective, there is a tendency towards convergence in the methods of analysis used to assess tax measures, which will be illustrated in this thesis. The focus is therefore on the development and derivation of common theoretical and methodological aspects. Such convergence does not mean or imply a complete analogy. Rather, it makes it possible to transfer lessons from one method to the other that can contribute to solving conceptual problems arising from the application of State aid rules to direct tax measures. The trend towards convergence has been most evident in the case law of the CJEU, particularly in its interpretation of Article 107(1) TFEU. Therefore, an in-depth analysis of the case law is necessary in order to develop a more systematic approach to the application of State aid rules. The study aims to assess the hypothesis that there is an actual trend towards convergence between the concepts of selectivity and non-discrimination in tax aid and that the selectivity criterion of Article 107 TFEU includes a non-discrimination standard for tax aid as found in the fundamental freedoms. The aim is to analyse whether and where such a standard is uniform. The focus of the work is therefore on the material aspect of the selectivity criterion and its methodological reorganisation. The first chapter after the introduction (formally the second chapter) explains the normative framework, i.e. the State aid rules and the fundamental freedoms analysed, as well as their relationship to each other. The regulatory and legislative developments at international level that accelerate or influence the European approach are also analysed here. The third chapter focuses on the selectivity criterion of Article 107 TFEU and its application by the Commission and the Court. The fourth chapter deals with the fundamental freedoms and the application of the non-discrimination test to tax measures. These two chapters contain a detailed analysis of the case law of the CJEU in order to identify methodological shortcomings. The fifth chapter deals with the development of convergence between State aid law and the fundamental freedoms. It analyses whether the non-discrimination test applied in the context of the fundamental freedoms is also necessary for Article 107 TFEU or whether the test should be identical. The conclusion is essentially that an adaptation is needed that combines the best of both. Such an adapted test is then proposed on the basis of the case law analysis.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Steuerbeihilferecht EU-Recht Selektivität Nichtdiskriminierung
Schlagwörter
(Englisch)
Fiscal State Aid Law EU Law Selectivity Non-discrimination
Autor*innen
Daniela Gschwindt
Haupttitel (Englisch)
Merger of the concepts of selectivity and non-discrimination in fiscal state aid law
Paralleltitel (Deutsch)
Verschmelzung der Konzepte der Selektivität und Nichtdiskriminierung im Steuerbeihilferecht
Publikationsjahr
2024
Umfangsangabe
xiii, 293 Seiten
Sprache
Englisch
Beurteiler*innen
Siegfried Fina ,
Rainer Palmstorfer
Klassifikation
86 Recht > 86.86 Europarecht. Allgemeines
AC Nummer
AC17586013
Utheses ID
74309
Studienkennzahl
UA | 783 | 101 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1