Detailansicht
Konzeptionen von Menschenrechten der antikolonialen "schwarzen" Bewegungen im Paris der Zwischenkriegszeit
Sebastian Frik
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften Rechtswissenschaften
Betreuer*in
Lena Foljanty
DOI
10.25365/thesis.78721
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-13246.55863.949683-9
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die Geschichte der Menschenrechte wird hauptsächlich als teleologische Erfolgsgeschichte geschrieben, die auf den ideengeschichtlichen Entwicklungen Europas basiert. Menschen aus dem globalen Süden werden zumeist nicht als Akteur*innen der Menschenrechtsgeschichte dargestellt, sondern wird nur über sie gesprochen. Die vorliegende Dissertation zeigt auf, dass diese Historiographie stark verkürzt ist und stellt die Beiträge „schwarzer“ Kolonisierter im Paris der Zwischenkriegszeit ins Zentrum der Menschenrechtsgeschichte. Durch den mikrohistorischen Zugang konnte dargestellt werden, wie sich die „schwarzen“ Bewegungen des Menschenrechtsbegriffs bemächtigten, um diesen für ihre eigenen antikolonialen Ziele in Stellung zu bringen. Zu diesem Zweck wurden die zu dieser Zeit aktiven „schwarzen“ Bewegungen in drei Übergruppen eingeteilt: Radikale, Reformer und kulturelle Akteur*innen. Während die kulturellen Akteur*innen die historische Eigenständigkeit der „Schwarzen“ herausarbeiten wollten, bemühten sowohl die radikalen als auch die reformistischen Bewegungen regelmäßig das Konzept der Menschenrechte. Dieses hatte zwei Hauptfunktionen. Erstens wurde Frankreich, als das Land der Déclaration des droits de l’homme von 1789 an seiner historischen Verpflichtung gemessen, die Gleichheit und Freiheit aller Menschen sicherzustellen. Das französische Kolonialsystem, das auf rechtlicher Ungleichheit basierte, konnte so innerhalb des französischen Diskurses angegriffen werden und als „unfranzösisch“ geframt werden. Der Begriff der Menschenrechte konnte so hybridisiert werden, da seine Bedeutung um „schwarze“ antikoloniale Perspektiven angereichert wurde. Zweitens kam den Menschenrechten auch eine ontologische Funktion zu. Indem sich die „Schwarzen“ als Subjekte der Menschenrechte positionierten, konnten sie ihre eigene Menschlichkeit in einem System einfordern, welches ihnen diese versagte. Die dritte wesentliche Erkenntnis der Dissertation ist, dass Menschenrechte im antikolonialen Denken nicht notwendigerweise auf den Aufbau von souveräner Staatlichkeit gerichtet waren. Sie waren ein Mittel, mit dessen Mobilisierung der französische Imperialismus von innen aus verändert oder beendet werden sollte, ohne jedoch notwendigerweise die nationale Unabhängigkeit der Kolonien zu fordern. Die Dissertation zeigt somit, dass marginalisierte Personen den Menschenrechtsbegriff in den 1920er- und 1930er-Jahren für ihre Bedürfnisse mobilisieren und so zu dessen Formierung beitragen konnten. Sie leistet einen Beitrag dazu, diese Personen als Akteur*innen in die Ideengeschichte der Menschenrechte aufzunehmen.
Abstract
(Englisch)
The history of human rights is predominantly written as a teleological success story based on the intellectual developments of Europe. People from the Global South are rarely portrayed as actors in the history of human rights; instead, they are primarily spoken about. This dissertation demonstrates that such historiography is highly reductive and places the contributions of “black” colonized individuals in interwar Paris at the center of human rights history. Through a microhistorical approach, it illustrates how “black” movements appropriated the concept of human rights to deploy it for their own anti-colonial objectives. To this end, the “black” movements active at the time were categorized into three overarching groups: radicals, reformers, and cultural actors. While cultural actors sought to highlight the historical autonomy of “black” people, both radical and reformist movements consistently invoked the concept of human rights. This concept served two primary functions. First, France – as the country of the Déclaration des droits de l’homme of 1789 – was measured against its historical obligation to guarantee the equality and freedom of all people. The French colonial system, which was based on legal inequality, could thus be attacked within the French discourse itself and framed as “un-French.” This allowed the concept of human rights to be hybridized, as its meaning was enriched with “black” anti-colonial perspectives. Second, human rights also fulfilled an ontological function. By positioning themselves as subjects of human rights, “black” people were able to claim their own humanity within a system that denied it to them. The third key finding of this dissertation is that, in anti-colonial thought, human rights were not necessarily directed toward the establishment of sovereign statehood. Rather, they served as a means by which French imperialism could be transformed or dismantled from within – without necessarily demanding the national independence of the colonies. This dissertation thus demonstrates that marginalized individuals were able to mobilize the concept of human rights in the 1920s and 1930s to serve their own needs, thereby contributing to its formation. It contributes to integrating these individuals as actors in the intellectual history of human rights.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Rechtsgeschichte Menschenrechte Kolonialismus Frankreich Postkoloniale Theorie Négritude
Schlagwörter
(Englisch)
Legal History Human Rights Colonialism France Postcolonial theory Négritude
Autor*innen
Sebastian Frik
Haupttitel (Deutsch)
Konzeptionen von Menschenrechten der antikolonialen "schwarzen" Bewegungen im Paris der Zwischenkriegszeit
Paralleltitel (Englisch)
Conceptions of human rights in the anti-colonial "black" movements of interwar Paris
Publikationsjahr
2025
Umfangsangabe
VII, 250 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Elisabeth Holzleithner ,
Milos Vec
AC Nummer
AC17586018
Utheses ID
74904
Studienkennzahl
UA | 783 | 101 | |
