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Chiaroscuro
Meditationen über Dualität und Nichts
Mario Guendl
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Betreuer*in
Arno Böhler
DOI
10.25365/thesis.8352
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29624.42524.743255-6
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Ausgang der Dissertation ist die Beschäftigung mit dem künstlerischen Vermächtnis, dem Bildzyklus Unseen Strangers, des österreichischen Graphikers und Malers Paul Nestlang. Nestlang, der sich zu Beginn dieses Zyklus noch am figuralen Stil des englischen Malers Francis Bacon orientierte, dringt darin zu einer eigenständigen Bildsprache durch, die sich durch eine hart kontrastierte Chiaroscurotechnik (in Schwarz und Weiß) auszeichnet. Auf der Suche nach einem möglichen Interpretationsschlüssel für das Werk fragt die Arbeit nach Wesen, Bedeutung und Sinn dieses Chiaroscuros. Weil Licht und Schatten in den Bildern aber nicht mehr durch natürliche Lichtquellen erklärt werden können, wird in Anlehnung an Didi-Hubermans Konzeption einer Malerei der Unähnlichkeit ein Chiaroscuro der
Unähnlichkeit angenommen und nach seiner Bedeutung gefragt. Ergebnis ist, dass der Mensch, der das zentrale Thema Nestlangs ist, in der Klemme steckt. Es ist die Klemme aus Schwarz und Weiß, Licht und Finsternis. Doch was bedeutet Schwarz und Weiß, was die Klemme? Eine phänomenologische Beleuchtung fördert zu Tage, dass das Wesen der
Klemme in der Dualität liegt. Diese Dualität der Klemme wird nun auf das menschliche Dasein rückgekoppelt und in verschiedenen Daseinsbereichen herausgestellt. So steckt der Mensch in seiner Sprache, Geschlechtlichkeit, Ethik, Psychologie, Kunst und Existenz in der Klemme.
Um nun zum Wesen der Dualität vorzudringen, untersucht die Dissertation wichtige dualistische Positionen der Philosophiegeschichte anhand ihrer Unterschiedlichkeit zu
monistischen Konzeptionen. Dies geschieht unter besonderer Berücksichtung des Aspekts von
Licht und Finsternis. So rücken als zentrale Pole der antiken Philosophie Parmenides Seinslehre und Heraklits Widerspruchsdenken in den Blick. Als neuzeitliche Gegenpositionen werden Descartes Substanzdualismus und Spinozas emanativer Monismus auseinandergesetzt. Die Analyse gipfelt schließlich in einem Konsiderat von Monismus und Dualismus, das deren fundamentale Wesensmerkmale sowie ihre Unvereinbarkeit darlegen soll. Mittels Hegels Philosophie wird der kühne Versuch präsentiert, den Widerspruch zwischen Monismus und Dualismus zu überwinden. Gelingt es Hegel mit seinem
dialektischen Dreischritt zwar auf logischer Ebene diesen Widerspruch in ein höheres Drittes aufzulösen, bleibt seine teleologisch zum absoluten Geist strebende Philosophie dennoch im Begrifflichen stecken. Erst in der Spätphilosophie Schellings, in der durch das Ek-statischwerden der Vernunft im Ich die „negative Philosophie“ in eine „positive Philosophie“ umschlägt, gelingt der dialektische Durchbruch der Dualität ins Existentielle. An diesem Punkt ist die Untersuchung auf den Bereich der Existenz und damit der anfänglichen Daseinsanalyse zurückgeworfen. Als letzte Möglichkeit einer Überwindung der Dualität, tritt schließlich das Nichts in den
Focus. Nach einer ersten Begriffsklärung kann das Nichts in ein relatives Nichts, das aus seiner logischen und ontologischen Relation zu einem Seienden nicht herauskommt, und einem absoluten Nichts, das von dieser Relation losgelöst (lat. absolut) ist, unterschieden
werden. Das absolute Nichts ist ein positiv phänomenales Nichts, das in der Tradition der via negativa zur unio mystica führen soll. Diese Denktradition wird anhand von Meister Eckhart und Dionysos Areopagita nachgezeichnet und mit dem Konzept der Sunyata, der Leer bei Nishitani zusammengedacht. Als Höhepunkt einer Philosophie des negativen Wegs, wird das Entzugsdenken Martin Heideggers und damit das Ereignis zum Thema. Im Ereignis
entzieht sich dem Menschen, der ein Seiender ist, das Seyn selbst, weshalb es ihm, vom Felde des Daseins, der Welt aus, auch als Nichts erscheint. Genau in diesem Entzug des Seyns aber gibt das Seyn Dasein frei, gründet, lichtet es. Darum ist das Nichts die „wesentliche Erzitterung des Seyns selbst“. Die Dualität wird vor diesem Hintergrund bedeutungslos und insofern überwunden. Was bleibt, ist das Staunen über das ES IST. Diese finale Erkenntnis wird am Ende auf die Nestlangschen Bilder, in denen die Klemme ja konstatiert wurde, angelegt. Dadurch eröffnet sich die Lesart, dass das Grundlegende im Chiaroscuro der
Bilder, sowie im menschlichen Dasein auch, nicht die Klemme ist, sondern vielmehr das Wunder, dass sich Dasein zeigt, dass ES IST und dass ES uns gelichtet IST.
Abstract
(Englisch)
This dissertation opens by engaging the artistic legacy, the cycle of images Unseen Strangers, of the Austrian painter and graphic artist Paul Nestlang. While Nestlang begins his cycle by orienting himself towards the figural style of the English painter Francis Bacon, he breaks through to a unique pictorial idiom characterized by a starkly contrasting chiaroscuro technique (in black and white). Seeking a possible mode of interpretation for Nestlang’s work,
this thesis questions the essence, meaning and sense of the chiaroscuro. Because the light and shadow in these images no longer finds its explanation in natural sources of light, one can adapt Didi-Huberman’s concept of a painting of dissimilarity and ask what a chiaroscuro of dissimilarity means. The result of this questioning addresses the central theme of Nestlang’s work: man is in a bind. It is a bind between black and white, light and darkness. But what do
black and white mean, and what the bind? A phenomenological elucidation brings to light that
the essence of the bind lies in its duality. This duality of the bind is then brought back to the human being (Dasein) by considering various realms of this being. Thus man is in a bind in his language, sexuality, ethics, psychology, art and his existence. In order to proceed to the essence of duality, the dissertation examines important dualist positions in the history of philosophy in consideration of their difference from monistic conceptions. Special consideration is given here to the aspect of light and darkness. Parmenides’ ontology and Heraclitus’ thinking of contradictions appear therefore as pivotal poles of ancient philosophy. Descartes’ dualism of substance and Spinoza’s emanative monism are then contrasted as modern counterparts to the ancient concepts. Finally, the analysis culminates in a consideration of monism and dualism that intends to demonstrate
both their fundamental characteristics as well as their incommensurability. Hegel’s philosophy represents a daring attempt to overcome the contradiction between monism and
dualism. Yet if Hegel with his dialectical triangulation succeeds in resolving this contradiction on a logical level, his teleological philosophy of the absolute Spirit nevertheless remains mired in its idealist conceptuality. Not until Schelling’s late philosophy, in which „negative philosophy“ turns into „positive philosophy“ through the ex-static becoming of reason in the I, does the dialectical
breakthrough in the thinking of duality succeed in becoming existential.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
Monism Duality Dialectic Nestlang the bind via negativa Sunyata Painting black-white Chiaroscuro Phänomenology
Schlagwörter
(Deutsch)
Monismus Dualismus Dialektik Einheit Zweiheit Nestlang Malerei Nichts Entzug Ereignis via negativa Sunyata Malerei Scharz-Weiss Daseinsanalyse Klemme Phänomenolgie
Autor*innen
Mario Guendl
Haupttitel (Deutsch)
Chiaroscuro
Hauptuntertitel (Deutsch)
Meditationen über Dualität und Nichts
Paralleltitel (Englisch)
Chiaroscuro - meditations on duality and nothingness
Publikationsjahr
2009
Umfangsangabe
299 S. : Ill., graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Arno Böhler ,
Günther Pöltner
AC Nummer
AC08032666
Utheses ID
7526
Studienkennzahl
UA | 092 | 296 | |