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Die Begehungsformen des Art 101 Abs 1 AEUV im Rahmen der Verwendung von algorithmisierten Preissetzungsmechanismen
Patrik Marek
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Betriebswirtschaft
Betreuer*in
Arthur Weilinger
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.78213
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-17943.67471.280733-5
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Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die zunehmende Digitalisierung und der technologische Fortschritt haben weitreichende Auswirkungen auf wettbewerbsrechtliche Fragestellungen, insbesondere im Bereich der algorithmischen Preissetzung. In diesem Zusammenhang befasst sich die vorliegende Arbeit mit den Begehungsformen des Art 101 Abs 1 AEUV im Kontext der Verwendung algorithmischer Preissetzungsmechanismen. Während der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in der Preispolitik bereits in verschiedenen Wirtschaftssektoren wie dem Finanzwesen, der Reisebranche oder der Rechtsberatungsindustrie disruptiven Wandel hervorgerufen hat, ist die kartellrechtliche Einordnung noch nicht abschließend geklärt. Eine zentrale Herausforderung liegt in der Frage, ob und inwiefern die Nutzung von Preissetzungsalgorithmen eine implizite Kollusion zwischen Wettbewerbern begünstigen kann. Während Art 101 AEUV ausdrücklich abgestimmte Verhaltensweisen und Kartellabsprachen verbietet, bleibt stillschweigende Kollusion – also die intelligente Anpassung an das Verhalten von Wettbewerbern ohne ausdrückliche Kommunikation – unreguliert. Durch den zunehmenden Einsatz von Preisüberwachungssoftware könnten Kartelle auch ohne physische Treffen gebildet werden, wodurch die Beweisführung und Kontrolle durch Kartellbehörden erheblich erschwert wird. Obwohl bisher kein konkreter Fall bekannt ist, in dem selbstlernende Algorithmen eigenständig kollusive Preisstrategien entwickelt haben, ist eine künftige Auseinandersetzung der Judikatur mit dieser Thematik unausweichlich. Ein besonderes Augenmerk dieser Arbeit liegt auf der kartellrechtlichen Einordnung der sogenannten Hub & Spoke-Kartelle. Diese Konstellation ermöglicht es Unternehmen, durch den Einsatz von Algorithmen sowohl Preise effizient zu optimieren als auch wettbewerbswidrige Absprachen zu erleichtern. In diesem Zusammenhang werden verschiedene rechtliche Fragestellungen, insbesondere zur Haftungszurechnung und Beweislastverteilung, untersucht. Zudem werden Compliance-Strategien vorgestellt, um Unternehmen Handlungsempfehlungen zur rechtmäßigen Nutzung von Preissetzungsalgorithmen zu geben. Ein weiteres zentrales Problemfeld ist die Rolle der sogenannten „Robo Seller“ – automatisierte Verkaufsprozesse, die auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind. Diese könnten die Möglichkeit von Oligopolisten erhöhen, dauerhafte Kartelle zu etablieren, da sie in der Lage sind, Nash-Gleichgewichtspreise zu setzen, die über dem Wettbewerbsniveau liegen. Besonders bedenklich ist, dass durch maschinelles Lernen und Try-and-Error-Verfahren eine implizite Preisabsprache entstehen kann, ohne dass eine explizite Willensübereinstimmung zwischen den Marktteilnehmern erforderlich ist. Dadurch könnten Algorithmen quasi-natürliche Kollusionsmechanismen entwickeln, die einer klassischen Kartellbildung sehr nahekommen. Die Untersuchung dieser Problematik erfolgt aus einer interdisziplinären Perspektive, die sowohl ökonomische als auch rechtliche und technische Aspekte der algorithmischen Preissetzung berücksichtigt. Die Arbeit analysiert die Unterschiede zwischen parallelem Verhalten und expliziter Kollusion durch Algorithmen und ordnet diese im Lichte des europäischen Kartellrechts ein. Abschließend werden mögliche regulatorische Lösungsansätze aufgezeigt, um eine effektive Kontrolle der algorithmischen Preisbildung sicherzustellen, ohne die Innovationskraft digitaler Märkte unverhältnismäßig einzuschränken. Diese Arbeit leistet somit einen Beitrag zur aktuellen Debatte über die Vereinbarkeit algorithmischer Preissetzungsmechanismen mit dem europäischen Wettbewerbsrecht und zeigt Wege zur rechtssicheren Implementierung von KI-gestützten Preismodellen auf.
Abstract
(Englisch)
The increasing digitalization and technological progress have far-reaching implications for competition law, particularly in the area of algorithmic pricing. In this context, this paper examines the forms of infringement under Article 101(1) TFEU in relation to the use of algorithmic pricing mechanisms. While the application of artificial intelligence (AI) in pricing strategies has already caused disruptive changes in various economic sectors such as finance, travel, and legal consulting, its classification under competition law remains unresolved. A key challenge lies in determining whether and to what extent the use of pricing algorithms facilitates tacit collusion among competitors. While Article 101 TFEU explicitly prohibits concerted practices and cartel agreements, tacit collusion—i.e., intelligent adaptation to competitors’ behavior without explicit communication—remains unregulated. The increasing use of price monitoring software may enable cartel formation without physical meetings, making detection and enforcement by competition authorities significantly more difficult. Although no concrete case has yet been recorded in which self-learning algorithms have autonomously developed collusive pricing strategies, judicial scrutiny of this issue is inevitable in the future. This paper places special emphasis on the competition law classification of so-called Hub & Spoke cartels. This structure allows companies to not only optimize prices efficiently through algorithms but also facilitate anti-competitive agreements. In this regard, various legal issues, particularly concerning liability attribution and burden of proof, are examined. Additionally, compliance strategies are presented to provide companies with guidance on the lawful use of pricing algorithms. Another critical issue is the role of so-called "Robo Sellers"—automated sales processes designed for profit maximization. These could enhance the ability of oligopolists to establish long-term cartels, as they can set Nash equilibrium prices above competitive levels. Particularly concerning is the fact that machine learning and trial-and-error processes may lead to implicit price coordination without explicit agreement among market participants. Consequently, algorithms could develop quasi-natural collusion mechanisms that closely resemble traditional cartel formation. The examination of this issue follows an interdisciplinary approach, incorporating economic, legal, and technical perspectives on algorithmic pricing. The paper analyzes the differences between parallel behavior and explicit collusion through algorithms and evaluates them in light of European competition law. Finally, potential regulatory solutions are discussed to ensure effective control of algorithmic pricing while avoiding disproportionate restrictions on digital market innovation. Thus, this paper contributes to the ongoing debate on the compatibility of algorithmic pricing mechanisms with European competition law and highlights pathways for the legally compliant implementation of AI-driven pricing models.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Europäisches Wettbewerbsrecht Algorithmische Preissetzungsmechanismen Hub & Spoke Kartellrecht Art 101 AEUV
Schlagwörter
(Englisch)
algorithmic collusion european competition law pricing algorithms Art 101 TFEU
Autor*innen
Patrik Marek
Haupttitel (Deutsch)
Die Begehungsformen des Art 101 Abs 1 AEUV im Rahmen der Verwendung von algorithmisierten Preissetzungsmechanismen
Paralleltitel (Englisch)
The forms of infringement of art 101(1) TFEU in the context of the use of algorithmic pricing mechanisms
Publikationsjahr
2025
Umfangsangabe
132 Seiten, 30 ungezählte Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Arthur Weilinger
Klassifikation
86 Recht > 86.29 Wettbewerbsrecht. Kartellrecht
AC Nummer
AC17494403
Utheses ID
75323
Studienkennzahl
UA | 066 | 915 | |
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