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Theorien intergenerationeller Gerechtigkeit und die Pflicht zum klimaschonenden Verhalten
Lösungsansätze für die konzeptionellen Herausforderungen fehlende Reziprozität, Nicht-Identitätsproblem und epistemische Unsicherheiten im Vergleich
Anita Maria Waldner
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Interdisziplinäre Ethik
Betreuer*in
Elisabeth Holzleithner
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.78836
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-26528.83231.463732-1
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die Tatsache, dass anthropogener Klimawandel stattfindet und er v.a. für zukünftig Lebende eine große Bedrohung darstellt, weil die gravierendsten Folgen mit temporaler Verzögerung eintreten, kann nicht mehr ernsthaft angezweifelt werden. Daraus folgt, dass Handlungen oder Unterlassungen, die den anthropogenen Klimawandel fördern, eine Schädigung zukünftig Lebender darstellen und sich daraus eine ethische Pflicht zum Klimaschutz für gegenwärtig Lebende ableitet. Diese Pflicht bezieht sich auf das Ermöglichen lebenswerten menschlichen Daseins in der Zukunft (diese Arbeit berücksichtigt ausschließlich den anthropozentrischen Standpunkt). Drei konzeptionelle Herausforderungen, die sich in der theoretischen Begründung dieser Pflicht ergeben, werden in dieser Arbeit dargestellt und Lösungsansätze zu ihrer Überwindung diskutiert. In Ansätzen, die das Problem der fehlenden Reziprozität zwischen nicht-überlappenden Generationen durch indirekte Reziprozität zu lösen versuchen, ergeben sich Verpflichtungen zur Weitergabe bzw. Bewahrung eines Gutes (z.B. natürlicher Ressourcen) aus Transferleistungen, die eine Generation von der vorherigen erhalten hat. Dieses Modell überzeugt allerdings in der Intergenerationalität aufgrund der eingeschränkten Reichweite und der Unbestimmtheit des Inhalts der Transfers nicht. Außerdem wird aus dem Modell der indirekten Reziprozität nicht klar, welche Pflichten sich aus Verfehlungen oder mangelnder Sorgfalt der Vorgängergeneration(en) ergeben. Hier ist in der Klimaethik der menschenrechtsbasierte Ansatz vorzuziehen, der eine Verpflichtung zur Bewahrung einer Umwelt, die es zukünftigen Generationen ermöglicht, ihre Menschenrechte auf Leben, Gesundheit und Unterhalt zu verwirklichen, nicht am Verhalten früherer Generationen ausrichtet. Das Nicht-Identitätsproblem entsteht aus dem Umstand, dass (politische) Entscheidungen und daraus resultierende Handlungen aufgrund des menschlichen Reproduktionszyklus einen Einfluss darauf haben können, welche Individuen zum Leben gebracht werden. Aus diesem Grund ist klimaschädigendes Handeln nicht nur die Ursache für schlechte Lebensbedingungen zukünftig Lebender, sondern u.U. auch eine Voraussetzung für die Existenz dieser zukünftigen Individuen. Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, dass ein bestimmtes zukünftig lebendes Individuum als einzige Alternative zu einer Existenz unter schwierigen Umweltbedingungen nur die Nicht-Existenz hat. Es ist folglich kein interpersonaler Vergleich möglich, weshalb nicht von einer Schädigung dieses Individuums gesprochen werden kann und eine normative Begründung einer Pflicht zum klimaschonenden Handeln erschwert wird. Hier kann wiederum ein menschenrechtsbasierter Ansatz herangezogen werden, der es ermöglicht, personenunabhängig zu argumentieren. Um epistemischen Unsicherheiten zu begegnen, wird vom IPCC das Vorsorgeprinzip in seinen Empfehlungen an politische Entscheidungsträger:innen als Leitprinzip verwendet. Es besagt, dass Maßnahmen dann anzuwenden sind, wenn sie mit größter Wahrscheinlichkeit dazu geeignet sind, worst-case Szenarien zu vermeiden. Kritiker:innen des Vorsorgeprinzips sehen in Modellunsicherheiten, die sich wegen der Komplexität des Klimas an sich und aufgrund anderer relevanter Faktoren nicht vermeiden lassen, einen Grund für ihr fehlendes Vertrauen in die wissenschaftlichen Prognosen. Gerade diese Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren macht ein Risikokalkül in der Klimatologie unmöglich und etabliert das Vorsorgeprinzip als einzige Option.
Abstract
(Englisch)
It is a fact that anthropogenic climate change is happening and that it is most threatening for future human beings, as its most severe consequences will be temporally delayed. Hence it can be concluded that acts or omissions which promote human induced climate change harm future human beings. This means that there is an ethical duty for contemporaries to protect the environment in order to guarantee future human life (in this paper only the anthropogenic view is discussed) that is worth living. Three of the challenges that a theory trying to establish these duties faces are introduced and various approaches to solve them are discussed in this paper. Theories trying to solve the problem of missing reciprocity between nonoverlapping generations with the help of indirect reciprocity deduce duties to transfer, respectively preserve, a good (e.g. natural resources) from transfers that a generation received from the previous one. However, in the intergenerational context this model is unconvincing on account of its limited scope and the insufficiently defined content of the transfer. Finally, indirect reciprocity fails to clarify, how misbehaviour or a lack of care that previous generation(s) showed have to be dealt with. Therefore a human rights based approach serves climate ethics better, as it creates a duty to preserve the environment in a condition that enables future generations to realise their human rights to life, to health and subsistence and does not link it to the behaviour of previous generations. The non-identity problem evolves from the fact that (political) decisions might result in actions which, due to the human reproductive cycle, determine which future individuals will live. Hence actions that promote climate change are not only the cause of deteriorated future living conditions, but can also be the condition for the existence of a particular person. This results in the problem that the only alternative to a life that is hardly worth living is non-existence. In the light of this, no interpersonal comparison can be drawn and the future person cannot be considered as harmed, which undermines the normative foundation of duties to protect the climate. Once again a human rights based approach, which refrains from drawing a direct comparison between different potential lives of one person, is to be favoured. In order to meet the challenge of epistemic uncertainties, the precautionary principle guides the IPCC’s recommendations to political decision makers. This principle states that measures are to be taken if they are most likely to prevent worst-case scenarios. Critics of the precautionary principle view model uncertainties, which stem from the high complexity of the climate itself and are aggravated by other factors, as a reason for their lack of confidence in scientific climate projections. These elements of uncertainty render risk analysis impossible in the assessment of the consequences of climate change and therefore the precautionary principle is the only option left.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Intergenerationalität Nicht-Identitätsproblem Epistemische Unsicherheiten Fehlende Reziprozität Klimaethik
Autor*innen
Anita Maria Waldner
Haupttitel (Deutsch)
Theorien intergenerationeller Gerechtigkeit und die Pflicht zum klimaschonenden Verhalten
Hauptuntertitel (Deutsch)
Lösungsansätze für die konzeptionellen Herausforderungen fehlende Reziprozität, Nicht-Identitätsproblem und epistemische Unsicherheiten im Vergleich
Paralleltitel (Englisch)
Theories of intergenerational justice and the duty to protect the climate
Paralleluntertitel (Englisch)
approaches to the conceptual challenges lack of reciprocity, non-identity problem and epistemic uncertainties in comparison
Publikationsjahr
2025
Umfangsangabe
99 Seiten
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Elisabeth Holzleithner
Klassifikation
08 Philosophie > 08.38 Ethik
AC Nummer
AC17595185
Utheses ID
75699
Studienkennzahl
UA | 066 | 641 | |
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