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Leibesfrucht und Teufelspakt
die Problematisierung der Abtreibung in der Hexe und ihre Heimsuchungen
Jana Christin Lammerding
Art der Arbeit
Masterarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Studiumsbezeichnung bzw. Universitätlehrgang (ULG)
Masterstudium Theater-, Film- und Medienwissenschaft
Betreuer*in
Thomas Waitz
DOI
10.25365/thesis.79145
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-27181.63249.885615-9
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Der Diskurs zur Abtreibung wird heimgesucht. Im problematisierenden Sprechen über den Abbruch einer Schwangerschaft, in seiner problematisierenden Repräsentation, so scheint es, emergiert die Hexe als diskursformendes Prinzip. Die vorliegende Arbeit widmet sich diesem gespenstigen Erscheinen der Hexe in gegenwärtigen Problematisierungen der Abtreibung, indem sie nach den Prämissen seines Gewordenseins fragt und die genealogische Vorgeschichte gegenwärtiger reproduktionspolitischer Rationalitäten zu schreiben beginnt, in denen die Abtreibung als Problem sui generis verhandelt wird. Hauntologisch im Sinne Jacques Derridas und Avery Gordons und mithilfe einer Problematisierungsanalyse nach Michel Foucault wird sie daher eine medienkulturwissenschaftliche Historiographie veranschlagen und zu beantworten suchen, inwiefern einerseits sich die mediale Verfertigung der Hexe in der Frühen Neuzeit als Problematisierung der Abtreibung denken lässt und aufgrund dessen andererseits die Hexe gegenwärtige Artikulationen dieser Problematisierung ›heimsucht‹. Anhand Heinrich Kramers um 1486 publizierten dämonologischen Traktats Malleus Maleficarum lässt sich dafür zunächst die Morphologie einer frühneuzeitlichen Hexenfigur skizzieren, die sich in der Inversion oder Subversion genau der reproduktiven Praktiken und Vorgänge konstituiert, welche ihrerseits die ›gute‹ oder ›göttliche Frau‹ hervorbringen. Die Hexenfigur wird dabei zur Subjektivierungsmatrix, mit der im Problematisieren der Hexe auch ihre Praktiken und unter denen die Abtreibung problematisiert werden und ein Subjektivierungsfeld definiert wird, das Subjektpositionen ausgehend von reproduktiven Praktiken hervorbringt und in dem die Hexe als Intelligibilitätsschema fungiert. Zugleich bilden sich mit der darin angelegten Doppelproblematisierungsstruktur gouvernementale Techniken der Selbst- und Fremdführung heraus, die Reproduktionspraktiken zu überwachen und zu disziplinieren beginnen. Diese ›antworten‹ dabei auf die in dieser Arbeit veranschlagten Sorge um die Reproduktion, welche sich in den anthropophagen und infantiziden Praktiken der Hexe, die dem Verzehren der Fruchtbarkeit strukturanalog sind, ein allegorisches Bild gibt. Da die historische Figur der Hexe die Organisation des Wissensfeldes der Abtreibung prägte und leistete, verschränkten sich Hexen- und Abtreibungsdiskurs derart nachhaltig, dass selbst gegenwärtige Problematisierungen der Abtreibung unweigerlich die Hexe als intelligibilitätsstrukturierendes Prinzip aktivieren. Das gespenstige Erscheinen der Hexe als Objekt des Denkens ohne ›Anwesenheit‹ einer Hexenfigur, wie es sich in problematisierenden Repräsentationen der Abtreibung beobachten lässt, ist das, was ich mit Derrida die Heimsuchung der Hexe nenne.
Abstract
(Englisch)
Abortion discourse is haunted. In the problematizing speech about the termination of a pregnancy, and in its problematizing representations, the witch seems to emerge as a discourse-shaping principle. The thesis explores this ghostly appearance of the witch in contemporary problematizations of abortion by interrogating the premises of its emergence and beginning to trace the genealogy of reproductive rationalities in which abortion is treated as a problem sui generis. Drawing on Jacques Derrida’s and Avery Gordon’s hauntology, as well as a problematization analysis according to Michel Foucault, it will propose a media cultural studies historiography and seek to answer to which extent the construction of the witch in the early modern period can be thought of as a problematization of abortion and, on the other hand, how the witch haunts contemporary articulations of this problematization. Based on Heinrich Kramer’s c. 1486 demonological treatise Malleus Maleficarum, I’ll outline the morphology of an early modern witch figure, constituted precisely through the inversion or subversion of reproductive practices and processes that in turn produce the ›good‹ or ›godly woman‹. The witch thus becomes a matrix of subjectivation, in which the witch’s practices, including abortion, are problematized and a field of subjectivation is defined that produces subject positions based on reproductive practices and in which the witch functions as a schema of intelligibility. At the same time, the dual problematization structure gives rise to governmental techniques of self- and external regulation, designed to monitor and discipline reproductive practices. These techniques, I argue, ›respond‹ to what I call the ›the concern for reproduction‹, which is allegorically represented in the anthropophagic and infanticidal practices of witches, that are structurally analogous to the consumption of fertility itself. Since the historical figure of the witch shaped and contributed to the organisation of the field of knowledge surrounding abortion, the discourses on witches and abortion became so deeply intertwined that even contemporary problematizations of abortion inevitably reactivate the witch as a principle that structures intelligibility. The spectral appearance of the witch as an object of thought without the ›presence‹ of an actual witch figure, as can be observed in problematizing representations of abortion, is what I call, with Derrida, the haunting of the witch.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Hexe Abtreibung Medialität Heimsuchung Problematisierung Foucault Derrida Hauntologie Frühe Neuzeit Malleus Maleficarum Schwangerschaftsabbruch Gespenst Reproduktion Fruchtbarkeit Teufel Roper Diskurs Subjektivierung Gouvernementalität Disziplinierung Feminismus Gender Körper Infantizid Hexenverfolgung Inquisition
Schlagwörter
(Englisch)
Witch Abortion Foucault Derrida Roper Body Reproduction Infanticide Discourse Hauntology Hauntings Fertility Early Modern Period Malleus Maleficarum Feminism Spectres Gender
Autor*innen
Jana Christin Lammerding
Haupttitel (Deutsch)
Leibesfrucht und Teufelspakt
Hauptuntertitel (Deutsch)
die Problematisierung der Abtreibung in der Hexe und ihre Heimsuchungen
Paralleltitel (Englisch)
The fruit of the womb and the devil's pact
Publikationsjahr
2025
Umfangsangabe
127 Seiten : Illustrationen
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Thomas Waitz
Klassifikation
10 Geisteswissenschaften allgemein > 10.00 Geisteswissenschaften allgemein. Allgemeines
AC Nummer
AC17626950
Utheses ID
77431
Studienkennzahl
UA | 066 | 583 | |
