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Zwischen "Angst" und "Zeit" - zur Kommunikationssituation und Informationsweitergabe im Asylverfahren
eine empirische Studie in der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamts
Verena Plutzar
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Hans-Jürgen Krumm
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Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.8660
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30343.49665.587870-1
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Wer in Österreich oder in einem anderen Land der europäischen Union um Asyl ansuchen will, muss ein Zulassungsverfahren durchlaufen, in dem überprüft wird, ob der- oder diejenige auch dazu berechtigt ist, oder ob nicht vielmehr ein anderes europäisches Land für die Behandlung des Asylantrags zuständig ist. Die Überprüfung findet in dafür extra vom Bundesasylamt geschaffenen Erstaufnahmestellen statt und muss innerhalb von 28 Tagen erfolgen. Damit AsylwerberInnen in diesem extrem verkürzten Verfahren handlungsfähig werden, ist das Bundesasylamt verpflichtet, die AsylwerberInnen über den Ablauf des Verfahrens sowie deren Rechte und Pflichten zu informieren. Dafür sieht der Gesetzgeber die Aushändigung von Informationsblättern in einer den Asylsuchenden verständlichen Sprache zu Beginn des Verfahrens vor. Außerdem wird ihnen für den Fall, dass ihnen eine Zurückweisung droht, eine Rechtsberatung zur Seite gestellt. Ausgehend von der Annahme, dass die vorliegenden Informationsblätter des Bundesasylamts alleine den Zweck der ausreichenden Information nicht erfüllen können, wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit versucht zu klären, wie und unter welchen Kommunikationsbedingungen eine Weitergabe rechtlicher Informationen an Asylsuchende funktionieren kann. Dafür wurden zwei sich ergänzende Zugänge gewählt: Einerseits die Auseinandersetzung mit vorhandener Forschungsliteratur zu Kommunikation im Asylverfahren und andererseits eine empirische Untersuchung der Rechtspraxis in einer Erstaufnahmestelle des Bundesasylamts. Die Forschungsliteratur zeigte, dass die Interaktion im Asylverfahren durch die Aspekte der Institutionalität und der Interkulturalität bzw. der Translokalität bestimmt ist. Die institutionellen Rahmenbedingungen schaffen ein kommunikatives Ungleichgewicht zugunsten der Behörden, die weitgehend Kontrolle über die Interaktion und damit über die inhaltliche Gestaltung des Verfahrens haben. Die Interkulturalität und Translokalität des Verfahrens bringt Missverständnisse und Verstehenslücken, die selbst durch die eingesetzten DolmetscherInnen kaum überbrückt werden. Ganz im Gegenteil: Eingespannt in das Machtungleichgewicht zwischen Behörden und AsylwerberInnen verstärken sie dieses und die Fehlleistungen in der Dolmetschung können sich zuungunsten der Asylsuchenden auswirken. Dass sehr häufig nicht ausgebildete LaiendolmetscherInnen zum Einsatz kommen, ist eine weitere gravierende Schwäche in dem Bedingungsgefüge von Institutionalität und Translokalität. Dem institutionellen Ungleichgewicht innerhalb des Verfahrens müsste jedoch in einem rechtsstaatlichen Verfahren entgegengewirkt werden, denn der Rechtsstaat räumt den Verfahrensparteien grundlegende Kommunikations- und Informationsrechte ein. Dazu gehört die Informationspflicht ebenso wie ein zeitlicher Ablauf, der eine Vorbereitung auf die Einvernahmen ermöglicht wie auch eine „prozedurale Fürsorge“, die Personen mit geringem institutionellen Wissen während des Verfahrens unterstützt. Die Rechtsberatung kann diese Funktion übernehmen. Im Asylverfahren müssten diese Mittel jedoch den translokalen Bedingungen der Kommunikation angepasst werden, um die Informationen verständlich zu machen, was von Seiten der Behörden besondere Anstrengungen erfordern würde. Die empirische Untersuchung zeigte, dass in der Rechtspraxis weder die grundlegenden Kommunikations- und Informationsrechte der AsylwerberInnen gewahrt werden, noch dass besondere Anstrengungen zur Überwindung von Verstehenslücken und Missverständnissen geleistet werden. Die insgesamt 60 Interviews mit AsylwerberInnen und MitarbeiterInnen der Erstaufnahmestelle Ost machten deutlich, dass nicht alle AsylwerberInnen die Informationsblätter bekommen und dass diese auch meist nicht von allen verstanden bzw. in ihrer informativen Funktion wahrgenommen werden. Und auch der Einsatz der RechtsberaterInnen ist in der gegebenen Form nicht geeignet, das institutionelle und kommunikative Ungleichgewicht zugunsten der Asylsuchenden aufzuheben, da die Rechtsberatung erst zur zweiten Einvernahme angeboten wird, wenn die Vorentscheidung zur Zurückweisung des Antrags bereits gefallen ist und die RechtsberaterInnen außerdem nicht als unabhängig wahrgenommen werden. Die Konsequenz dieser verfehlten Informationsweitergabe ist, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen der Informationsbedarf der AsylwerberInnen nicht von offizieller Seite, sondern durch andere Flüchtlinge gedeckt wird, mit der Konsequenz, dass die meisten AsylwerberInnen falsch oder uninformiert in das Verfahren gehen. Um diese Situation zu verbessern, wäre die Etablierung eines Systems notwendig, das Asylsuchende wirklich zu Beginn des Verfahrens in einer für sie verständlichen Form informiert. Dafür müssten die schriftlichen Informationen vereinfacht und durch Beratungen in Gruppen und durch Personen, denen sie Vertrauen entgegenbringen können, ergänzt werden. Außerdem müsste Information vor der ersten Einvernahme gegeben werden. Als Personen des Vertrauens könnten dafür qualifizierte und extra ausgebildete Personen aus den Communities eingesetzt und von einer vom Innenministerium unabhängigen Stelle finanziert werden.
Abstract
(Englisch)
Because of the increasing regulation of national legal requirements the grant of asylum has become more and more difficult. If somebody looks for asylum in Austria, or in another European country, an admission procedure has to check for another countries responsibility. The Federal Asylum Office has established Initial Reception Centres where the admission procedure has to be done in 28 days. To ensure the action-ability of asylum-seekers within this process the Federal Asylum Office is legally obligated to inform them about the procedure and their rights and duties. Therefore the law demands that the Federal Asylum Office has to provide and hand out information sheets in languages of the asylum-seekers at the beginning of the admission procedure and to offer legal advice if a refoulement is announced. Under the assumption that these information sheets are not suitable for this purposes the starting point of this study was to find alternatives how asylum-seekers could be informed in an appropriate way that makes them really capable to act. Two approaches have been chosen: the examination of the outcomes in the field of communication within the asylum-seeking process on one hand and on the other hand an empirical research of the legal praxis in one of the Initial Reception Centres of the Federal Asylum Office. The results show that the interaction within the asylum seeking process is characterised by the institutional framework, which accounts for an communicative imbalance in favour for the authorities. Misinterpretations and comprehension gaps, caused by interculturality and translocality, lead to disadvantages for the asylum-seekers, especially under the given power relations. Interpreters are not always able to balance because often they take the side of the authorities or it might happen that they are not competent enough to communicate in the various languages asylum-seekers use. The fact that very often not qualified interpreters are employed is another weak point in the communication structure of the asylum seeking process. On the basis of a jurisprudential survey it was shown that a constitutional start provides fundamental rights of communication and information for all participants within a legal procedure to adjust the institutional imbalance in every step. The duty to inform the participants well is one aspect, another is the lapse of time to allow the participants to prepare for the hearing and a third one is a „procedural care“ that helps participants with less institutional knowledge to follow the procedure. The offer of legal advice could be such a „procedural care“. In the context of the asylum seeking procedures these instruments must be adapted to the translocal preconditions of the communication. This means to give more time for information and to make more efforts to make the information comprehensible. The survey in the Initial Reception Camp in Traiskirchen shows that the fundamental communication and information rights of the asylum-seekers are not respected. Either the information sheets are not handed out, or they are not understood in their purpose to inform and are not comprehensible at all. Almost no efforts by the authorities to make the information more comprehensible were observed. The employment of legal advisers is not effective too, because it is offered to late in the procedure and furthermore the asylum-seekers see them on the side of the authorities and therefore don´t trust them. Because of the lack of official information and the lack of trust in the authorities asylums-seekers ask other refugees to get answers. The consequence is that most asylum-seekers act with none or wrong information during the procedure . To change this situation, which is not convenient for a constitutional state, extensive changes in the Initial Reception Camps are necessary. A system has to be established that allows the asylum-seekers to be well informed before they make their testimonies. Consequently the information sheets need to be adapted, moreover they must be completed by group information and information given by persons of trust. (Da weiß ich nicht genau was du mit group information meinst, hoffe aber es passt so).These persons should be members of the asylum-seekers communities, well qualified for this mission and financed by an institution, which is independent of the Ministry of Inner Affairs.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
institutional communication intercultural communication translocal communication discourse interpreting in the asylum procedure asylum procedure asylum refugee convention interview study qualitative conten analysis
Schlagwörter
(Deutsch)
institutionelle Kommunikation interkulturelle Kommunikation translokale Kommunikation Diskurs Asylverfahren Asylrecht Genfer Flüchtlingskonvention Dolmetschen im Asylverfahren Interviewstudie qualitative Inhaltsanalyse
Autor*innen
Verena Plutzar
Haupttitel (Deutsch)
Zwischen "Angst" und "Zeit" - zur Kommunikationssituation und Informationsweitergabe im Asylverfahren
Hauptuntertitel (Deutsch)
eine empirische Studie in der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamts
Paralleltitel (Englisch)
Between "fears" and "time" - on the communication and information in the asylum seeking precedure ; a study in the initial reception center East of the Federal Asylum Office
Publikationsjahr
2009
Umfangsangabe
217 S. : Ill., graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Hans-Jürgen Krumm ,
Brigitta Busch
Klassifikationen
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.22 Sprachlenkung, Sprachpolitik ,
17 Sprach- und Literaturwissenschaft > 17.25 Soziolinguistik: Sonstiges ,
86 Recht > 86.53 Ausländerrecht, Asylrecht
AC Nummer
AC08029690
Utheses ID
7811
Studienkennzahl
UA | 092 | 332 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1