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Rausch, Halluzination und Wahnsinn
mediale Phantasmen in den Aufschreibesystemen Friedrich Kittlers
Christoph Weinberger
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Betreuer*in
Claus Pias
DOI
10.25365/thesis.9941
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29687.89741.376462-9
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
„Wahnsinn ist eine Metapher von Techniken“: In dieser Perspektive werden die von Friedrich Kittler in seiner epochemachenden Habilitationsschrift von 1984 ausgemachten „Aufschreibesysteme 1800 1900“ nachgezeichnet. Entgegen geisteswissenschaftlicher Technikvergessenheit geht es darum, die Entstehung der Welt aus „verdrängter“ Medientechnik in den Fokus zu rücken. Dabei versucht meine Arbeit, die Medientheorie der Kittlerschen Provenienz als umfassende Kulturanalyse im Gefolge von Kybernetik, Diskursarchäologie und strukturaler Psychoanalyse zu rekonstruieren.
Aufzuschlüsseln ist, wie „mediale Dispositive“ in zwei zentralen Modernisierungsschüben kollektive Formen von Phantasmen, Rauschzuständen und Wahnvorstellungen hervorgebracht haben: Um 1800 macht Kittler zufolge das Universalmedium Deutsche Dichtung Bücher „halluzinierbar wie Filme und interpretierbar wie Philosophien“. Die Idee vom „Menschen“, von „Geist“ und „Bedeutung“ wird laut Kittler zur zentralen (Wahn)Idee einer Epoche befördert. Mit der Ausdifferenzierung der Medien in Grammophon, Film, Typewriter um 1900 schließlich kommt jedem Sinn sein analoges Medium zu. Neben der Zersprengung alter Phantasmen erfolgt die Konfigurierung neuer: etwa im „imaginären“ Medium Film.
Im zweiten Teil meiner Doktorarbeit geht es darum, nachzuweisen, dass Kittlers Theoreme selbst diversen Phantasmen aufsitzen. Ein Hauptziel ist, die blinden Flecken des „medienmaterialistischen“ Projekts Kittlers – the dark side of the theory – aufscheinen zu lassen. Nicht nur gilt es Unstimmigkeiten in Kittlers Medientheorie zu verhandeln, sondern – noch radikaler – Kittler selbst auf Kittler anzuwenden und somit die unbewussten Seiten der „Aufschreibesysteme“ in den Blick zu bekommen. Zu verdeutlichen ist, dass Kittlers Denken an einen bestimmten technischen Status, ein wissenschaftliches und gesellschaftliches Apriori gebunden ist. Der Terminus „mediale Phantasmen“ soll jetzt seine Doppelstruktur entfalten, meint nicht mehr bloß mediale Phantasmen in den „Aufschreibesystemen“, sondern zugleich auch der „Aufschreibesysteme“ Friedrich Kittlers. Im letzten Großkapitel werden Kittlers Theoreme schließlich weiter kontextualisiert und diskursanalytisch in anderen geistes- und naturwissenschaftlichen Feldern verortet – ebenso wie in Literatur und Popularkultur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert. Als Bindeglied zwischen den zwei Teilen der Arbeit fungiert eine Analyse von Kittlers rhetorischen, stilistischen und performativen Strategien.
Abstract
(Englisch)
“Madness is a metaphor for technologies“: This is the main perspective from which I am dealing with Friedrich Kittler’s notorious “Discourse Networks 1800 1900“. My project will show how medial simulations of reality are formed and detached as “phantasms“ in Kittler’s book. My interest focuses on the illusionary and delusional impact of the two medial revolutions described in this basic text for “German Media Studies“: In the “Discourse Network 1800“ the universal media “Deutsche Dichtung“ makes “books being hallucinated like films and being interpreted like philosophies“. “Meaning“, “spirit“ and “signification“ are demasked as historical products and phantasms by Kittler. According to Kittler, the “Century of Nonsense“ begins with the new central analogue medias “Grammophon, Film, Typewriter“ about one hundred years later. The „Discourse Network 1900“ disrupts old media configurations, blows up old phantasms and installs new ones (e.g. in the medium film). Literature is now reduced to „pure materiality“, whereas utterly meaningless information such as “bodies“, “white noise“ or “physiological coincidences“ can be saved by the grammophon. Madness is displayed as being a technically simulated phenomenon in all three medias; Kittler assumes that one can no longer tell the madman from his/her simulator or the machine.
After the first reconstructional part of my doctoral thesis, the second part aims at applying Kittler’s method on Kittler himself. I try to demonstrate that Kittler’s theories are based on cultural, scientific, medial and technological “Aprioris“ as well. The term “phantasm“ now does not only refer to the phantasms Kittlers points out in his “Discourse Networks“, but also the phantasms underlying his own work. The theoretical and empirical ambition of my project is to detect this double-bind structure. Furthermore I focus on the rhetorical, metaphorical and performative strategies of Kittler and aim to contextualize his theory in other similar discourses – leading from cybernetics, philosophy, cultural studies to literature, movies and popular music in the 20th century.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
media theory literary criticsm philosophy
Schlagwörter
(Deutsch)
Medientheorie Literaturwissenschaft Philosophie
Autor*innen
Christoph Weinberger
Haupttitel (Deutsch)
Rausch, Halluzination und Wahnsinn
Hauptuntertitel (Deutsch)
mediale Phantasmen in den Aufschreibesystemen Friedrich Kittlers
Publikationsjahr
2010
Umfangsangabe
224 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Claus Pias
AC Nummer
AC08154991
Utheses ID
8968
Studienkennzahl
UA | 092 | 296 | |