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Der Begriff der Vorsehung bei Romano Guardini
Friedrich Vystrcil
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Katholisch-Theologische Fakultät
Betreuer*in
Marianne Schlosser
DOI
10.25365/thesis.9993
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30011.88262.638561-9
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
In dieser Arbeit wird der Begriff der Vorsehung im Denken Romano Guardinis betrachtet. Am Beginn steht eine Sammlung von Vorgaben, die sein Konzept beeinflusst haben könnten. Dazu zählen die Herkunft des Gedankens der Vorsehung aus der griechischen Philosophie, das Denken über die Fürsorge Gottes für seine Schöpfung in der Heiligen Schrift, sowie die Rezeption in der Lehre der Kirche bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.
Da Guardini seinen Entwurf auf das Fundament einer Perikope aus der Bergpredigt stellt (Mt 6,25-33), wird auch der exegetische Befund dieser Schriftstelle zur Zeit Guardinis beachtet. Schließlich gilt es auch den Begriff der Vorsehung zu erläutern, wie er von den Nationalsozialisten gebraucht wurde. Letztlich scheint dies der Auslöser für Guardinis Beschäftigung mit diesem Thema gewesen zu sein. Was die Vorgaben sonst betrifft ist zu
sagen, dass Guardini zweifellos Elemente aus der Entwicklung des Begriffes bei den Philosophen und Kirchenlehrern aufnimmt, dann aber auf diese Basis ein völlig neues Denken stellt.
Guardini hat sich mit diesem Thema in vielen Schriften befasst, zum einen Teil in geistlichen Texten, zum anderen Teil in anthropologischen Reflexionen. Die erste Beschäftigung erfolgte in schlichter Form in einer Predigt im Jahr 1916, die aber nicht als Vergleich heranzuziehen ist. Erst im Jahr 1939 präsentiert Guardini ein umfassendes System, von dem aus auch dann in dieser Arbeit die Entwicklung verfolgt wird. In den weiteren sechs Werken bis zum Jahr 1960, in denen er über die Vorsehung schreibt, wird das ursprüngliche Konzept erweitert, es ist aber weniger eine Entwicklung als eine Reifung, Ausgestaltung und Ergänzung.
Vorsehung ist für Guardini die Führung hin auf eine neue Welt, die werden soll. Er entfaltet den Begriff der Umwelt, die sich um jeden einzelnen Menschen durch äußere und innere Einflüsse bildet. In beinahe allen ausführlicheren Erörterungen zum Thema Vorsehung widerlegt er auch unzureichende Sichtweisen von Vorsehung, die alle unpersönlich bleiben, eher als Schicksal zu bezeichnen, und daher abzulehnen sind. Er gründet sein Denken über die Vorsehung auf die Offenbarung, näherhin auf Mt 6,25-33. Gott sorgt für die Blumen, also auch für die Menschen. Das ist jedoch keine märchenhafte Idylle, weil dies nur unter der Bedingung erfolgt, dass sich der Mensch um das Reich Gottes sorgt. Die Vorsehung vollzieht sich auch ohne den Menschen in der Führung des Weltgeschehens durch den Schöpfer, das ist aber nur ihr Beginn; ihre Vollendung findet die Vorsehung erst, wenn der Mensch umkehrt und in das Einvernehmen tritt, das die Bergpredigt fordert. Sie ist daher nicht passiv, sondern verlangt die Mitwirkung des Menschen. Ein solcher Mensch hat einen
neuen Mittelpunkt des Lebens, die Umwelt um ihn verändert sich von innen her. Damit ist er auch im Vorletzten gelassen, weil er im Letzten geborgen ist. Ein solcher Mitarbeiter Gottes an seinem Reich wird zur Eintrittstelle für die schöpferische Kraft Gottes in diese Welt. Die Welt verändert sich dadurch in einer Weise, wie sie es aus sich selbst nicht vermag. Deutlich sieht man dies am Beispiel der Heiligen.
Dennoch bleiben Fragen. Es bleibt ein Geheimnis, warum trotz allem Mühen um das Reich Gottes dem Menschen das Notwendigste zum Leben manchmal fehlt. Durch den
eschatologischen Charakter der Vorsehung wird der völlige Zusammenhang aller Dinge erst im Gericht offenbar werden. Dies bedeutet nicht, dass man das Diesseits verachten soll.
Im Gegenteil soll man beten um zu erkennen, was jetzt für das Reich Gottes getan werden muss. Aus der Mitwirkung des Menschen an der Vorsehung darf jedoch nicht das Missverständnis folgen, dass aus dem eigenen Tun eine eigene Religion gemacht und damit die Vorsehung rein zur Tat des Menschen wird.
Gegen Ende dieser Arbeit wird in aller Kürze mittels einer repräsentativen Auswahl von aktuellen Dogmatiklehrbüchern und einer neueren Exegese zu Mt 6,25-33 untersucht, ob
sich die Konzeption Guardinis über die göttliche Vorsehung ausgewirkt hat. Dies ist leider zu verneinen, meines Erachtens nach würde auch eine größere Anzahl an untersuchten
Dogmatiken und Exegesen an diesem Ergebnis nichts ändern.
Den Abschluss bildet ein Ausblick mit Anregungen, wie das Denken Guardinis über die göttliche Vorsehung für die heutige Zeit fruchtbar gemacht werden kann.
Abstract
(Englisch)
This diploma thesis treats the concept of Divine Providence in the thinking of Romano Guardini. It begins with a survey of specific problems that might have influenced his thinking. Among these are the origins of the concept of providence in Greek philosophy, the notion of God’s caring for his creation in the Scriptures, as well as its reception into the doctrine of the Church up to the beginning of the 20th century. Since Guardini’s approach is based on a passage taken from the Sermon on the Mount (Mt. 6,25-33), I explore the exegetical significance of this pericope in Guardini’s days. Finally, the concept of providence, as used by the National Socialists, has to be explained as well. In fact, it seems to have been this concept that ultimately led Guardini to deal with the subject in question. As to other specific problems, it is important to note that, without doubt, Guardini has taken over elements in the development of the concept of providence from the writings of philosophers and Doctors of the Church, yet creating a completely new concept with a basis in their fundamental concepts.
Guardini dealt with the theme of Divine Providence in a great number of writings – partly in spiritual texts, partly in anthropological reflections. The first treatment of the question of providence dates back to 1916, when Guardini spoke plainly about it in a sermon which, however, cannot be the point of departure for this paper. It was only in 1939 that he presented a comprehensive system, which is taken as the starting point for the reflections in this paper. In the rest of his six works dealing with the question of providence, up to 1960, he elaborated upon the original concept. However, he shaped and complemented the original concept more than developing it further.
For Guardini providence is that which guides us towards a new world that is yet to become. He develops the concept of environment that is formed around every individual through both external and internal influences. In almost all of his more detailed disquisitions on providence he refutes inadequate views of providence: they are impersonal, rather seen as fate, and therefore to be rejected. His conception of providence is based on Divine Revelation, that is to say, on Mt. 6,25-33. God provides for the flowers, consequently also for man. But this is in no way a magical idyll, because it only takes place, if man cares for the Kingdom of God. Providence happens without man as well, inasmuch as God is guiding the universe, but this is only its beginning: providence is completed only when man accomplishes his conversion and agrees to the demands of the Sermon on the Mount.
Therefore providence is by no means a passive course of events; it calls for human collaboration. Such a human being has a new center in his/her life and the environment around him/her changes from the inside. For this reason he/she will remain equanimitous in this world, because he experiences a feeling of ultimate security. Such a collaborator of the Kingdom of God will be the point of entry for God’s creative power into the world. The world changes in such a way as would not be possible to achieve on its own. This can clearly be seen in the example of the Saints.
Yet, questions remain. It is still a mystery why man so often lacks the bare necessities of life, although he strives so hard for the coming of the Kingdom of God. Since Providence is essentially eschatologically oriented, the complete coherence of all things will be revealed only in the Last Judgment. This does not mean that this world has to be despised. On the contrary, one has to pray in order to discern what must be done here and now for the Kingdom of God. But human collaboration with the Kingdom of God must not lead to the misconception that only human activity forms the basis of religion and Providence is solely
a human activity. Using a representative selection of current textbooks of Dogmatic Theology and of recent exegeses of Mt. 6,25-33, the final statements of this paper move toward and explore the question of whether Guardini’s conception of Divine Providence has had any impact on contemporary thinking. Unfortunately this must be answered in the negative. To my mind,
further exploration into the matter would not alter this finding.
The conclusion of this paper presents some suggestions about how Romano Guardini’s thinking on Divine Providence might be effectively applied in our times.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Guardini Vorsehung
Autor*innen
Friedrich Vystrcil
Haupttitel (Deutsch)
Der Begriff der Vorsehung bei Romano Guardini
Publikationsjahr
2010
Umfangsangabe
117 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Marianne Schlosser
AC Nummer
AC08219985
Utheses ID
9017
Studienkennzahl
UA | 011 | | |