Detailansicht

G. W. F. Hegels Geschichtsphilosophie in ihrer Relevanz für ein Verständnis des modernen Europa
Leonhard Weiss
Art der Arbeit
Dissertation
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft
Betreuer*in
Herta Nagl
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.10021
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29085.91800.980865-5
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
In der Arbeit wird versucht, die vielfältigen philosophischen Reflexionen Georg Wilhelm Friedrich Hegels zur europäischen Geschichte und Kultur für ein aktuelles Verständnis des modernen Europa fruchtbar zu machen. Betrachtet man die Vielfalt auch philosophischer Beiträge zu zeitgenössischen Debatten um Europa, fällt auf, dass in vielen Texten, die eine Charakterisierung dessen versuchen, was die Begriffe „Europa“ beziehungsweise „europäisch“ bezeichnen, historische Überlegungen eine zentrale Rolle spielen. Oft wird das spezifisch „Europäische“ aus geschichtlichen Phänomenen, Europa prägenden „Wurzeln“ oder „Erbschaften“ hergeleitet beziehungsweise anhand des Umgangs mit eben diesen Phänomenen verdeutlicht. Angesichts dieser scheinbaren Relevanz der Geschichte für ein Verständnis des modernen Europa stellt sich zunächst die Frage nach dem Grund derselben. Zu Beginn der Arbeit wird daher im Rückgriff auf die grundlegenden geschichtsphilosophischen Überlegungen Hegels unter anderem gezeigt, dass die Bedeutung historischer Aussagen für eine Theorie der Gegenwart nicht in einer möglichen legitimierenden Funktion liegt – da, wie Hegel betont, historische „Erbschaften“ vor allem Aufforderungen zur „Verarbeitung“, zur Verwandlung derselben sind – sondern vielmehr darin, dass wir durch die Beschäftigung mit der Geschichte unterschiedliche Formen des Bewusstseins dessen, was es heißt, als Mensch in der Welt zu sein, kennen lernen und damit etwas über unsere Existenz als Menschen aber auch über mögliche Alternativen zu unserer gegenwärtigen Situation erfahren können. Die Relevanz der Geschichte im Rahmen eines aktuellen Nachdenkens über Europa kann daher als Ausdruck eines für das europäische Denken wesentlichen Hinterfragens der eigenen Existenz, des Wunsches nach einem Verständnis derselben verstanden werden. Im zentralen zweiten Abschnitt der Arbeit werden die für Hegel wesentlichen Phänomene der europäischen Geschichte und vor allem die Auswirkungen derselben auf die Entwicklung eines für das moderne Europa prägenden Welt- und Menschenbildes betrachtet. Dabei zeigt sich unter anderem die besondere Bedeutung, die dem Christentum im Rahmen der europäischen Geschichte zukommt, da mit dem trinitarischen Gottesbegriff des Christentums und der Vorstellung der Menschwerdung Gottes nach Ansicht Hegels der Gedanke des Selbstzwecks und der Freiheit jedes Menschen verbunden ist. Vom Feudalismus des Mittelalters über die politischen Folgen der Reformation, den für das moderne europäische Denken so zentralen Begriff der subjektiven Freiheit mit allen seinen moral- und rechtsphilosophischen Konsequenzen bis hin zur bürgerlichen Gesellschaft und vor allem zum modernen Rechtstaat ist für Hegel die europäische Geschichte unter anderem von der Dynamik dieses Menschenbildes bestimmt. Dem modernen Staat kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sich die Achtung der Freiheit aller Menschen erst in der Allgemeinheit einer Rechtsstaatlichkeit realisieren kann; in einer Allgemeinheit, die sich aber auch von der Begrenztheit der, so Hegel, in der „Form der Autorität und des Glaubens“ verfassten religiösen Begrifflichkeit distanzieren muss. Daher können aus der von Hegel betonten Bedeutung des Christentums für die europäische Geschichte keine Aufrufe zur „Wiederentdeckung“ des Religiösen oder gar zur religiösen Legitimation des modernen Europa abgeleitet werden, sondern vielmehr die Aufforderung zur Entfaltung eines einem differenzierten Begriff menschlicher Freiheit entsprechenden politischen Systems. Hegels geschichts- und rechtsphilosophischen Überlegungen weisen darauf hin, wie stark die Dynamik der europäischen Geschichte von Differenzen und Gegensätzen bestimmt ist. Besondere Relevanz kommt dabei dem spannungsreichen Verhältnis von Individualität und Allgemeinheit zu, da sich das moderne Europa nur von der Anerkennung des Prinzips der subjektiven Freiheit und von der Einsicht in die Notwendigkeit von Allgemeinheit her verstehen lässt. Im abschließenden dritten Teil der Arbeit wird nach einigen die im ersten und zweiten Teil entfalteten Reflexionen zusammenfassenden Überlegungen zur Bedeutung des Geschichtsbewusstseins und des Christentums für das modernen Europa unter anderem die Frage gestellt, ob angesichts der von Hegel hervorgehobenen Bedeutung des Prinzips der Freiheit aller Menschen für die europäische Geschichte, Gesellschaft und Politik nicht notwendigerweise auch das Thema eines europäischen Staates als Realisation dieses Prinzips aktuell werden muss.
Abstract
(Englisch)
The paper on hand is an attempt at applying Georg Friedrich Wilhelm Hegels philosophical thoughts on european history and culture to establish an up-to-date view on modern Europe. Taking a look at the wide variety of inputs, many of them from a philosophical point of view, in the current debate on Europe, on can´t help to notice the historical dimension attributed to the terms „Europe“ and „European“. That which is specifically European is often derived from historical phenomenons, Europa‘s roots and heritage and the way this topics are handled. History is important for a deeper insight in modern Europe, but why? Taking a look at Hegel’s philosophy of history, the beginning of this paper intends to show that the meaning of historical statements is not to try to legitimate – for, as Hegel says, heritage is always an invitation to cope with it and transform it – but it lays in getting to know different conceptions of what being human really means, so that we get a deeper insight in human existence and alternatives to our current state of being are shown. So what is really important in this connection of history and modern thinking is that it signifies a critical analyzis of one’s own existence and the wish for a deeper understanding which is integral to the european way of thinking. The second part of this paper deals with parts of European history important to Hegel and how they influenced the development of Europe’s world view and idea of man. The major role of Christianity is demonstrated, for the conceptions of Trinity and Incarnation are deeply interrelated to the notion of an end in itself and the personal freedom of each individual. According to Hegel, European history is formed by this idea of man, from the feudalism of the middle ages to the reformation and its consequences in politics, men’s way of thinking on the important term of personal freedom with all that it means, morally and legally, right up to the civic society and modern rule of law. The modern state is of a specific importance, for personal freedom can only exist in a constitutional state, which therefore has to dissociate itself from the narrow perspective of an abstract religious conception based on the outward signs of authority and belief. From this of course follows that although Hegel states the importance of Christianity for European history, it is no request fo a revival of religion or for a religious legitimation of Europe. It is a call for the generation of political system which is in accordance with a sophisticated concept of personal freedom Hegel’s thoughts on the philosophy of history and law are an indication of how the course European history is defined by deviation and polarity. Of special interest is the tensed relation between individual and community. Modern Europe can only be unterstood by a reference to the recognition of the concept of subjective freedom and the acknowledgement of the need of commonalty. The third and final part of this paper gives a reflective overwiev, based on the topics covered so far, of the meaning of historical awareness and Christianity for modern Europe. The question is raised that if the conception of personal freedom of all mankind is as important for European history, society an politics as Hegel states, doesn´t it follow that the notion of one European state is a logical conclusion that has to be considered?

Schlagwörter

Schlagwörter
(Englisch)
G.W.F. Hegel philosophy of history europe history Christianity freedom
Schlagwörter
(Deutsch)
G.W.F. Hegel Geschichtsphilosophie Europa Geschichte Christentum Moderne Freiheit
Autor*innen
Leonhard Weiss
Haupttitel (Deutsch)
G. W. F. Hegels Geschichtsphilosophie in ihrer Relevanz für ein Verständnis des modernen Europa
Publikationsjahr
2010
Umfangsangabe
212 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*innen
Herta Nagl ,
Rudolf Langthaler
Klassifikationen
08 Philosophie > 08.43 Geschichtsphilosophie ,
08 Philosophie > 08.45 Politische Philosophie
AC Nummer
AC08225367
Utheses ID
9045
Studienkennzahl
UA | 092 | 296 | |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1