Detailansicht
Die Ma-mo im tibetischen Kulturraum
ihre Bedeutung und Funktion in Religion, Ritual und Magie
Isabella Lorenz
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Fakultät für Sozialwissenschaften
Betreuer*in
Manfred Kremser
DOI
10.25365/thesis.70594
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29730.18520.731966-0
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Die tibetischen ma-mo können mitunter in vielfältiger Art und Weise erscheinen. Im Allgemeinen handelt es sich um eine bestimmte Kategorie von weiblichen Wesen innerhalb des komplexen und reichhaltigen Pantheons des tibetischen Kulturraumes. Auf den Darstellungen werden sie in der Regel äusserst furchterregend, wild und bedrohlich dargestellt. Mit ihren typischen ausgezehrten Hängebrüsten und mit wirren struppigen Haaren, stehen sie oft knietief in roten Seen aus Menschenblut. Und ihr charakteristisches Attribut ist ein Beutel, der prall mit Pestilenzen, Seuchen (nad rkyal) oder auch Hagelkörnern befüllt ist. In den meisten Quellen sind die ma-mo daher als weibliche “Dämonen“ oder Hexen beschrieben, die auf Leichenstätten hausen, und sich mit Vorliebe von Menschenblut ernähren. Im tibetischen Volksglauben werden sie traditionell vor allem für den Ausbruch von Krankheiten, Hagel und Waffenstreit verantwortlich gemacht. Sie gelten als potentiell gefährlich, und im Alltag versucht man allgemein Vorsicht walten zu lassen, um diese Wesenheiten nicht zu erzürnen. Sie sind immer empfänglich für Opfergaben und Huldigung, aber jederzeit besteht die Gefahr, dass sie sich durch gewisse Nachlässigkeiten und durch menschliches Fehlverhalten provoziert fühlen. Verabsäumt der Mensch etwa ihnen den gebührlichen Respekt zu zollen, oder dringt er unerlaubt in ihren Lebensraum ein, so werden sie rasch zu fürchterlichen Rächerinnen. Moralisches, gesellschaftliches oder religiöses Fehlverhalten kann den schrecklichen Zorn der ma-mo heraufbeschwören. Und es heißt, wenn die ma-mo erst einmal zürnend umhergehen, dann brechen allerorts Streitereien und Epidemien unter den Menschen und Tieren aus. Daher kennen die TibeterInnen eine Vielzahl an Ritualen um aufgebrachte ma-mo wieder zu besänftigen, um sich vor ihrem Zorn zu schützen, oder sie bereits im Vorfeld durch regelmässige Zeremonien und Opfergaben zu befrieden, sodass sie einen erst gar nicht mehr angreifen. Auf der anderen Seite sind aber auch einzelne ma-mo bekannt, die als (weltliche) Schutzgottheiten der Lehre, sowohl des Buddhismus, als auch des Bön, fungieren. Einer Legende nach sollen die ma-mo auch von Padmasambhava persönlich mit dem Schutz der heiligen gter ma-Schätze betraut worden sein. In dieser Funktion sind sie also, zumindest in gewissen Aspekten, mit den ḍākinī gleichgesetzt. Und die Anführerin der ma-mo, die mächtige dPal ldan lha mo, gilt sogar als eine der höchsten ausserweltlichen dharmapāla des tibetischen Buddhismus, als Schützerin der dGe lugs pa-Tradition und als persönliche Schutzgottheit der Dalai Lamas.
Die vorliegende Arbeit hat nun versucht das Phänomen der tibetischen ma-mo in ihrem kulturellen und sozialen Umfeld zu verorten, und ihre Bedeutung und Funktion in Religion, Ritual und Magie innerhalb des tibetischen Kulturraumes näher zu beleuchten. Ein Anspruch lag darin, dem interessierten Leser einen wertvollen Überblick zu geben, sowohl über die Stellung der ma-mo im orthodoxen Buddhismus und im Bön, wie auch über ihre Rolle in der sogenannten “Volksreligion“ und dem alltäglichen Leben der Menschen.
Diese Arbeit beschäftigt sich unter anderem mit ihrer Position innerhalb des komplexen tibetischen Pantheons, beleuchtet ihre Darstellung in der reichhaltigen religiösen Ikonographie und Mythenwelt, und versucht dabei auch der Frage nachzugehen, was die abendländischen Begriffe wie “Gott“, “Gottheit“ oder “Dämon“ im tibetischen Kulturraum überhaupt bedeuten. Ein großes Kapitel befasst sich mit den ma-mo in der gelebten “Volksreligion“. Dabei wird auf ihre Rolle in Ritualwesen und Magie, etwa im Rahmen der tibetischen Heilungsriten, der Wetterzauberei, der Schutz- und Abwehrmagie, aber auch der Divination und Astrologie, näher eingegangen.
Mir ist derzeit keine Arbeit bekannt, die sich explizit und schwerpunktmäßig mit den ma-mo beschäftigt hat, mit Ausnahme der Dissertation von Eva Neumaier aus dem Jahr 1966: „Mātarah und Ma-mo. Studien zur Mythologie des Lamaismus“. Und Renee Nebesky-Wojkowitz hat ein Kapitel in seinem einflußreichen Werk „Oracles and Demons in Tibet: The Cult and Iconography of the Tibetan Protective Deities“ den ma-mo gewidmet. Dennoch haben einige Autoren/Innen die ma-mo im Zuge ihrer Forschungen zu anderen Themen zumindest erwähnt. Und genau darin liegt das Anliegen dieser Arbeit: Die verschiedenen Quellen zusammenzuführen, und einen ersten größeren deskriptiven Überblick über das vielschichtige Phänomen der tibetischen ma-mo zu wagen, eine erste umfassendere Zusammenstellung der unterschiedlichen Facetten, Formen und Bedeutungen der ma-mo in der tibetischen Religionspraxis, in Kult- Magie- und Ritualwesen des tibetischen Kulturraumes. Auch wenn die vorliegende Arbeit nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, so hofft sie doch einen wertvollen Einblick in die Figur der ma-mo zu gewähren, und dabei den interessierten Leser(n)Innen einige zusätzliche Informationen bezüglich der tibetischen Ansichten über “Gottheiten“, “Dämonen“ und “übernatürlicher Wesen“ bereitzustellen, wie auch einen kleinen Ausschnitt der vielfältigen religiösen Praktiken und Vorstellungen des tibetischen Kulturraumes insgesamt zu zeigen.
Abstract
(Englisch)
The current work tries to examine the significance of the ma-mo in religion, ritual and magical custom within the Tibetan cultural area. It is quite difficult to determine what exactly the ma-mo are. In general, the ma-mo form a specific category of - normally invisible - supernatural beings or worldly spirits, usually depicted with a very frightful appearance. In iconography they are represented as ferocious female figures with matted hair and characteristic pendolous and emaciated breasts. And they carry their typical attribute, a sack full of pestilences, diseases (nad rkyal), lightning and hail. Some say they are female demons or wrathful witches, who are dwelling in charnel-grounds and thirsting for human blood and flesh. In Tibetan folk-belief they are held responsible for causing pestilences, hailstorms and other calamaties. They are seen as potentially dangerous, and must be treated with great respect. They can easily become annoyed, and when angered or disturbed by disrespectful behaviour, they send diseases and other calamities to the people. But also the violation of social, moral and religious norms can provoke their wrath. And it is said, whenever the angered ma-mo are going around, then the people start fighting and quarreling, and bad diseases break out among them and their livestock. Therefore a lot of rituals are known to calm down the anger of the ma-mo, to worship them regularly, and to avoid an attack. On the other hand, there are some well known ma-mo who are regarded to be worldly protection deities, others are said to guard the spiritual gter ma-treasures and to help the spiritual seeker on his way. In this function they seem to be put on a level with the Indian ḍākinī. And their mistress, the dPal ldan lha mo, is indeed one of the most worshipped dharmapāla in Tibetan Buddhism, and the chief guardian deity of the dGe lugs pa-tradition and the Dalai Lamas.
This work tries now to examine the importance of this figure for both, the orthodox Buddhists and the Bon po, and to look also into the relevance of the ma-mo in the so-called Tibetan folk-tradition, the everyday life of the people.
It therefore tries to give an overview of their position within the Tibetan pantheon, to examine their representation and iconography, and to provide an insight into the rich array of myths and cults concerning worshipping these beings. A big chapter deals with the ma-mo in “folk-religion“ and their function in ritual and magical custom. For that reason it is looking into the relevance of the ma-mo in healing-rituals, in divination, astrology and magic. Today the available information on Tibetan deities and supernatural beings is still very small. The most comprehensive work was made in the 1950s, when Renee Nebesky-Wojkowitz wrote his influential work “Oracles and Demons in Tibet: The Cult and Iconography of the Tibetan Protective Deities“. To me still no scientific work is known until today, which deals elaboratley with this complex figur, although some authors did mention the ma-mo during their own studies concerning other topics. At this point one should mention one exception. Eva Neumaier did her master thesis in 1966 on: „Mātarah und Ma-mo. Studien zur Mythologie des Lamaismus“.
The claim of this work is now to bring together all the different resources, and to give a first larger overview of the Tibetan ma-mo. Indeed its not intended to be exhaustive, this work hopes hopes to give a valuable insight into this figure, but also to provide the reader with some further informations about the complex issue of “deities“, “spirits“ and “demons“ and their related cults within the Tibetan cultural area.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Englisch)
ma-mo tibetan cultural area Tibet religion ritual magic Tibetan Buddhism Bon folk-religion gods spirits demons cultural and social anthropology
Schlagwörter
(Deutsch)
ma-mo tibetischer Kulturraum Tibet Religion Ritual Magie Tibetischer Buddhismus Bön Volksreligion tibetisches Pantheon Gottheiten Geister Dämonen Ethnologie Kultur- und Sozialanthropologie
Autor*innen
Isabella Lorenz
Haupttitel (Deutsch)
Die Ma-mo im tibetischen Kulturraum
Hauptuntertitel (Deutsch)
ihre Bedeutung und Funktion in Religion, Ritual und Magie
Publikationsjahr
2010
Umfangsangabe
II, 193 S.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Manfred Kremser
Klassifikationen
11 Theologie > 11.93 Buddhismus ,
15 Geschichte > 15.75 Asien: Allgemeines ,
73 Ethnologie > 73.00 Ethnologie: Allgemeines ,
73 Ethnologie > 73.08 Regionale Ethnologie ,
73 Ethnologie > 73.55 Religionsethnologie: Allgemeines ,
73 Ethnologie > 73.56 Mythologie ,
73 Ethnologie > 73.57 Kulte, Riten ,
73 Ethnologie > 73.58 Magie ,
73 Ethnologie > 73.59 Religionsethnologie: Sonstiges
AC Nummer
AC08164472
Utheses ID
9126
Studienkennzahl
UA | 307 | | |