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Sobre la memoria cultural e histórica en Guatemala
la obra de Carol Zardetto - "Con pasión absoluta"
María del Pilar Maldonado Paz de Lendl
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Peter Cichon
DOI
10.25365/thesis.10826
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-30239.19879.888464-0
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(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)
Abstracts
Abstract
(Deutsch)
Zum Verständnis dieser Arbeit ist es wichtig mit dem Land Guatemala, seiner Bevölkerung und Geschichte vertraut zu sein. Deshalb vorweg einige allgemeine Informationen zu diesem zentralamerikanischen Republik. Im Norden und Nordosten grenzt Guatemala an Mexiko, im Uhrzeigersinn schließt im Osten zunächst Belize, gefolgt von einem eigenen Küstenstück an der Karibik sowie den südöstlich liegenden Ländern Honduras sowie El Salvador an, bevor Guatemala im Süden erneut von einem Küstenstück, dem Pazifik begrenzt wird. Die Republik Guatemala ist in 22 Länder unterteilt mit der gemeinsamen Hauptstadt Guatemala City. Im gesamten Land leben ungefähr 12 Millionen Einwohner. Die offizielle Sprache Guatemalas ist zwar Spanisch, jedoch werden insbesondere in indigenen Gemeinschaften bis heute noch rund 20 Sprachen der Maya sowie der Xinca und Garifuna gesprochen.
Diese Arbeit beschäftigt sich zu Beginn intensiv mit der Geschichte des Landes, beginnend mit der Zeit vor der Ankunft der Spanier bis hin zur Gegenwart. Dies ist notwendig um die Gründe, welche zu dem 36 Jahre lang andauernden Bürgerkrieg in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts geführt haben, verstehen zu können. Diese Zeit gilt als eine der schwierigsten und konfliktträchtigsten Epochen Guatemalas, welche durch Gewalt und Unterdrückung gekennzeichnet war und noch bis heute Guatemala stark beeinflusst.
Bereits in der frühen prehispanischen Zeit konnte sich im Gebiet Mesoamerikas, unter diesem versteht man das heutige Zentralmexiko, Guatemala und weitere Teile von Zentralamerika, über eine Periode von mehreren tausend Jahren und ausgehend von einer ersten nomadenhaften Bevölkerung mit primitiven sozialen Strukturen, eine ausgeprägte kulturelle Struktur entwickeln. Spuren der ersten Besiedlung im heutigen Guatemala gehen bis 7000 – 12000 Jahre vor Christus zurück. Die wichtigste ethnische Gruppe Mesoamerikas auf dem Gebiet Guatemalas waren die Mayas. Deren Kultur erreichte insbesondere in der klassischen Epoche (400 v. Chr. – 200 n. Chr.) bezüglich ihrer wirtschaftlichen, soziopolitischen aber auch intellektuellen und künstlerischen Entwicklung einen bemerkenswerten Höhepunkt. Gegen Ende des achten bis zu Beginn des neunten Jahrhunderts nach Christus erfährt diese Kultur jedoch einen besonders raschen Niedergang. In dieser postklassischen Zeit verbleiben nur vereinzelte Stämme wie die der Quiches, der Cakchiqueles oder der Tzutujiles, allesamt Nachkommen der Maya. Diese Stämme verloren zwar ihre ursprüngliche Sprache, es blieben aber ihren Legenden, Mythen sowie ihr Glaube und ihre Weltaschaung erhalten. Bei der Ankunft der Spanier (1523 n. Chr.) waren diese Gruppen gespalten und in kriegerischen Auseinandersetzungen verstrickt. Dies erleichterte den Spaniern die Eroberung, welche jedoch auch aufgrund der politischen Uneinigkeit langwierig und sehr zerstörerisch verlief. Die Kriege gegen die Spanier dezimierten die indigene Bevölkerung stark, weiters musste diese auch Ausnützung und Missbrauch durch die Eroberer erdulden. Es kam auch zu großen Vertreibungen und somit zu kulturellen Entwurzlungen der indigenen Bevölkerung das diese oftmals auch jene Gebiete, welche das Zentrum ihrer Kultur und Identität darstellten, verlassen mussten. Die von den Spaniern etablierte Gesellschaftsstruktur basierte auf einer ethnisch-kulturellen Trennung. Es wurde zwischen den von der iberischen Halbinsel stammenden Spaniern sowie den bereits in Guatemala geborenen Nachkommen derselben unterschieden. Letztere werden als Kreolen bezeichnet und waren von wichtigen politischen sowie wirtschaftlichen Ämtern ausgeschlossen; auch siedelten diese getrennt am Rand der Städte und Siedlungen. Dies erleichterte in der Folge die Vermischung mit den Indios und Schwarzen, welche von den Spaniern als Sklaven nach Guatemala gebracht wurden, woraus sich dann die Gruppe der Ladinos oder Mestizen entwickelte. In der Mitte des 18. Jahrhunderts formierte sich unter der entstandenen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Elite des neuen Spaniens der Wunsch zur Unabhängigkeit von der iberischen Halbinsel. Dieser war jedoch von ständigen Auseinandersetzungen zwischen der Oligarchie der Hauptstadt und jener der Provinz begleitet. Beide strebten, unter Ausschluss von Spanien, die politische und wirtschaftliche Macht in der Hauptstadt an. Dies führte zur Gründung der Föderalrepublik Zentralamerikas, welche allen Bürgern, unter Einbezug der indigenen Bevölkerung, unabhängig ihrer Rasse, Kultur und Religion, Rechte und Garantien zusicherte. Jedoch verhinderte die über lange Zeit indoktrinierte Ideologie der Trennung der sozialen Schichten eine echte Einheit innerhalb der Bevölkerung. Die andauernden Kämpfe zwischen den Liberalen und den Konservativen bewirkten, dass sich aus der Föderalrepublik Zentralamerikas die neue Republik Guatemala entwickelte. Seit dieser Zeit waren auch die Positionen der Konservativen sowie der Liberalen klar definiert wobei die Ersteren an der Trennung der sozialen Schichten festhielten. Auf der einen Seite gab es die Elite welche sich klar von der unteren Schicht bestehend aus Bauern und Indios abgrenzte. Die Zweiteren versuchten dieses Schema zu brechen, um an Stelle der alten Elite dessen Stellung einzunehmen. Dieses Streben bewirkte aber ebenso, ohne dass die Liberalen es wahr haben wollten, dass die Indios erneut in ihrer prekären und nachteiligen Situation gefangen waren. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gelang es den Ladinos erstmals an der Regierung aktiv teilzunehmen. Trotz der damals herrschenden Diktaturen erging es den Indios in dieser Zeit einigermaßen gut, da ihre Gemeinschaften respektiert wurden und sie kaum von Landenteignung betroffen waren. Dies änderte sich jedoch 1871 als die Liberalen an die Macht kamen, da sie, um die Entwicklung Guatemalas zu beschleunigen, die Indios zu ladinisieren versuchten. In den folgenden dreißig Jahren wechselten diktatorische Regime, welche sich allesamt als liberal bezeichneten. Diese setzten sich zwar zum Ziel das Land durch rasche Modernisierung nach europäischen Vorbild zu verändern, jedoch wurde die reale Situation des Landes dabei einfach ignoriert. Ausländische Investitionen wurden in hoher Höhe zugelassen, Konzessionen wurden in einem Ausmaß an Engländer und Belgier vergeben, sodass man von einer europäischen Kolonisierung sprach. Etwas später wurden dann auch, mit gleichem Ziel, Schlüsselsektoren wie Transport und Dienstleistungen an ausländische Investoren abgetreten. Die Tendenz sich in ausländische Abhängigkeit zu begeben trat im besonderen Maße zeitgleich mit dem Beginn des Kaffeeanbaus auf. Die Indios waren erneut der leidtragende Teil der Bevölkerung, da diese gezwungenermaßen schwere Arbeit zu leisten hatten, und ihre Bräuche und Kultur aufgeben mussten um sich der neuen Politik der Liberalen anzupassen.
Die auf Terror und Denunziation aufbauende Diktatur dieser Zeit unter Cabrera war eine der furchtbarsten Epochen in der Geschichte des Landes. Unter ihm begannen auch die Aktivitäten der amerikanischen United Fruit Company, welche in Guatemala eine industrielle Bananenproduktion etablierte, wobei diese sich der für sie überaus vorteilhaften Politik der Diktatoren dieser Zeit bediente.
Die revolutionäre Epoche, welche auch als die demokratische Zeit Guatemalas gilt dauerte von 1944 bis 1954. In dieser Zeit herrschte eine weniger diskriminierende Politik, in der auch Minderheiten Beachtung und Rechte erhielten und welche auch Rücksicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten des Landes nahm. Ohne Zweifel definiert diese Epoche auch den Beginn des Kampfes zwischen der Oligarchie der großen Kaffeeproduzenten und finanzkräftigen Oberschicht, welche versuchte sich Platz und Mitsprache in der politischen und wirtschaftlichen Landschaft Guatemalas zu sichern. Arevalo und Arbenz waren die Präsidenten dieser Zeit. Die Regierung unter Arevalo kann als städtisch, sozial und als bildungspolitisch engagiert bezeichnet werden. Es wurde eine ausgeglichene Gesetzgebung umgesetzt, welche auch der arbeitenden Klasse Rechte und Schutz zuwies, jedoch von manchen politischen Sektoren kurzweg als “kommunistisch” abqualifiziert wurde. Die Hauptprofiteure dieser Zeit waren sicherlich die Mittelschicht, die auch als neue politische Elite angesehen werden konnte, sowie die eher ärmliche, arbeitende städtische Bevölkerung. Die Situation der indigenen Bevölkerung verbesserte sich jedoch nicht. Die Reformierung der Landverteilung sowie der Landnutzung (Agrarreform), durch welche in erster Linie die politische als auch wirtschaftliche Unabhängigkeit Guatemalas angestrebt wurde, wurde durch starke Interventionen seitens der Vereinigten Staaten von Amerika torpediert und schließlich verhindert. Dieser Eingriff in die inneren Angelegenheiten Guatemalas, wurde mit dem Verweis auf eine sich abzeichnende Bedrohung durch den sich in Lateinamerika ausbreitenden Kommunismus argumentiert, welche unter allen Umständen gebannt werden musste. Auch aufgrund der geringen Alphabetisierungsrate (<50 %) war die indigene Bevölkerung auch in dieser Zeit nicht in der Lage ihre Rechte während des sich abzeichnenden Konflikts zu verteidigen.
Die folgenden Jahre waren durch einen entwicklungspolitischen Stillstand geprägt da die jeweiligen Regierungen im Kampf gegen einen imaginären Kommunismus gefangen waren, welcher auf Rücksicht auf ausländische Interessen in Guatemala nicht geduldet werden durfte. Die Abwehr der „kommunistischen Gefahr“ wurde aber auch direkt vom Ausland aus unterstützt, welches seine wirtschaftlichen Interessen in Gefahr sah. Die so resultierende Konterrevolution wurde insbesondere von den Vereinigten Staaten von Amerika betrieben, welche jegliche Ausbreitung des Kommunismus in der Region unter allen Umständen zu verhindern trachtete.
In Guatemala einte der Kampf gegen den Kommunismus das Militär, die römisch katholische Kirche sowie Großgrundbesitzer und Geschäftsleute, welche Wohlstand und Reichtum als auch die geistige Führung des Landes sowie die Leitung von Gewerkschaften und anderen Organisationen für sich alleine beanspruchten. Es bildeten sich private Initiativen von einflussreichen Geschäftsleuten welche versuchten die wirtschaftlichen Geschicke des Landes, auch gegen die Interessen des ländlichen Raumes, selbst in die Hand zu nehmen. In ihrem Interesse lag es auch die etablierte Machtstruktur aufrecht zu erhalten. So bildete sich zu Beginn der Sechzigerjahre zunächst in der Hauptstadt, sowie später auch im Osten des Landes eine Widerstandsbewegung, deren wesentliche Protagonisten für eine politisch und sozial gerechte Ordnung eintraten. Die Auseinandersetzungen wurden zunächst politisch geführt, begannen jedoch bald auch gewaltsame Formen anzunehmen. Es kam zu einem “schmutzigen Krieg” in dem Terror herrschte und Entführungen sowie Morde an der Tagesordnung waren. In den Siebzigerjahren glaubten die Regierungen durch eine Intensivierung der Auseinandersetzung die Widerstandsbewegung auslöschen zu können, da beinahe alle Anführer derselben bereits ermordet waren.
Es kam jedoch zu einer Reorganisation der Guerilla im Hochland von Guatemala wo ein Großteil der indigenen Bevölkerung Guatemalas lebte. Deren Anführer schlossen sich großteils den Aufständischen an, zum Teil auch motiviert durch die modernen Ideen einer ethnischen Identität, welche zu dieser Zeit in vielen Teilen der Welt intensiv diskutiert wurde. Als dies von der Regierung erkannt wurde, ging sie mit verstärkter Härte gegen die Guerilla und deren Mitstreiter vor. Die Situation verschlimmerte sich weiter als sich in den Achtzigerjahren der Bürgerkrieg intensivierte, dies traf insbesondere die indigene Bevölkerung, welche sich zwischen den Fronten der Regierung und der Guerilla wiederfand. In dieser Zeit wurden ganze Dorfgemeinschaften ausgelöscht, und der soziale Kern vieler Gemeinden zerstört. Viele fanden den Tod oder mussten die Flucht ins Exil antreten. Diese Epoche ist durch einen Genozid an der indigenen Bevölkerung charakterisiert.
Die Rückkehr der Demokratie im Jahre 1986 ändert zunächst wenig an den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Spannungen zwischen den existierenden Gruppen im Land. Erst mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags im Jahr 1996 konnte der Bürgerkrieg offiziell beendet werden. Guatemala sah sich jedoch mit der sehr schwierigen und mühsamen Herausforderung konfrontiert die politischen und sozialen Institutionen des Landes wieder aufzubauen. Die Gesellschaft war durch den 36 jährigen Bürgerkrieg stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Bürgerkriegsopfer und deren Familien erwarteten, als einen ersten Schritt hin zu einer echten und umfangreichen Vergangenheitsbewältigung, eine allgemeine Akzeptanz der Geschehnisse während des Bürgerkriegs. Dieser sozial und psychologisch wichtige Aussöhnungsprozess hätte rasch imitiert und durchgeführt werden müssen, um die Wunden des Bürgerkriegs heilen zu helfen. Obwohl ein solcher im Friedensvertrag vorgesehen war, fand dieser bis dato praktisch nicht statt, sodass die daraus resultierenden Probleme in der guatemaltektischen Gesellschaft noch immer stark vorhanden sind. Auch heute ist Guatemala noch von einer sehr starken sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit und Ungerechtigkeit gekennzeichnet. Es fehlen funktionierende Rechtsstrukturen um allen Bürgern des Landes ihre Grundrechte garantieren zu können. Viele der aktuellen Probleme des Landes wie die extreme Armut, die hohe Kriminalität, der Analphabetismus sowie die stark defizitäre soziale Strukturen, sind für die große Mehrheit der Guatemalteken tägliche Realität.
Nachdem der geschichtliche Hintergrund Guatemalas in groben Zügen vorgestellt wurde soll mit dem zentralen Thema dieser Arbeit, dem kulturellen (memoria cultural) und geschichtliche Gedächtnis (memoria histórica) Guatemalas im Werk Con pasión aboluta (Mit absoluter Leidenschaft) der guatemaltekischen Schriftstellerin Carol Zardetto fortgefahren werden.
Carol Zardetto wurde in Guatemala geboren. Sie arbeitete als Rechtsanwältin, Diplomatin, Regierungsbeamtin, Kolumnistin, Kino Drehbuchautorin sowie als Schriftstellerin. Sie verfasste Erzählungen sowie literarische und politische Essays. Sie war Co-Autorin der Kolumne für Theaterkritik „Butaca de dos“ der guatemaltekischen Zeitung „El Siglo veintiuno“. Derzeit liefert sie Beiträge für die Kolumne „Opinión“ der guatemaltekischen Zeitung „El Periodico“, in denen sie die Wichtigkeit und die Bedeutung betont, welche die Entwicklung eines kollektiven Bewusstseins bei der Lösung der vielen Probleme des Landes hat. Ihr Roman Con pasión absoluta wurde 2004 mit dem “Mario Monteforte Toledo” Preis ausgezeichnet. Sie war die erste Schriftstellerin Guatemalas, welche diesen Preis, der von der Mario Monteforte Toledo Stiftung einmal pro Jahr mit dem Ziel verliehen wird die nationale Literatur zu fördern, erhielt.
In Con pasión absoluta wird die Geschichte Guatemalas als auch die seiner Bevölkerung unter Berücksichtigung von politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aspekten beschrieben. Das Werk erzählt das Leben dreier Generationen von Frauen einer guatemaltekischen Familie, welche ihr Leben aus dem Blickwinkel der Frauen schildern. Der Roman umfasst die Zeit beginnend mit dem Ende des neunzehnten sowie Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts und erstreckt sich bis in die neunziger Jahre, welche durch die Unterzeichnung des Friedensvertrags nach dem Bürgerkrieg geprägt wurden. Die Handlung beginnt als Irene, die Hauptfigur des Stücks, wegen einer schweren Erkrankung ihrer Großmutter aus Canada nach Guatemala zurückkehrt. Irene zeichnet anhand von Erinnerungen und Vorstellungen die Vergangenheit nach, in der viele für sie wichtigen Personen vorkommen. Zum Beispiel der Friseursalon ihrer Mutter und ihrer Tanten Ibis und Aura, sowie die Leben ihrer Großmutter und Mutter als Lehrerinnen in den Dörfern auf dem Land. Diese Erinnerungen werden jedoch von der konfliktreichen politischen Geschichte Guatemalas begleitet, und mit dieser verwoben im Roman dargestellt. Die Protagonistin ist auf der Suche nach der vollkommenen Liebe welche für sie aber nicht erreichbar ist. Irene erkennt dass es zwei Arten der Liebe gibt welche im Roman als AMOR bzw. als a-m-o-r bezeichnet werden. AMOR ist von den sozialen Konventionen losgelöst und nicht dem Funktionieren der Familie unterworfen. Diese Form der Liebe entspricht dem mächtigen Vitalinstinkt der Menschen. Zu diesem im Gegensatz steht a-m-o-r, welcher alleine dem Zweck dient eine Familie führen bzw. vorzeigen zu können und auch zum Aufbau einer gesellschaftlichen Ordnung notwendig ist. Im Laufe des Lebens kann man entscheiden ob man AMOR zulassen möchte, was ein intensives Leben mit dem Riskio einer Veränderung durch das Einlassen auf das Fremde verknüpft ist, oder ob man sich bequem mit dem konventionellen a-m-o-r zufrieden gibt und ein eher oberflächliches Leben führt.
Um dieses Werk in Bezug auf das kulturelle und geschichtliche Gedächtnis hin zu analysieren, werden diese Begriffe zunächst definiert und dann auf das Werk angewandt. Zunächst wird das Kulturkonzept nach Aleida Assmann vorgestellt, anhand dessen die kontinuierliche dynamische Entwicklung desselben verstanden werden kann. Nach Aleida Assmann kann man sechs unterschiedliche Verwendungen des Begriffes Kultur finden, drei wertfreie (eingeteilt nach Kulturpflege, geographischer und politischer Großgebilde sowie nach Art des Zusammenlebens von Menschen), und drei werthaltige (eingeteilt nach den begriffen, Hochkultur, Zivilisation und dem kritischen Kulturkonzept). Für die heutige Zeit ist die Verwendungen des Begriffs Kultur nach Aleida Assmann jedoch zu positiv, weshalb auch auf das wichtige Konzept der Multikulturalität nach Hall eingegangen wird. Dieses ist insbesondere für diese Arbeit aufgrund der Multikulturalität Guatemalas von großer Bedeutung.
Ein weiterer für die Arbeit wichtiger Begriff ist jener der Identität. Auch dieser hat viele Bedeutungen, welche sich selbst dynamisch verändern. Hier soll die Definition nach Jan Assmann verwendet werden, welcher bei der Identität zunächst zwischen einem „ich“ und „wir“ unterscheidet, wobei bei ersterer noch zwischen einer individuellen sowie personalen Ausformung unterschieden werden kann und letztere auch als kollektive Identität bezeichnet wird. Der Begriff der Identität nach Jan Assmann ist für Guatemala von großer Relevanz, weil in dieser Gesellschaft zwar eine Vielzahl von unterschiedlichen Identitäten vorkommen, diese jedoch von den Guatemalteken im allgemeinen weder wahrgenommen noch akzeptiert werden.
Zur Ausbildung einer Identität sind mehrere Faktoren wichtig. Unter diesen ist das Bewusstsein, also die Art und Weise wie der Mensch sich selbst sieht, von besonderer Bedeutung. Die Autorin lässt die Protagonistin im Zuge des Werkes ein Bewusstsein bezüglich der Realität Guatemalas als multikulturelles Land entwickeln. Dies ist notwendig, da es in Guatemala praktisch keine Vernetzung zwischen den diversen Gruppen gibt, welche durch unterschiedliche soziale Stellungen, Ideologien und Rassen stark separiert sind. Deshalb ist es von großer Wichtigkeit dass die Guatemalteken ihrer wahre Identität definieren, was jedoch eine Bewusstseinsbildung notwendig macht. In der Arbeit werden drei Elemente genannt welche nach Cichon bei der Bewusstseinsbildung wesentlich sind. Zunächst handelt es sich hierbei um die Identität welche jedem Individuum eigen ist, und die sich ständig in Wechselspiel mit seiner Umgebung verändert. Das zweite Element ist die Ideologie, laut Cichon der geistige Überbau zur Sicherung der Macht der Herrschenden, welche oft als Auslöser von Kriegen fungiert. In Guatemala ist das am Beispiel des Bürgerkriegs ersichtlich.
Die Autorin thematisiert das Element der Ideologie anhand des Machtmissbrauchs der sich durch die Geschichte des Landes zieht. Das dritte Element beschreibt die Meinung, welche aus der eigenen Meinung, Stereotypen sowie aus Vorurteilen aufgebaut sein kann. Diese Tatsache trifft genau auf Guatemala zu und wird auch im Rahmen des Werkes von der Autorin betont und herausgestrichen. Die im Laufe der Geschichte tief verwurzelten Stereotypen und Vorurteile verhindern das Ausbilden einer eigenen Identität der Personen durch welche sie ihre Unterschiede erkennen und sich gegenseitig akzeptieren könnten.
Der Begriff des kulturellen Gedächtnisses wird ausgehend von dem neuen Konzept von Assmann zum kollektiven Gedächtnisses von Halbwachs diskutiert. Assmann unterteilt diese in ein kulturelles und in ein kommunikatives Gedächtnis, welche zwar bezüglich der Zeit jedoch nicht durch den Vorgang des Erinnerns getrennt sind. Laut Assmann befindet sich zwischen diesen beiden immer ein sogenanntes „floating gap“ welches beide voneinander trennt. Das kulturelle Gedächtnis bezieht sich auf das Mythische, auf etwas, was vor langer Zeit geschehen ist. Deren Inhalte können kodifiziert in der Form überlieferter Geschichten, Tänze oder Bilder wahrgenommen werden. Das kommunikative Gedächtnis baut auf der Kommunikation zwischen Personen auf und erstreckt sich auf eine Zeitspanne von rund 80 Jahren, ausgehend von der Gegenwart bis zu drei Generationen zurück in die Vergangenheit. Nachdem durch die Schrift kulturelle Information gespeichert werden kann, sind auch literarische Werke, wie jenes von Carol Zardetto von großer Bedeutung, da diese einen Beitrag leisten um Information über die Vergangenheit lebendig zu halten. Ihr Text hilft ohne Zweifel der guatemaltekischen Gesellschaft eine kulturelle Beurteilung des eigenen Landes zu erreichen und das kollektive Bewusstsein zu schaffen, welches den Wert der guatemaltekischen Gesellschaft zu erkennen hilft. Es leistet auch einen Beitrag zur Stärkung des kulturellen Gedächtnisses an sich, welches, obwohl dieses in erster Näherung konstant und stabil ist, stets durch eine Wiederinterpretation der Geschichte neu verstanden werden kann. Als geschriebenes Werk hat dieses auch die Möglichkeit einen Einfluss auf das kulturelle Gedächtnis zu nehmen, da es, sobald es aus dem Zeitfenster des kommunikativen Gedächtnis heraustritt in letzeres aufgenommen werden kann. In diesem Roman wird ein von der Autorin empfundener Stand zum kommunikativen Gedächtnis Guatemalas komprimiert festgehalten. Dadurch wird ein wesentlicher Beitrag geleistet um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass dieser auch das kulturelle Gedächtnis dieser multikulturellen Gesellschaft aufwertet. Das kommunikative Gedächtnis Guatemalas läuft Gefahr an Substanz zu verlieren. Zum einen verringert sich die Zeitspanne in der dieses am Leben gehalten wird, zum anderen gibt es auch weitere Tendenzen welche dieses ausdünnen und so zu einem stark ausgeprägten Desinteresse der Bevölkerung führen sich mit der eigenen kulturellen Vergangenheit und Geschichte auseinanderzusetzen. Die Vorfälle während des Bürgerkriegs bedrohen weiter das kommunikative Gedächtnis. Die Generation, welche diese Zeit erlebt hat, zieht es oft vor über diese zu Schweigen, was zur Folge hat, dass diese spezielle Erfahrungen als auch der geschichtliche Hintergrund nur sehr Bruchstückhaft an die nächste Generation weitergeben wird. Gerade hier leistet der Roman von Carol Zardetto einen wichtigen Beitrag, da in diesem die Kommunikation und somit der Erfahrungsausstausch über drei Generationen (80 Jahre) aufrecht erhalten wird. Die Bedeutung des geschichtlichen Gedächtnisses wird nach dem Ansatz von Aleida Assmann betrachtet. Diese vertritt die Auffassung, dass die Begriffe Geschichte und Gedächtnis nicht voneinander unabhängig betrachtet werden können, da sie sich gegenseitig stark beeinflussen. Die Geschichtschreibung ist ein Akt bei dem das Gedächtnis maßgeblich beteiligt ist. Es wird hier jedoch zwischen einem Funktionsgedächtnis und einem Speichergedächtnis unterschieden. Ersteres wird durch den Bezug zur Gruppe sowie durch die Einheit der Werte und durch die Einstellung zur Zukunft bestimmt. Letzerer kann als Ort verstanden werden wo Gegebenheiten und Vorfälle, aber auch Gegenstände wie Reliquien, literarische Werke und dergleichen gespeichert werden. Dieses Speichergedächtnis kann zur Erneuerung des kulturellen Bewusstseins verwendet werden und zu einer Art Korrektur für das Funktionsgedächtnis werden.
Das Speichergedächtnis ist dem Funktionsgedächtnis überlagert, bezüglich des Funktionsgedächtnisses können drei verschiedene Gebrauchsformen definiert werden, die Legitimation, die Delegitimation sowie die Distinktion. Die Legitimation wird meist von herrschenden Gruppen verwendet um an einer bestimmten Sichtweise der Vergangenheit festzuhalten, und um so politische Handlungen argumentieren zu können. Die Verwendung zum Zweck der Delegitimierung wird meist von den Unterlegenen einer Auseinandersetzung in der Hoffnung verwendet, dass diese für die Zukunft relevant wird. Unter der Distinktion versteht man die Summe von symbolischen Handlungen die der Profilierung einer kollektiven Identität dienen.
Carol Zardetto nutzt die Geschichte Guatemalas welche im Speichergedächtnis vorhanden ist, um einen fiktiven Roman zu verfassen. Dazu benutzt sie Zitate aus Zeitungen sowie offizielle Berichte zur jüngsten Geschichte Guatemalas, welche sie reinterpretiert.
Ihr Interesse an den offiziellen Berichten liegt in deren Bedeutung am kollektiven Imaginär Guatemalas. Nichts desto trotz sind die in diesen Berichten bestimmenden Begriffe und Themen wie das Vergessen, die Wahrheit, das Verzeihen, die Gerechtigkeit und der Friede auch für sie von großer Bedeutung, welche sie durch deren Einbindung in ihr Werk erneut in das Bewusstsein der Guatemalteken bringt. Deshalb wird in dieser Arbeit auch Bezug auf die Kommission zur historischen Aufklärung (CEH) und dem Projekt zur Wiederaneignung der historischen Erinnerung (RHEMI) genommen. Das durch diese Berichte Erreichte für das historische Bewusstsein Guatemalas ist jedoch marginal, da ihre Verbreitung und Diskussion zum einen von den amtierenden Regierungen nicht ausreichend unterstützt wird und zum anderen weil die heutige Bevölkerung das Bestreben hat ihre jüngste Geschichte zu vergessen.
Der Roman von Carol Zardetto ist auch ein Spiegel des Lebens in Guatemala. Dieses ist sowohl durch die bestehende Multikulturalität des Landes als auch durch seine starke Heterogenität bestimmt, in welchen das Phänomen der Hybridität auftritt. In dieser Arbeit wird dieses nach dem Konzept von Hall und Canclini behandelt. Die sich abzeichnende Entwicklung einer globalisierten Welt stellt eine neue Gefahr für die Entwicklung einer eigenständigen kulturellen Identität dar, da diese selbst innerhalb Guatemalas noch nicht abgeschlossen ist.
Die Autorin behandelt aber noch weitere wichtige Punkte. Diese beinhalten das Zusammenlaben der unterschiedlichen ethnischen Gruppen in Guatemala, die Verteilung der Macht zwischen ihnen sowie ihre unterschiedliche Einbindung in die politischen und wirtschaftlichen Belange des Landes. Um diese in dieser Arbeit zu diskutieren wird auf das Konzept des sozialen Raumes nach Bourdieu zurückgegriffen. In diesem ist die Gesellschaft in voneinander stark gegliederte Gruppen unterteilt, unter denen praktisch kein Austausch möglich ist und welche um den Machteinfluss im Lande ringen. Dies passt gut auf das heutige Guatemala in dem das Überschreiten von Grenzen innerhalb des sozialen Raumes praktisch tabu ist. Diese Grenzen, auch wenn sie von den Guatemalteken nicht wahr gehaben werden wollen, sind jedoch klar definiert in der Bevölkerung verankert. Dadurch wird vorgegeben wie sich Mitglieder einer sozialen Schicht oder Gruppe zu verhalten haben um von dieser akzeptiert zu werden.
Guatemala ist ein Land des Kontrasts in dem ein überwiegender Anteil der Bevölkerung sich des Ausmaßes der vorherrschenden Segmentierung seiner sozialen Strukturen und der sich daraus ergebenden Heterogenität nicht bewusst ist. Um einen tatsächlich funktionierenden, demokratischen Rechtsstaat aufbauen zu können, muss jedoch ein neues Bewusstsein der kulturellen Identität geschaffen werden, in der alle Bevölkerungsgruppen ihren Platz haben, gegenseitig anerkannt und akzeptiert werden. Das Werk von Carol Zardetto leistet dazu ohne Zweifel auf ihre Art einen wesentlichen Beitrag, der in seiner Bedeutung zum literarischen Wert dieses Romans hinzuzuzählen ist.
Schlagwörter
Schlagwörter
(Deutsch)
Kulturelles Gedächtnis Gechichte und Gedächtnis Identität Kultur Guatemala Carol Zardetto Con Pasión Absoluta
Autor*innen
María del Pilar Maldonado Paz de Lendl
Haupttitel (Spanisch)
Sobre la memoria cultural e histórica en Guatemala
Hauptuntertitel (Spanisch)
la obra de Carol Zardetto - "Con pasión absoluta"
Publikationsjahr
2010
Umfangsangabe
137, 10 S. : graph. Darst.
Sprache
Spanisch
Beurteiler*in
Peter Cichon
Klassifikation
10 Geisteswissenschaften allgemein > 10.00 Geisteswissenschaften allgemein: Allgemeines
AC Nummer
AC08264144
Utheses ID
9761
Studienkennzahl
UA | 236 | 352 | |